Köln/Berlin – Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hat den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki wegen seines Umgangs mit Missbrauchsbetroffenen kritisiert. Zwischen den Aussagen des Erzbistums und der Wahrnehmung der Betroffenen liege „offenkundig eine Kluft”, sagte Claus dem „Kölner Stadt-Anzeiger”. Die jüngste Erklärung von Woelkis Stellvertreter Guido Assmann reiche nicht aus, um die Vorwürfe auszuräumen.
Der „Kölner Stadt-Anzeiger” hatte in der vergangenen Woche offen gelegt, dass PR-Berater Woelkis Ende 2020 auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung um die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals im Erzbistum Köln Pläne für dessen „Überleben” im Amt entworfen hatten. Dem Bericht zufolge schlugen ihm die Kommunikationsexperten vor, den Beirat von Betroffenen sexuellen Missbrauchs auf seine Seite zu ziehen. Tatsächlich konnte Woelki den Beirat dann dazu bewegen, seine Linie zu unterstützen. Assmann wies den Vorwurf der Instrumentalisierung jedoch zurück.
„Für mich bleibt unklar, ob und inwieweit die Bistumsleitung den Empfehlungen der PR-Berater zum Umgang mit dem Betroffenenbeirat bewusst gefolgt ist”, sagte Claus dazu. Es sei „schon sehr auffällig, dass mit der damals kurzfristig einberufenen Sitzung des Betroffenenbeirates exakt das wohl in der PR-Strategie vorgezeichnete Ergebnis eintrat. Sollte dies so sein, verrät es eine Haltung im Umgang mit Betroffenen, die für das Jahr 2020 schon erschreckend ist.”
Der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD), Vorsitzender des Diözesanrats - der Laienvertretung - im Erzbistum Köln, sagte am Freitag im Deutschlandfunk, er habe den Eindruck, „dass das System Woelki jetzt abschließend kollabiert”. Die letzte Zeit sei „einfach nur noch furchtbar” gewesen, und die jüngsten Veröffentlichungen fügten sich als ein neues Kapitel in dieses „Desaster” ein.
„Das ist einfach wirklich nur noch schwer erträglich. Das schadet nicht nur dem Erzbistum Köln, das schadet mittlerweile der ganzen Kirche, und dramatisch schadet er dem Bischofsamt”, sagte Kurzbach. Er forderte die anderen katholischen Bischöfe auf, sich in der Sache endlich zu erklären. „Das Mindeste muss sein: eine nächste Auszeit. Und die kann dann auch gerne etwas länger dauern”, forderte Kurzbach. Woelki war bereits Ende vergangenen Jahres von Papst Franziskus in eine fünfmonatige Auszeit geschickt worden, doch Anfang März war er wieder zurückgekehrt.
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