Serie „Babylon Köln“Als ein Brandstifter Köln-Dünnwald in Angst versetzte
- Auch Köln war in den 20er Jahren und folgenden geprägt von politischen Unruhen, Gewalt und Kriminalität.
- In unserer Serie "Babylon Köln" berichten wir heute über eine Serie von Brandstiftungen zu Beginn der 30er Jahre.
Köln – Dass Feuer ausbricht, ist in der Sommerhitze nicht ungewöhnlich. Aber so oft? Nach gerade einmal zwei Wochen Ruhe hallten am Samstag, 23. August, gegen 21 Uhr, schon zum 13. Mal im Jahr 1930 Brandsignale durch Dünnwald. In Flammen standen auf dem Portenzacker, zwischen Prämonstratenserstraße und Friedhof, sechs Schober voll mit Hafer und Roggen.
Das Feuer hatte sich an zwei Stellen gleichzeitig entzündet. Da lag der Gedanke an Brandstiftung nahe. Wer es sich leisten konnte, postierte Wachen vor seinen Scheunen. Die Dünnwalder Feuerwehr bekam eine moderne Brandspritze. Die Polizei verstärkte ihre Präsenz. Auf 3000 Mark kletterte die ausgelobte Belohnung für die Ergreifung des Täters. Es half alles nichts. Die verhafteten Verdächtigen stellten sich als unschuldig heraus, während immer neue Feuer loderten. Niemand fühlte sich mehr sicher.
„Herr So und So“ bekennt sich schuldig
Vor allem, als Bekennerbriefe auftauchten, unterzeichnet mit „Herr So und So“. Am 9. September drohte dieser den „sehr verkehrten Bürgern Dünnwalds“, am Samstag vor der Dünnwalder Kirmes gehe es erst richtig los: „Von diesem Tage an werden in Dünnwald noch viele Häuser in Asche gelegt werden. Die zahlreichen Brände der letzten Zeit, es sind 16 an der Zahl, waren nur eine Probe, um das richtige Mittel zum Anstecken auszuprobieren. Nun habe ich endlich das richtige gefunden, um auch auf die Häuser anzugehen.“
Dann höhnte er: „Ich danke Ihnen noch nachträglich für das gute Mineralwasser, wovon ich mich bei dem ersten großen Waldbrand zwischen Dellbrück und Dünnwald ordentlich sattgetrunken habe, werde aber gleichzeitig der Dünnwalder Feuerwehr empfehlen, nächstens Flaschenbier zu bestellen, da mir dies lieber ist.“
Als die Briefe publik wurden, machten gefälschte Bekennerschreiben die Fahndung nicht einfacher. Die Bevölkerung wurde langsam paranoid. Er sei vom Brandstifter angefallen und beschossen worden, behauptete ein Mann, nachdem Sonntagnacht, 28. September, das Kesselhaus der Bonbonfabrik, Odenthaler Straße 302, in Flammen gestanden hatte.
Beim Ringkampf habe ihm der Brandstifter in die Hand gestochen. An Glaubwürdigkeit verlor die Erzählung, weil der Zeuge völlig betrunken war und die Verletzungen wohl eher von der Stacheldrahtumzäunung des Grundstücks herrührten. Die Häckselschneiderei brannte am Freitag, 14. November 1930. Zwei gegen 23 Uhr herbeigeeilte Kölner Löschzüge sowie die Dünnwalder und Mülheimer Feuerwehr konnten weder die wertvollen Maschinen, noch Vorräte oder Gebäude retten. Weil wegen der polizeilichen Überwachung in Dünnwald eine „bedrückende Luft“ herrsche, sei es ihm seit einiger Zeit nicht möglich, neue Brände zu legen, bedauerte ein Schreiben, das im März 1931 in eine Brötchentüte eingenäht in einen Hausflur der Keupstraße in Mülheim geworfen worden war: „Nun seid ihr von aller Sorge befreit, von nun an bis in Ewigkeit“, schloss der Brief. Doch weit gefehlt. Eine mit 2000 Zentnern Pressstroh angefüllte große Feldscheune an der Prämonstratenserstraße, mit massivem Sockel und Holzfachwerk, brannte am Samstagabend, 9. Mai 1931, bis auf die Grundmauern nieder.
Die Verantwortung übernahm der Brandstifter im auf einer aufgeschnittenen Obsttüte aus graugrünem Papier verfassten Schreiben, aufgefunden am Dienstagnachmittag, 12. Mai, in einer öffentlichen Toilette an der Bergisch Gladbacher Straße in Mülheim. Nach einem letzten Brief am 15. Mai aber verstummte der Unbekannte. Auch neuerliche Brände waren nicht zu beklagen. Hellhörig geworden ließ Kriminalkommissar Josef Wendling alle Personen prüfen, die seitdem Dünnwald verlassen hatten.
Bei einem Einbruch erwischt
Zwei junge Männer waren am 22. Mai 1931 kurz nach 22 Uhr durch ein Fenster ins Klassenzimmer der Freien Schule Dünnwald, Prämonstratenserstraße 70, eingebrochen, das sie, als sie nichts Wertvolles fanden, verwüsteten. Vom Lärm hellhörig wurden etliche Lehrerinnen und Lehrern, die gerade im Nebenraum eine Sitzung hatten. Sie konnten einen der Einbrecher stellen. Die Schriftproben, die sich die Polizei vom inhaftierten 22 Jahre alten Robert Etienne organisierte, erregten Verdacht. Intensiviert wurde dieser, als ein Mann aus Schlebusch meldete, er habe von jemandem gehört, der den Dünnwalder Brandstifter kenne. Über eine Kette von fünf Personen geriet die Polizei an einen Freund Etiennes, der schließlich zugab, dass dieser sich ihm gegenüber offenbart habe.
Die Familie Etienne, die in einem kleinen Haus auf der Berliner Straße wohnte, genoss in Dünnwald den besten Ruf. Eltern wie Kinder galten als fleißig. Als hundertprozentiger Kriegsinvalide bezog der Vater, der lang bei Felten und Guilleaume beschäftigt gewesen war, eine kärgliche Rente. Allseits als intelligent, fleißig und ehrlich beschrieben wurde auch Robert, das jüngste der vier Geschwister, der nach seiner Anstreicherlehre in Mülheim Arbeit gefunden hatte, 1929 aber ins Heer der Erwerbslosen geraten war. Da sei der ohnehin zurückhaltende Etienne richtiggehend menschenscheu geworden.
Der Angeklagte gestand neun Brandstiftungen
Wegen des übergroßen Interesses am Prozess vor dem Erweiterten Schöffengericht am Freitag, 9. Oktober 1931, mussten Platzkarten für den Sitzungssaal ausgegeben werden. Der überführte Etienne gestand neun vollendete oder versuchte Brandstiftungen. Ohne System oder die jeweiligen Besitzer zu kennen habe er bei günstiger Gelegenheit eigens angefertigte besonders lange Zigaretten entzündet, die nach dem Wegwerfen weiterglommen und nach einiger Zeit durch einen Zündkopf im Mundstück eine Stichflamme erzeugten. Daheim im Bett habe er gewartet, bis ihn die Brandsirene als vermeintlich harmlosen Zuschauer zum Tatort rief.
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Sein Motiv? In ersten Vernehmungen hatte Etienne erzählt, er sei als Schüler wegen eines Blasenleidens gehänselt worden. Damals habe er sich geschworen habe, den Dünnwaldern irgendwann „eine Aufregung zu bescheren, aus der sie nicht mehr herauskommen sollten“. Vor Gericht sagte er aber, es seien schlicht die Lust am Feuermachen und die Freude über die Aufregung der Leute gewesen. Neu war auch, dass Etienne einen Freund belastete, den er zunächst habe schonen wollen. Mit ihm habe er den Einbruch in der Schule sowie mehrere Überfälle begangen. Ob und inwieweit er mit den Brandstiftungen in Verbindung stand, blieb offen. Mittlerweile hatte der sich aber in Untersuchungshaft erhängt. Befragt, ob er nie befürchtet habe, durch die Brände Menschenleben zu gefährden, antwortete der Angeklagte: „Soweit haben wir nicht gedacht.“
Nur kurz dauerte die Beratung des Schöffengerichts, dessen Urteil Landgerichtsdirektor Josef Horten verkündete: Fünf Jahre Zuchthaus und Ehrverlust sowie Stellung unter Polizeiaufsicht.