Serie „Jecke Historie“Der Roisdorfer Karneval – Schon immer fest in Frauenhand
- Für Jecke ist es eine harte Session. Corona-bedingt keine Sitzungen, keine Züge, kein Spaß im Saal und auf der Straße.
- Die Rundschau möchte mit der Serie „Jecke Historie“ mal in die Geschichte der Narretei schauen.
Bornheim-Roisdorf – „Mit einem Jux der Kolpingfamilie fing vor 47 Jahren alles an“, erzählt Ernst Gierlich, Vorsitzender der Heimatfreunde Roisdorf. „Es gab nicht einmal eine offizielle Proklamation und anders als heute bildete nicht die Prinzessin den Abschluss des Karnevalszuges, sondern das Damenkomitee.“ Marianne I. (Hamacher), damals Anfang 20, begründete eher zufällig in der Session 1973/74 die Roisdorfer Prinzessinnentradition. Da sie ihr närrisches Volk so sehr begeisterte, suchte man fortan Jahr für Jahr eine Prinzessin im Karneval und wurde stets fündig.
Auch was die Outfits anging, war in den vergangenen viereinhalb Jahrzehnten für Abwechslung gesorgt: Mal trat die Prinzessin im feschen Petticoat auf und tanzte Rock’n’Roll, mal mit bunten Strohhüten und ein anderes Mal ganz klassisch im rot-weißen Ornat.
Oder wie Sandra Kurth in der vergangenen Session als „Super-Sandra“ mit blau-weißem Ornat und einem Orden mit dem Buchstaben „S“, angelehnt an das Supermann-Logo.
Jede Prinzessin kann sich ihren jecken Untertanen so präsentieren, wie sie es möchte. „Genau das ist das Erfolgsrezept“, erklärt Wolfgang Mertgen. Der 65-Jährige ist nicht nur seit 15 Jahren Vorsitzender des Ortsausschusses, er ist seitdem auch anerkannter „Prinzessinnenmacher“ und hat das richtige Gespür dafür, wer auf den närrischen Thron passen könnte. Manchmal muss er fleißig „baggern“, so manch eine Aspirantin fragt auch schon mal zaghaft an. So auch Sandra Kurth, die als Sandra III. in der Session 2019/2020 regierte und coronabedingt eine Ehrenrunde dreht, da sämtliche Karnevalsveranstaltungen und damit auch Proklamationen abgesagt werden mussten. Die 45-Jährige übernahm von Rockabilly-Prinzessin Jenny I. (Ackermann) das Zepter.
1988/89 durfte Sandra Kurth bereits als Teenager Prinzessin Marlies II. (Gratzfeld) im Gefolge begleiten, doch so richtig Feuer fing sie, als sie 2014/15 Melanie I. (Würzer-Knauf) und ein Jahr später Iris I.(Osang) begleitete. Damals war schon klar: 2020, wenn ihre Kinder alt genug sind, wollte sie nicht nur im Gefolge mit dabei sein, sondern selber ganz oben stehen und feiern. „Zunächst habe ich mein Familie damit veräppelt, dann sagte mein Mann, frag’ doch mal den Wolfgang.“ Der hatte seine „Rhabarberblätter-Ohren“ da aber schon gespitzt, wie Sandra Kurth mit einem Augenzwinkern berichtet.
Charme, Charisma und vor allem jede Menge Spaß am Fastelovend sollte man mitbringen, wenn man so richtig als Prinzessin fiere will. „Es macht einfach einen riesigen Spaß, wenn man den Leuten Freude machen kann, ich habe viele rührende Momente vor allem in Kindergärten und Senioreneinrichtungen erlebt, das vermissen wir alle in diesem Jahr.“
Daher sieht sie Weiberfastnacht, den Tag, an dem in Roisdorf traditionell er Zoch durch die Straßen zieht, mit gemischten Gefühlen entgegen: „Wahrscheinlich werde ich arbeiten.“ Für Wolfgang Mertgen war bereits der 11.11.2020 ein trister Tag: „Zum ersten Mal überhaupt habe ich an einem Elften im Elften gearbeitet.“ Anfang Januar hätte eigentlich Sabine I. (Lehnen) als 47. Prinzessin proklamiert werden sollen. Sie befindet sich derzeit in Lauerstellung, hofft, 2021/2022 über Roisdorf regieren zu dürfen. „Immerhin hat sie die längste Zeit der Vorfreude von allen“, scherzt Mertgen.
Hervorheben möchte der Ortsausschuss-Vorsitzende keine der charmanten Lieblichkeiten: „Alle sind einzigartig.“ Das bestätigt auch Ernst Gierlich: „Jede könnte besondere Geschichten erzählen.“
Einen wunderbaren Überblick über fast fünf Jahrzehnte Roisdorfer Prinzessinnen-Geschichte bietet die Galerie der Ex-Prinzessinnen auf der Seite der Heimatfreunde Roisdorf.
Mit gerade mal 18 Jahren war Astrid I. (Schmidt, später Hennes) 1980/81 Roisdorfs bislang jüngste Prinzessin. 1975/76 mischte auch Ernst Gierlich mit. Er begleitete damals seine Schwester Marlies I. (Hartmann) im Gefolge.
Über Roisdorfs Grenzen hinaus in die bundesweiten Schlagzeilen schaffte es 2010/11 Füsun I. (Mack), die als „türkische Frohnatur“ regierte unter dem Motto „Ob Abend- oder Morgenland – der Karneval ist unser Band“. Melanie I. (Würzer-Knauf) ließ Wolfgang Mertgen 2014 lange zittern, sie entschied sich erst im Oktober, das Amt zu übernehmen. Als „Mädche us em Ovvedörp“ im grün-blauen Ornat sorgte Doris I. (Mahlberg) für besondere optische Akzente und mit jugendlichem Hüftschwung verzichtete Kinderkrankenschwester Jenny I. (Ackermann) 2018/19 gleich ganz auf ein Ornat und tanzte mit einem türkisfarbenen Petticoat und flotten Songs durch die Session. Roisdorfs bislang letzte Lieblichkeit ist „Super-Sandra III.“ die weiterhin unter dem Motto „Oss Roisdorf – oss Heemat“ regiert. Die bisherigen Roisdorfer Majestäten treffen sich regelmäßig im „Club der Ex-Prinzessinnen“.
Historie
„Wo en Prinzessin keene Prinz bruch ...“ heißt es in der vierten Strophe der Roisdorf-Hymne, die der Musiker Willi Wilden 2013 anlässlich der 900-Jahr-Feier komponiert hat. Der Roisdorfer Karneval ist nicht erst seit Marianne I. fest in weiblicher Hand. Anfang des 20. Jahrhunderts reisten die Marktfrauen an Weiberfastnacht immer nach Köln und importierten diese Tradition nach Roisdorf, so Ernst Gierlich.1938 gründeten 15 Frauen das Damenkomitee „Germania Roisdorf“ und an Weiberfastnacht 1939 wurde der erste Zoch veranstaltet. Bis 1989 wurden die Majestätinnen, übrigens noch im Ratssaal , proklamiert. Seit Anfang der 1990er Jahre dann inthronisierte man die Prinzessinnen im Festzelt (fes).
Es gibt noch eine weitere Erfolgsformel: „Wir versuchen, auf der einen Seite Tradition und Brauchtum zu pflegen, stehen aber auch modernen Entwicklungen offen gegenüber“, so Gierlich. Daher wird auch die Erfolgsgeschichte weitergeschrieben: Für die kommenden Jahre stehen bereits weitere Prinzessinnen in den Startlöchern.