Rheinspange bei Widdig und UrfeldAlarmstimmung nach neuem Gutachten
Bornheim – Der Landschaftsschutzverein Vorgebirge (LSV) ist alarmiert, der Widdiger Ratsherr Rolf Schmitz (CDU) spricht von einer „sehr unglücklichen Vorgehensweise.“ Er ist zugleich Gründungsmitglied der Bürgerinitiative „Rheinspange W3W4“. Die große Sorge: Alles könnte auf eine Rheinquerung bei Widdig und Urfeld hinauslaufen.
Anlass ist ein kürzlich beim siebten Dialogforum zur Rheinspange vorgestelltes Gutachten mit den Ergebnissen nach der sogenannten „Seveso III-Richtlinie“ (siehe Kasten). Der TÜV-Nord erstellte die Schrift. Fachleute untersuchten mögliche Gefahrenpotenziale durch die chemischen Industrieanlagen im Kölner Süden – etwa bei Unfällen oder dem Austreten gefährlicher Stoffe.
Richtlinie
Benannt wurde die Seveso-III- Richtlinie nach dem gleichnamigen italienischen Ort, in dem sich im Juli 1976 ein folgenschwerer Industrieunfall ereignet hat. Dabei wurde eine Giftwolke aus chlorhaltigem Dioxin TCDD freigesetzt.
Um solche Betriebsunfälle künftig zu verhindern, traten die mehrfach überarbeiteten EU-Seveso-Richtlinien in Kraft. Der offizielle Name lautet: „Richtlinie zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen.“ Zuletzt wurde diese Störfall-Vereinbarung 2012 überarbeitet („Seveso III“). (fes)
Die Experten schlossen daraus, dass die Varianten mit einer Rheinquerung bei Godorf ein größeres Gefahrenrisiko aufweisen als die südlichsten Varianten bei Widdig und Urfeld. Diese Modelle (W1, W3 und W4) verlaufen „vollständig außerhalb der angemessenen Abstände zu den relevanten Betriebsbereichen und sind entsprechend vollkommen konfliktfrei“, heißt es in dem Gutachten.
Die Baulastträgerin, die Autobahn GmbH des Bundes (bis Ende 2020 Straßen NRW), erklärte aber auch, dass eine schlechte Bewertung nach diesen Richtlinien kein Ausschlusskriterium darstelle: „Die Bewertung fließt gemeinsam mit verschiedenen anderen Aspekten als wichtiger Belang in die Gesamtabwägung ein.“
Für den LSV wird anhand dieser Aussagen eine Rheinquerung bei Urfeld und Widdig jedoch leider immer wahrscheinlicher. Die Landschaftsschützer lehnen die Rheinspangenplanung zwischen Köln und Bonn generell als falsches Signal in Zeiten der Verkehrswende ab. Entstehe die Brücke bei Widdig, müsste die Anschlussstelle Wesseling Richtung Süden verlegt werden. Die neue Anbindung würde dann die A 555 mit der Kölner Landstraße (L 300) etwa auf Höhe der Einmündung des Gotenwegs in Widdig verbinden. Laut Planung soll auch ein Anschluss an die Autobahn 61 (Köln-Koblenz) erfolgen.
Verkehr starke Belastung für Rheinorte und Vorgebirgsdörfer
LSV-Geschäftsführer Klaus Benninghaus erklärte, damit sei „eine massiv vom Schwerlast- und Pkw-Verkehr belastete Abkürzungsroute zwischen den Autobahnen 555 und 61 über die Landstraßen 192 und 182 vorprogrammiert.“ Besonders Brenig mit dem Rankenberg werde darunter leiden. Der Verkehr von und zu dem neuen Autobahnanschluss werde laut Benninghaus nicht nur die drei Rheinorte, sondern auch einige Vorgebirgsdörfer stark belasten. Zudem würden die Autos in Richtung Brühl und A 553 über die Landstraße 183 fahren. Dies hätte Folgen für Dersdorf, Waldorf, Kardorf, Merten und Walberberg: „Der LSV ist daher fest entschlossen, weiterhin bei der Planung der Rheinspange auf die Null-Variante – also den Verzicht – zu pochen und drängt stattdessen auf eine glaubwürdige Verkehrswende, unter anderem durch Verlagerung des Schwerlastverkehrs auf Schiene und Rhein sowie einem besseren Bahn- und Busangebot und den Ausbau des Radwegenetzes.“
Der LSV-Vorsitzende Michael Pacyna kündigte an, dass der Verein seine Bedenken gegen das Projekt „möglichst wirkungsvoll in das anstehende Beteiligungsverfahren einbringen wird.“
Sicherheitsvorkehrungen nicht ausreichend berücksichtigt
Kritische Töne kamen auch von Rolf Schmitz. Der Widdiger Ratsherr kritisierte, dass die Gutachter lediglich eine Außenbetrachtung der Industriebetriebe hinsichtlich des Gefahrenpotenzials durch eine mögliche Rheinquerung vorgenommen hätten. Nicht berücksichtigt worden seien die Sicherheitsvorkehrungen, die die im Kölner Süden ansässigen Chemiefirmen selber getroffen haben, um bei Bränden, Explosionen oder Schadstoffaustritten zu reagieren.
Natürlich sei es laut Schmitz wichtig, die Seveso-III-Richtlinien zu beachten, dies müsse jedoch über eine „reine Außenbetrachtung“ hinausgehen. Wende er die gleichen Argumente auf die Chemieanlagen in Wesseling-Urfeld an, dürfen aufgrund der Abstände zu den Straßen im Ort und der angrenzenden Autobahn gar keine Autos mehr entlang der Betriebe fahren und die A 555 bei Wesseling müsse sofort gesperrt werden. Teilweise würden die Autofahrer jetzt sogar durch die Industriebereiche fahren. Dass durch die nun aufkeimende Diskussion eine Rheinquerung immer näher an Widdig rücken könnte, bereite ihm „große Sorge“.
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Schmitz kritisierte auch noch einen weiteren Aspekt: Immer wieder setze der Baulastträger neue Fristen, wann eine Entscheidung über eine Vorzugsvariante getroffen werden soll. Erst sei Ende 2020 angekündigt gewesen, dann Anfang 2021. Laut der offiziellen Internetseite zur Rheinspange (www.rheinspange.nrw.de) soll nun voraussichtlich im Herbst über die Variante mit Vorzug entschieden und diskutiert werden. Ein Grund für das mehrfache verschieben ist die Pandemie. So waren laut Autobahn GmbH im vergangenen Jahr keine belastbaren neuen Verkehrszählungen möglich. Sie müssen nun nachgeholt werden.