Serie „Jecke Historie“Vom Antikarnevalist zum Karnevalsinfizierten
- Die Rundschau beleuchtet in der „Session mit C(orona) und ohne K(arneval)“ Phänomene der Narretei in der Region und ihre Protagonisten.
- Heute: Ulrich Krumtünger und Herbert Vendel, die sich für das Brauchtum in Hemmerich/Rösberg und Kardorf engagieren.
Bornheim – Früher war Ulrich Krumtünger alles andere als ein Fan der fünften Jahreszeit. „Ich war ein richtiger Antikarnevalist“, erinnert er sich. Es habe ihm nichts ausgemacht alleine zu Hause zu bleiben, während seine Frau mit Freunden im Karneval unterwegs war. Die Wende kam, als Prinzessin Regine (Heimig) 2010/11 regierte und Ehefrau Ute sie im Gefolge begleitete. Damals raffte sich Krumtünger auf, und kaum unterwegs, war er tatsächlich mit dem Karnevalsvirus infiziert. Es sei der Zusammenhalt in der Gruppe, aber auch das Miteinander der Bornheimer Tollitäten und im Dorf gewesen, das ihn buchstäblich mitgerissen habe, erzählt er.
Seit neun Jahren ist Ulrich Krumtünger jetzt sogar der Vorsitzender des Karnevalsausschusses Rösberg-Hemmerich und federführend dafür zuständig, den Karnevalszug, der immer am Karnevalsfreitag geht, heute aber ausfällt, und alljährlich Tollitäten für den närrischen Thron zu finden. Dazu spricht er bei den Vereinen vor, fragt aber auch persönlich einzelne Karnevalisten, von denen er weiß, dass sie mit dem Gedanken liebäugeln, einmal an der Spitze des Rösberg-Hemmericher Karnevals zu stehen. „So kamen auch unsere Prinzessin Elke Weiss und zuletzt Jungprinzessin Vanessa Klein auf den Thron“, erzählt er. Im Gefolge von Prinzessin Regina habe Weiss damals bereits leise den Wunsch ausgesprochen, selber einmal als Prinzessin das närrische Zepter schwingen zu wollen. „Solche Bemerkungen muss man sich als Vorsitzender des Karnevalsausschusses natürlich merken oder aufschreiben, um im Fall der Fälle darauf zurückgreifen zu können“, erklärt er, „und so wie es aussieht, werden wir auch in den kommenden drei Jahren jeweils eine Tollität hier proklamieren können“.
Die närrischen Zeiten liefern immer wieder schöne Anekdoten. So wie die die Prinz Christoph (Eichen), Bauer Paul (Alexander Ihde) und Jungfrau Walti (Walter Bechhold) 2019 widerfuhr. Das Dreigestirn hatte extra einen schicken Prinzenwagen bestellt, der auch gerade frisch „durch den TÜV“ gekommen war. „Auf der Fahrt nach Rösberg erlitt der Festwagen allerdings einen Achsbruch“, berichtet Krumtünger. Zum Glück war gerade noch so viel Zeit, schnell einen neuen zu bestellen. Der kam dann aus Rheinbach-Oberdrees.
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Noch „schlimmer“ hat es Jungfrau Berta (Herbert Vendel) in Kardorf erwischt. Nach einer Tollitäten-Pause von mehr als einem halben Jahrhundert hatte der Rösberg-Hemmericher Karnevalsausschuss ihn zusammen mit Prinz Ingo (Pieper) und Bauer Ralf (Heimig) 2006/07 als erstes Hemmerich-Rösberger Dreigestirn im 21. Jahrhundert in die Session geschickt. Und jeder von ihnen hatte sich für den Karnevalszug 2007 einen eigenen Streitwagen zugelegt. „Wir standen noch am Start, als an meinem Streitwagen ein Reifen platzte“, erinnert sich Vendel. Schon sah er sich zu Fuß hinter dem Zug und seinem Bauern und seinem Prinzen herlaufen. „Anwohner haben mir dann irgendwoher einen Reifen organisiert und die Freiwillige Feuerwehr hat ihn mir dann schnell montiert. Lediglich um einen Straßenzug habe er damals den Zugweg abkürzen müssen, „dann hatte ich den Zug wieder eingeholt“.
Unvergessen bleibt ihm dieses wunderbare Gefühl, an der jubelnden Menge vorbeiziehen zu können. „Der Karnevalszug ist das Größte, das absolut Schönste in der Session“, schwärmt Vendel. Diese Freude am Frohsinn machte ihm die Entscheidung auch 14 Jahre später – 2019 – leicht, als in Kardorf mit Prinz Jürgen I. (Jürgen Kesseler), Bauer Heinz (Linnartz) und ihm zum allerersten Mal in der Dorfgeschichte ein Dreigestirn proklamiert wurde. Vendel – pardon, „Jungfrau Berta“ – ist somit die einzige die gleich in drei Vorgebirgsortschaften Karnevalsgeschichte geschrieben hat. In Rösberg-Hemmerich ist es nach der Regentschaft der ersten Tollitäten richtig in Mode gekommen, das närrische Zepter zu schwingen. Jedenfalls haben seitdem einige ziemlich fesche Prinzessinnen das Volk durch die fünfte Jahreszeit geführt. Und aus erster Hand und als Vorsitzender des Karnevalsausschusses in Kardorf weiß Vendel auch, dass die Tollitäten für die beiden kommenden Jahre ihrer Proklamation in Kardorf bereits sehnsuchtsvoll entgegenfiebern. Er selbst ist derweil damit beschäftigt, den Karnevalszug für das nächste Jahr zu organisieren. Um wenigstens zwei Musikgruppen dabei zu haben, hat er 200 Gruppen angeschrieben. „Die letzte Phase der Zugplanung beginnt für die nächste Session im Januar 2022“, erklärt er. Alle Zugteilnehmer seien dann zur Versammlung eingeladen. „An Weiberfastnacht muss der Karnevalsausschuss dann mehr als 100 Bauzäune im Ort aufstellen, um Kirche, Friedhof und viele Privatgrundstücke vor Randale und Wildpinklern zu schützen“, erklärt Vendel. Auch die Absperrgitter für die Straßensperren müssten die Organisatoren des Karnevalszuges selbst im Bauhof abholen. Und das alles leiste der Karnevalsausschuss ehrenamtlich. Zuggebühren werden in Kardorf nicht fällig. „Noch können wir die Kosten für Versicherung und Musikkapellen aus Spenden und den Haussammlungen finanzieren“, freut sich Vendel.