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Serie „Babylon Köln“„Viehisch“ – Wie ein Maler in der Südstadt zum Mörder wurde

Lesezeit 6 Minuten

Bedürftige und Bedürfnisse: Arbeitslose auf der Straße, in den 20er und 30 Jahren kein ungewöhnliches Bild.

Mit einem jungen, etwa 20 Jahre alten Patienten unterhielt sich in der psychiatrischen Anstalt der Lindenburg in der Josef-Stelzmann-Straße deren Oberarzt, Professor Dr. Kurt Schneider.

Zwar war er noch nicht die Berühmtheit, die er später in Fachkreisen werden sollte. Aber als Autor der Abhandlung „Die psychopathischen Persönlichkeiten“ von 1923 galt er Kennern bereits als Koryphäe auf seinem Gebiet. Deshalb hatte ihn Gerichtsmediziner Dr. Fritz Plempel gebeten, doch einen Blick auf Peter Offergell zu werfen.

Raubüberfall in Köln: „Brutale, viehische Tat“

Dieser war angeklagt, am Freitag, 8. April 1927, einen bestialischen Raubüberfall verübt zu haben. Erst ein einziges Mal, versicherte Plempel, seien ihm in seinem Berufsleben derart übel zugerichtete Opfer untergekommen. Die Zeitungen berichteten von einer „ungemein rohen und brutalen, ja viehischen Tat“.

Wenn Peter Offergell die Tat nicht eingestanden hätte, würde auch Experte Schneider es nicht geglaubt haben, dass der junge Maler zu so etwas fähig gewesen war. Gut, mit seiner Mutter war er zerstritten, seit er ihr vor Jahren einmal 350 Mark gestohlen hatte.

Doch ansonsten lebte er unauffällig in der Merowingerstraße. Sein Einkommen war für die Zeitumstände auskömmlich. Immerhin 75 Mark die Woche verdiente er mit dem Bemalen von Holzfiguren. Zufrieden war er aber nicht. Er wollte mehr. Auswandern. Nach Amerika. Dafür aber hatte er nicht genügend Geld. Also musste er sich welches besorgen. Irgendwie.

Auftrag aus der Teutoburger Straße

Beim 73 Jahre alten Rudolf Falkenberg, der mit seiner 66-jährigen Ehefrau Maria Anna in der Teutoburger Straße 28 wohnte, hatte Offergell früher eine Lehre gemacht. Man verstand sich immer noch gut. Passend zur anstehenden Osterzeit hatte ihn das Paar mit der Bemalung einer Muttergottesstatue beauftragt.

Zusammen mit einem gleichaltrigen Freund, der mit ihm in der gleichen Werkstatt arbeitete, brachte Offergell das Ergebnis am Freitagabend, dem 8. April 1927, gegen 22 Uhr zurück. Der Freund war nicht in die Pläne eingeweiht, die in Offergell gereift waren.

Für die bemalte Muttergottes empfing Offergell in der Wohnung, die in einem prunkvollen Bau der Gründerjahre lag, nicht nur den vereinbarten Sold, sondern noch 40 Pfennig mehr, insgesamt 2,50 Mark. In gelöster Atmosphäre plauschte das Ehepaar mit Offergell, während sein Begleiter zunächst dezent, dann immer offener zum Aufbruch drängte.

Aber Offergell wollte sich irgendwie nicht trennen. Er schien unruhig, war auch nicht richtig bei der Sache. Ob er das Badezimmer benutzen dürfe? Selbstverständlich! Als Offergell zurückkehrte, meinte sein Freund, die Zeit des Aufbruchs sei gekommen und ging schon einmal voraus zur Wohnungstür.

Suche nach Bargeld verläuft wenig erfreulich

Sobald der Freund ihnen den Rücken zugekehrt hatte, zog Offergell ein mit einem Tuch umwickeltes Stück Gasrohr, das er als Schläger mitgebracht hatte. Mit einem fürchterlichen Hieb streckte er hiermit den nichtsahnenden Rudolf Falkenberg nieder. Dann stürzte er sich auf Maria Anna.

Sein Freund hörte hinter sich laute Geräusche. Als er sich umdrehte, sah zu seinem Entsetzen, wie Offergell brutal auf die alte Frau einschlug. Entsetzt rannte er aus dem Haus, zu Offergells Schwester. Vielleicht könnte die ja helfen.

Unterdessen hatte Offergell von den Falkenbergs abgelassen. Während sie in der Küche lagen, ging er in ihr Schlafzimmer. Aus seiner Lehrzeit wusste er noch, dass sein ehemaliger Meister hier in irgendwelchen Kisten und Kästen Geld aufbewahrte. Er fand sie aber alle leer.

Der Zufall hatte es gewollt, dass Falkenberg am heutigen Morgen anderweitige Ausgaben hatte tätigen müssen und sein Bargeld dabei fast aufgebraucht hatte. Aus der ersten Enttäuschung wurde Zorn. Offergell kehrte in die Küche zurück und ließ seiner Wut freien Lauf. Verzweifelt versuchte der alte Mann seinen Kopf mit seinen Händen zu schützen.

Offergell hieb sie ihm kurz und klein. Kurz hielt er inne, als er auf dem Tisch Falkenbergs Brieftasche liegen sah, die er unbesehen einsteckte. Dann aber wendete er sich wieder dem Ehepaar zu. Offenbar im Blutrausch schlug er immer wieder zu.

Schädel des Opfers ist zertrümmert

Irgendwann schaffte es der zerschundene Rudolf irgendwie, zum Fenster zu kriechen und um Hilfe zu rufen. Oben im Haus regten sich daraufhin Schritte. Offergell floh zur Wohnungstür, durch den Hausflur, aber als er gerade auf die Straße wollte, hielten ihn Hausbewohner zurück. Bald darauf traf die Polizei ein.

Maria Anna Falkenberg erlag am folgenden Morgens um zwei Uhr im Bürgerhospital, Cäcilienkloster 19, ihren Verletzungen. Als Dr. Fritz Plempel die Leiche untersuchte, stellte er 14 Platzwunden allein an ihrem Kopf fest, die von der Eisenstange herrührten. Ihr Schädel war vollkommen zertrümmert.

Auch um ihren Ehemann stand es lange kritisch. Indem Robert es aber noch geschafft hatte, die Hände schützend auf seinen Kopf zu legen, hatte er sein Leben gerettet. Die meisten seiner Wunden heilten. Einige seiner zerschlagenen Finger jedoch konnte er nie wieder gebrauchen.

Gutachter: Völlig normaler Eindruck

Offergell gab seine Tat zu und zeigte sich über das Geschehene entsetzt. Er sei nicht normal und seiner Sinne nicht mächtig gewesen, argumentierte entsprechend auch seine Verteidigung. Deshalb müsse man ihm den Paragraphen 51 zuerkennen, demzufolge von einer Strafe abzusehen sei, „wenn der Täter zur Zeit der Begehung der Handlung sich in einem Zustande von Bewusstlosigkeit oder krankhafter Störung der Geistestätigkeit befand, durch welchen seine freie Willensbestimmung ausgeschlossen war“.

Der Experte Professor Dr. Kurt Schneider musste vor Gericht einräumen, vor einem Rätsel zu stehen. Offergells Verhalten vor und nach der Tat sei durchaus nicht abartig gewesen. Er mache vielmehr einen völlig normalen Eindruck. Der Raubmord sei angesichts der Untersuchung des Angeklagten direkt unverständlich, erklärte er.

Auf Nachfragen der Verteidigung bestätigte Schneider, dass es sich angesichts der Seltsamkeit der Tat durchaus um eine Geisteskrankheit handeln könnte, die erst in Offergells Reifezeit entstehe und sich somit erst in späteren Jahren vollständig bemerkbar machen würde. In diesem Falle müsste allerdings der Paragraph 51 zur Anwendung kommen.

Experten sehen keine Anhaltspunkte für Geisteskrankheit

Das eingeholte Gutachten der Professoren Arthur Hübner und Victor Müller-Heß von der Bonner Irrenanstalt, wohin Offergell ebenfalls überwiesen worden war, urteilte allerdings übereinstimmend, dass von einer Geisteskrankheit des Angeklagten nicht gesprochen werden könne. Dem stimmte das Gericht am Samstag, 19. Mai 1928, zu.

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Der für zurechnungsfähig erklärte Offergell wurde zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Mit Rücksicht auf seine Jugend, sein bisheriges unbescholtenes Vorleben, sein rückhaltloses offenes Geständnis und seine Reue erklärte sich das Gericht jedoch aufgeschlossen, ein Gesuch auf Umwandlung der Zuchthausstrafe in eine Gefängnisstrafe sowie nach Verbüßung eines Teiles dieser Strafe ein Gnadengesuch um Strafaufschub zu unterstützen.