Villarreal – In diesem Jahr Trainer Jürgen Klopp mit dem FC Liverpool etwas schaffen, das von Bill Shankly bis zu Kenny Dalglish keiner der unzähligen Club-Legenden seit der Vereinsgründung am 15. März 1892 gelang: Gleich vier Titel in nur einer Saison zu gewinnen.
Sechs Champions-League-Titel. 19 englische Meisterschaften. Dazu sieben nationale FA- und drei internationale Europa-League-Pokale, die früher einmal UEFA-Cup hießen: In kaum einem anderen Vereinsmuseum dieser Welt werden schon jetzt so viele Trophäen ausgestellt wie in dem des FC Liverpool.
Eine scheinbar machbare Hürde
Das Rückspiel im Champions-League-Halbfinale beim FC Villarreal (Dienstag, 21.00 Uhr/Amazon Prime) ist die nächste Hürde auf diesem Weg. Sie scheint nach dem einseitigen 2:0-Erfolg im Hinspiel nicht mehr allzu hoch zu sein. Zumindest nicht so hoch, wie ein mögliches Finale gegen Real Madrid oder Manchester City zu gewinnen, die Cityzens noch an den letzten vier Spieltagen der Premier League zu überholen oder das englische Pokalfinale gegen den FC Chelsea für sich zu entscheiden.
Trotzdem warnte Klopp vor Villarreal („Sie werden alles geben, was sie haben”). Die große Herausforderung sei zudem, ständig von einem Wettbewerb zum nächsten zu springen. „Ich bin nicht schlau genug, um zwei Dinge gleichzeitig zu versuchen”, sagte er: Sich auf das nächste Spiel zu konzentrieren und über die Aussicht auf mehrere Titel zu freuen.
„Es ist eine gute Situation für uns. Aber die Anzahl der Spiele, die wir noch spielen müssen, ist sehr hoch. Ob mit oder ohne Champions-League-Finale: Es ist viel für uns. Also gewinnen wir besser jedes Spiel, weil es sonst schwierig werden könnte.” Das Endspiel im englischen Ligapokal gegen Chelsea gewann der LFC immerhin schon Ende Februar.
„Wir haben uns mit ihm jedes Jahr gesteigert”
Um den Wert von Klopps Arbeit einzuschätzen, lohnt noch einmal ein Blick zurück auf seinen ersten Arbeitstag in Liverpool im Oktober 2015. „Bitte geben Sie uns Zeit für die Arbeit. Aber ich denke: Wenn ich in vier Jahren hier sitze, werden wir vielleicht einen Titel haben”, sagte der Coach bei seiner ersten Pressekonferenz.
Der 54-Jährige übernahm den Club damals auf Platz zehn der Premier League. Seitdem kamen unter anderem hinzu: das Champions-League-Finale 2018, der Champions-League-Sieg 2019, die englische Meisterschaft 2020 und die Club-WM im selben Jahr. „Wir haben uns mit ihm jedes Jahr gesteigert”, sagte der englische Nationalspieler Trent Alexander-Arnold am Montag in Villarreal. „Im Februar habe ich gesagt: Wir holen dieses Jahr minimum eine Trophäe. Aber wenn wir weiter gewinnen, werden wir noch viel mehr in die Hände bekommen.”
Nicht allein in Titeln aufzuwiegen ist Klopps Verdienst, ein Team aufgebaut zu haben, das über Jahre ein Selbstverständnis und eine Stabilität auf höchstem Niveau beweist. Seit seiner ersten kompletten Saison 2016/17 holte er mit dem FC Liverpool im Schnitt mehr als 83 Punkte pro Saison in der stärksten Liga der Welt. Der FC Bayern München hat sein hohes Niveau nach dem Champions-League-Erfolg 2020 nicht halten können. Klopps aktuelles Team scheint dagegen noch stärker zu sein als beim Champions-League-Triumph 2019.
Ein Grund für den Erfolg: Thiago Alcantara
Ein Grund dafür ist auch jener Spieler, der vor zwei Jahren von den Bayern nach Liverpool wechselte: Thiago Alcantara. Der Spanier ist einer der wenigen Spielmacher dieses Planeten, der als Balljäger wie Ballverteiler gleichermaßen Weltklasse-Niveau besitzt. Den Münchnern fehlte jemand wie er, als sie sich im Viertelfinale an Villarreal die Zähne ausbissen. Bei den Reds war er im Hinspiel gegen den amtierenden Europa-League-Sieger der beste Mann.
„Thiago ist in einer Form, in der er nicht nur für jedes Nationalteam der Welt spielen würde, sondern auch für jedes Team außergewöhnliche Leistungen zeigen würde”, sagte Klopp am Montag. Thiago ist aber schon 31 Jahre alt, Kapitän Jordan Henderson genauso. Abwehrchef Virgil van Dijk ist auch schon 30, Stürmerstar Mo Salah steht kurz davor. Jürgen Klopp wird sein Erfolgsteam in den nächsten Jahren also umbauen müssen - egal wie viele Titel er in diesem Jahr gewinnt. Aber die nötige Zeit dafür hat er ja noch: Seinen Vertrag verlängerte er nach dem Hinspiel gegen Villarreal bis 2026.
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