AboAbonnieren

AltstadtsanierungBürger in Königswinter klagen erfolgreich gegen Ausgleichsbeiträge

Lesezeit 3 Minuten
Zwischen Bäumen sind weiße Tücher gespannt, auf denen unter anderem „Bürger machen mobil“ geschrieben steht.

Umstritten: 2020 machten Bürger mit der Aktion „Palermo am Rhein“ gegen die Altstadtsanierung und die Zahlung von Ausgleichsbeiträgen mobil.

Grundstückseigentümer in der Altstadt haben mit Erfolg vor dem Verwaltungsgericht gegen Ausgleichsbeitragsbescheide geklagt.

Die Stadt Königswinter hat vor dem Verwaltungsgericht in Köln eine Schlappe erlitten: Die Eigentümer von sechs Grundstücken haben erfolgreich gegen die Bescheide geklagt, mit denen sie nach Abschluss der umstrittenen Altstadtsanierung zur Zahlung von Ausgleichsbeiträgen verpflichtet werden sollten. Als „vernichtend“ für die Stadt stuft Professor Dr. Kay Steen, einer der Kläger, die Entscheidung des Gerichts ein.

Ein Sprecher des Kölner Gerichts und die Stadtverwaltung bestätigten den zunächst mündlichen Beschluss. Demnach habe „das Gericht die Ermittlung der Bodenwerte durch den Gutachterausschuss des Rhein-Sieg-Kreises nicht nachvollziehen“ können, so die Stadt. Deshalb seien „die beklagten Ausgleichsbeitragsbescheide rechtswidrig“.

Altstadsanierung lief von 2004 bis 2017

Der Gerichtssprecher sagte dagegen, die Kammer habe nicht allein die Bodenrichtwerte, sondern die Berechnung der Ausgleichsbeiträge als Gesamtpaket nicht nachvollziehen können.

Rückblick: Von 2004 bis 2017 versuchten Rat und Verwaltung in Königswinter unter Leitung des damaligen Bürgermeisters Peter Wirtz (CDU), über die Altstadtsanierung städtebauliche und räumliche Defizite zu beseitigen.

Das Urteil betrifft ausschließlich die beklagten Bescheide, alle anderen Bescheide behalten ihre Rechtsgültigkeit.
Stadt Königswinter

Stichworte in dem Zusammenhang waren unter anderem Leerstände und marode private Gebäude. Der Erfolg des Projekts wird gemeinhin als bescheiden eingeschätzt.

Nach Abschluss der Altstadtsanierung forderte die Stadt die Ausgleichsbeiträge ein. Das Geld müssen laut Baugesetzbuch Eigentümer dafür zahlen, dass sich durch die Sanierung der Bodenwert ihres Grundstücks erhöht hat.

Nach Zahlen von 2020 ging es für die beiden Sanierungsgebiete Altstadt und Drachenfels um insgesamt 316 000 Euro. Demnach sollten 437 Bescheide verschickt werden. Die Höhe der fälligen Beiträge lagen zwischen 500 Euro (der Großteil) und mehr als 25 000 Euro (zwei Fälle).

Während die meisten Bürger zahlten, zogen 13 Eigentümer von sechs Grundstücken vor drei Jahren vor Gericht. Bei ihnen ging es laut Kay Steen um insgesamt rund 16 000 Euro, darunter ein Fall mit 4500 Euro. Die Grundstücke liegen an der Rheinallee, der Generalkonsul-von-Weiß-Straße, der Hauptstraße, der Drachenfelsstraße und der Wilhelmstraße.

„Die Ausgleichsbeiträge sind nicht plausibel nachvollziehbar“

„Die Ausgleichsbeiträge der Stadt Königswinter sind nicht plausibel nachvollziehbar“, geben die Kläger in einer gemeinsamen Presseerklärung die mündliche Begründung des Gerichts wieder.

Ein zweiter Grund für die Entscheidung liege „in der mangelhaften Ausfertigung der Sanierungssatzung“. Dass die Stadt durch neue Bescheide doch noch an das Geld der Kläger kommen kann, halten sie für unwahrscheinlich.

Die Stadt könne die Bodenrichtwerte kaum noch sauber ermitteln, unter anderem weil sie jahrelang städtebauliche Sanierungsmittel und Strukturfördermittel der Regionale 2010 vermischt habe, heißt es in der Mitteilung.

Nicht beurteilen könne man, „welche Folgen das Urteil für jene Mitbürger hat, die bereits 2020 ihre Ausgleichsbeiträge gezahlt haben“. Da das Gericht aber von einer mangelhaften Sanierungssatzung ausgehe, könne womöglich auch die Rechtsgrundlage für die bereits rechtskräftigen Bescheide fehlen.

Das allerdings sieht die Stadt Königswinter, die einen „Ausfertigungsmangel“ bei der Sanierungssatzung bestätigt, jedoch ganz anders: „Das Urteil betrifft ausschließlich die beklagten Bescheide, alle anderen Bescheide behalten ihre Rechtsgültigkeit.“

Altstadtsanierung hat für viel böses Blut gesorgt

Die Stadt werde zunächst das Urteil und die Begründung abwarten und dann das weitere Vorgehen prüfen. „Zu einzelnen Aspekten wie der grundsätzlich möglichen Heilung des Ausfertigungsmangels der Sanierungssatzung wird sich die Stadt zu gegebener Zeit noch äußern.“

Die Altstadtsanierung hat in Königswinter zeitweise für viel böses Blut gesorgt. Im Kommunalwahlkampf 2020 hatten Bürger eine Kampagne „Palermo am Rhein“ gestartet, die sich vor allem gegen den damaligen Bürgermeister richtete. Peter Wirtz hatte zur Altstadtsanierung 2018 selbst gesagt: „Als großer Tiger losgesprungen und als kleines Kätzchen gelandet.“