Köln – Mit einer Boykottaktion haben führende Geistliche und Laienvertreter im Erzbistum Köln gegen Kardinal Rainer Maria Woelki protestiert. Die Delegierten sagten in so großer Zahl ihre Teilnahme am Diözesanpastoralrat ab, dass dieses wichtigste Beratungsgremium Woelkis nicht mehr beschlussfähig war. „Der Erzbischof wird vor Ort die Sitzung eröffnen und nach dieser Feststellung wieder schließen”, teilte dessen Stellvertreter, Generalvikar Guido Assmann, am Montag mit. Woelki stehe allen interessierten Mitgliedern zum Austausch zur Verfügung.
Hintergrund für den Boykott ist die krisenhafte Situation im größten katholischen Bistum in Deutschland. Woelki war zuletzt unter anderem vorgeworfen worden, den Beirat von Betroffenen sexuellen Missbrauchs mithilfe einer PR-Agentur instrumentalisiert zu haben. Er selbst bestreitet das vehement.
Der Vorsitzende der Laienvertretung, der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD), bezeichnete die derzeitige Situation als „unerträglich”. Auch Papst Franziskus stehe hier in der Verantwortung. Der Papst hatte Woelki vor Monaten aufgefordert, ein Rücktrittsgesuch an ihn zu richten, was dieser auch getan hat. Der Papst hat darüber aber bis heute nicht entschieden. „Wir befinden uns in einer Art Nervenkrieg zwischen Köln und Rom”, sagte Kurzbach der Deutschen Presse-Agentur. „Die Leidtragenden sind die Gläubigen im Erzbistum Köln.”
Ein hoher Geistlicher des Erzbistums sagte, der Boykott des Diözesanpastoralrats sei „eine neue und noch nie da gewesene Eskalation”. Die große Mehrheit wünsche ein klares Signal Woelkis, dass er seinen Rücktritt anstrebe und entsprechend auf den Papst einwirke. „Woelki ist jetzt ein Bischof ohne Volk und ohne sein wichtigstes Beratungsgremium. Der Kardinal treibt sich selbst und das Erzbistum immer weiter in den Abgrund. Man fragt sich, wann dieses unwürdige Spiel endlich ein Ende hat.”
Woelki hat dagegen mehrfach klargestellt, dass er nur dann aus dem Amt scheiden will, wenn der Papst ihn abberufen sollte. Stattdessen appellierte er an alle Gruppen im Erzbistum, aufeinander zuzugehen. Christen müssten „Fachleute in Versöhnung” sein, sagte er. Er selbst habe zum Beispiel auch mit Vertreterinnen und Vertretern von Reformbewegungen gesprochen.
Kurzbach betonte hingegen, die derzeitige Krise sei keine Strömungsfrage. „Wir kennen sogar repräsentative Umfragen. Und die zeigen: Es ist ein breit aus dem Bistum getragener Vertrauensverlust dem Bischof gegenüber.”
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