Köln – Nach heftigen Protesten gegen seine Rückkehr als Erzbischof von Köln hat Kardinal Rainer Maria Woelki dem Papst seinen Amtsverzicht angeboten. Franziskus werde „zu gegebener Zeit” darüber entscheiden, teilte das Erzbistum Köln am Mittwoch mit. Zunächst jedoch übernahm Woelki am Mittwoch nach fünfmonatiger Auszeit wieder die Leitung des größten deutschen Bistums.
In einem Brief an die Gläubigen bat der 65-Jährige um eine zweite Chance. Er wolle noch einmal einen Neuanfang wagen: „Hierzu bitte ich Sie um Ihre Offenheit, Ihre Geduld, darum, dass Sie mir, nein, uns noch eine Chance geben.” In den kommenden Wochen und Monaten wolle er die Begegnung mit möglichst vielen Menschen suchen, um zuzuhören. „Ich wünsche mir sehr und hoffe darauf, dass Sie mir auf den Wegen, die dafür notwendig sind, entgegenkommen. Dass dies offen, angstfrei und ehrlich geschehen kann, dafür möchte ich alles mir Mögliche tun.”
Als Grund für die fünfmonatige Auszeit nannte Woelki eine Art Burn-out: „Tatsächlich war für mich im Oktober letzten Jahres ein Maß an körperlicher und mentaler Erschöpfung erreicht, das eine Auszeit notwendig machte.”
Woelki hatte die Auszeit angetreten, nachdem ihm Papst Franziskus „große Fehler” vor allem in seiner Kommunikation bescheinigt hatte. Das Erzbistum Köln befindet sich in einer Krise, seit Woelki 2020 entschieden hatte, ein Gutachten über den Umgang von Bistumsverantwortlichen mit Fällen von sexuellem Kindesmissbrauch zunächst nicht zu veröffentlichen. Er führte rechtliche Gründe dafür an und gab ein neues Gutachten in Auftrag. Im Zuge dieser Entscheidung kam es zu einer immer stärkeren Entfremdung zwischen dem Kardinal und den wichtigsten Gremien des Erzbistums.
Dem ZDF sagte Woelki: „Natürlich weiß ich, dass es Menschen gibt, die sich sehr schwer mit mir tun, dass es Menschen gibt, die mich auch ablehnen, aber es gibt eben auch andere Menschen, die sehr dankbar sind, dass ich da bin.” Die Kirche sei eine große Familie - „wir müssen miteinander umzugehen versuchen”. Christen seien eigentlich Experten für Versöhnung. „Und das ist etwas, was jetzt hier ansteht. Und das geht nur von beiden Seiten aufeinander zu.”
Die ersten Reaktionen auf Woelkis Bitte um eine zweite Chance fielen überwiegend kritisch aus. So sagte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Ich sehe keine Basis für einen Neuanfang und würde mir wünschen, dass Papst Franziskus den Ernst der Lage erkennt und so schnell als möglich auf die Bereitschaft des Kardinals zum Rücktritt reagiert.”
Der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Franz-Josef Bode, sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung”, in Köln gehe es nicht mehr nur um den Umgang mit Aufarbeitung, „sondern vielmehr um den gesamten Leitungsstil. Das hat ja sogar der Papst benannt. In Köln ist Vertrauen gebrochen vom Domkapitel bis zum Kirchenvolk”, sagte der Osnabrücker Bischof.
Der Kirchenrechtler Thomas Schüller sagte der Deutschen Presse-Agentur, Woelki sei nun ein „Erzbischof auf Probe beziehungsweise auf Abruf”. Der nun entstandene Schwebezustand sei im Grunde eine „Zumutung für Woelki, denn er muss etwas liefern, was er nicht leisten kann: Dialogfähigkeit, Gabe der Versöhnung und die Bitte um Vergebung, die ihm die Gläubigen abnehmen können”. Den Gläubigen werde eine weitere Hängepartie zugemutet. Er frage sich, wie viel Zeit sich der „immer zögerliche und zaudernde Papst Franziskus” für seine Entscheidung eigentlich noch nehmen wolle, sagte Schüller.
Vor dem Kölner Dom protestierten am Mittwoch Mitglieder der Reformbewegung Maria 2.0 gegen eine Rückkehr von Woelki. Sie trugen Transparente mit Aufschriften wie „Weg mit dem Männerklüngel” und „Wir glauben euch nicht mehr!” Vor Woelkis Erzbischöflichem Haus entfalteten Mitglieder einer Kirchengemeinde aus Rommerskirchen das Plakat „Fastelovend passé - Woelki adé”.
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