LINDLAR / WUPPERTAL. Abu Dhabi, Perth, Rio, drei Tage zuhause, dann Kanada und New York. Fast neun Wochen war die Lindlarerin Jacqueline Voß unterwegs - von Rennstrecke zu Rennstrecke des Red Bull Air Race, einem Luftrennen, bei dem einmotorige Propellermaschinen mit bis zu 400 Stundenkilometern einen Parcours von Pylonen bewältigen. Dabei wirken auf den Piloten in den engen Kurven teilweise Kräfte vom 12-fachen des Körpergewichts. Voß sorgt dabei für die TV-Übertragung des Rennens. „Einfach gesagt sind an jedem der Flugzeuge zwei Kameras befestigt, die von einer Kontrollstation am Boden bedient werden können“, berichtet die 28-Jährige. Wenn es allerdings so einfach wäre, gäbe es viele, die diesen Job machen könnten. Tatsächlich ist die Wuppertaler Firma Riedel allerdings international eine der wenigen, die das leisten können. Das Unternehmen arbeitet mit HD-Technik: Hier wird für ein hochauflösendes Fernsehbild gesorgt, welches den Zuschauer sogar kleine Details wahrnehmen lässt. „Die Schwierigkeit ist, dass die Übertragung auch bei 350 Knoten, dreidimensionalen Bewegungen und 12 g-Belastung gestochen scharf sein muss“, erklärt Voß.
Über Umwege zum Traumjob
Den Winter über hat sie mit Kollegen an der Entwicklung gearbeitet. Zuguterletzt musste das System noch in eine Box verbaut werden, für die extra eine Zertifizierung her musste. „Diese Boxen werden am Flugzeug befestigt und müssen der Belastung des Fluges stand halten“, so die Lindlarerin. „Wenn einem Piloten die Box während des Fluges um die Ohren fliegt, ist das lebensgefährlich.“
Voß ist heute „Rental Engineer“ bei Riedel. Sie gehört zu einem 20-köpfigen Team und ist selbst Projektleiterin einer fünf Personen umfassenden Gruppe. „Es ist mein Traumjob“, sagt sie, die bei Riedel vor eineinhalb Jahren ursprünglich als Kommunikations-Ingenieurin begann und einen Projektleiter der Formel-1-Abteilung unterstützte. „Riedel sorgt bei vielen Großereignissen für die Übertragungstechnik“, ist sie sichtlich stolz auf das Unternehmen. Tatsächlich betreut das Wuppertaler Unternehmen weltweit alle Formel-1-Rennen und liefert spezielle Funk- und Intercom-Ausstattungen an Rennleitung wie Rennställe. Sie ermöglichen trotz des ohrenbetäubenden Lärms eine störungsfreie Kommunikation zwischen Rennleitung, Fahrern und Teams. Doch nicht nur hier ist die Firma dabei. Fußball-WM, DTM, Olympische Spiele, das CHIO Aachen, die Kölner Lichter, dazu Übertragungen von „Schlag den Raab“ oder der „Wok-WM“ - irgendwo ist immer Riedel-Technik im Einsatz.
Dabei kam Jacqueline Voß zwar zielstrebig, doch mit einem kleinen Umweg zu ihrem Job. Denn nach dem Abitur an der Gesamtschule Kürten studierte sie erst zwei Semester Politik und Geschichte, bevor sie umsattelte und sich an der FH Köln für Medientechnik einschrieb. „Ich hatte irgendwie Panik, was ich mit den beiden Fächern später anfangen sollte“, berichtet sie. Und auch ein Abteilungsleiter beim WDR, wo sie als studentische Hilfskraft arbeitete, war nicht ganz unschuldig an ihrem Wechsel. „Er hat mich schon beim WDR sehr gefördert und mir den Studiengang ans Herz gelegt“, sagt Voß - deren Affinität zur Technik immer schon stark ausgeprägt war. Spielte sie doch als Kind schon lieber mit Lego-Technik als mit Puppen. „Ich habe meine Diplomarbeit über den Bau des WDR-Lokalzeit-Studios Bonn geschrieben“, berichtet sie. „Und da kam ich in Kontakt zu Riedel, deren Intercom-Technik überall eingebaut wurde.“ Nach einem Blick auf die Internetseite des Unternehmens und einem Klick auf den Button „Jobs“ ging alles ganz schnell. Am 5. Januar 2009 begann sie in Wuppertal, mittlerweile ist sie überglücklich über die Möglichkeiten, die ihr das Unternehmen bietet.
Stress gehört einfach dazu
An Stress ist sie gewohnt. Schon während des Studiums hatte sie eine 40- bis 50-Stunden-Woche. Als Aushilfe beim WDR trugen Live-Übertragungen dazu bei, sie abzuhärten. Denn lange Arbeitstage gehören heute für sie dazu. Im Winter wird unter Hochdruck entwickelt, von März bis August läuft dann die Rennsaison, wo die 28-Jährige ununterbrochen unterwegs ist. Zudem ist jeder Einsatz von Herzklopfen begleitet. „Da unsere Systeme nicht ausfallen dürfen, ist man schon jedes Mal sehr angespannt“, so Voß.
Das nächste große Highlight, dem sie entgegenfiebert, ist ein Einsatz für Red Bull Stratos, bei dem die 28-Jährige hofft, dabei zu sein. Dabei will Extremsportler Felix Baumgartner mit einem Ballon in die Stratosphäre aufsteigen und sich dann schneller als der Schall zu Boden stürzen. „Hier sorgt Riedel für die drahtlose Videoübertragung - und ich stehe mit auf der Liste, weil die Kameras verwendet werden, die wir für das Red Bull Air Race entwickelt haben“, so Voß. Dann wird ihre Aufregung doch groß sein. Zum einen fiebert sie um den Menschen, der da so wagemutig springen will, zum anderen um die Funktion der Kameras. „Wir haben keinen Test, denn einen zweiten Versuch haben wir nicht.“