Als das Wasser wieder weg war, kam die furchtbare Erkenntnis: Der Schaden, den das Katastrophen-Hochwasser im August 2002 angerichtet hatte, war immens. Das menschliche Leid ist nicht zu messen. Aber auch der finanzielle Schaden steht jetzt, knapp ein Jahr später, noch nicht fest. Die zunächst befürchteten 15, gar 20 Milliarden Euro erwiesen sich als viel zu hoch gegriffen. Die aktuelle vorläufige Schätzung der Bundesregierung beläuft sich auf 9,1 Milliarden Euro.
Die Bildung eines Aufbauhilfe-Fonds von 7,1 Milliarden Euro hatten Bundestag und Bundesrat bereits vier Wochen nach Beginn der Katastrophe beschlossen. Das Geld stammt letztlich vom privaten Steuerzahler, weil eigens die zweite Stufe der Steuerreform auf 2004 verschoben wurde, und von der deutsche Wirtschaft, weil die Körperschaftssteuer erhöht wurde und die Mehreinnahmen in den Aufbauhilfe-Fonds fließen.
Neben diesem Fonds standen 1,2 Milliarden Euro aus dem EU-Strukturfonds zur Verfügung sowie Hunderte Millionen an privaten Spenden. Entgegen den Mutmaßungen des Hamburger Magazins „Stern“, das berichtet hatte, es gäbe Indizien dafür, dass mehr Hochwasser-Hilfsgelder vorhanden seien als benötigt, geht die Bundesregierung davon aus, dass letztlich alle vom Staat zur Verfügung gestellten Mittel benötigt werden.
Ein abschließender Kassensturz ist allerdings noch nicht möglich, denn die Auszahlung aller Gelder werden sich bis 2005 hinziehen, vermutet Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. Sie leitet den Koordinierungsstab „Hochwasser“ der Bundesregierung. „Wenn aber tatsächlich Geld übrig bleiben sollte, ist es Sache des Bundes und der Länder, zu entscheiden, was damit passiert“, sagte Ulf Gerder, Pressesprecher des Bundesjustizministeriums, gestern der Rundschau. Konkrete Pläne gebe es aber nicht, sagte Burkhard Meyer, Pressereferent der Sächsischen Staatskanzlei, der die „Leitstelle Wiederaufbau“ angegliedert ist. „Wir rechnen nicht damit, dass Geld übrig bleibt.“ Im Gegenteil sei es sogar möglich, dass man noch einen Nachschlag brauche. Und das, obwohl Sachsen als das am schlimmsten betroffene Land ohnehin schon 80 Prozent des Aufbauhilfe-Fonds zustehen. Das sei aber noch nicht spruchreif. Staatskanzlei-Chef Stanislaw Tillich will sich am Donnerstag nächster Woche dazu äußern.
Zurzeit ist der Hilfs-Fonds noch gut gefüllt. Berichte, nach denen erst ein kleiner Teil der staatlichen Hilfen tatsächlich geflossen sei, erklärt Meyer unter anderem damit, dass noch nicht alle Anträge auf Beihilfe geprüft werden konnten. Denn: Zahlreiche Anträge auf finanzielle Hilfe gingen erst „kurz vor Toresschluss“ (31. Mai dieses Jahres) bei den zuständigen Behörden ein, erklärt die Sprecherin der Sächsischen Aufbau-Bank (SAB), Beate Bartsch. Bei der SAB, die im Freistaat für die Abwicklung der Hilfe für hochwassergeschädigte Unternehmen und Wohnungen zuständig ist, gingen insgesamt über 71 000 Anträge auf Hilfe ein. 11 000 davon, so Beate Bartsch, kamen erst im April und Mai an und müssen deshalb zum Teil noch bearbeitet werden. Vor allem Eigentümer von Wohnungen hatten sich Zeit gelassen, weil sie offenbar Folgeschäden der Flut befürchteten, beispielsweise durch Frost in noch feuchtem Mauerwerk.
Ein anderer Grund sind bürokratische Hürden, die es zu überspringen gilt, bevor es Geld aus dem Hilfs-Fonds gibt. Zum Beispiel bei der Erneuerung von durch die Fluten zerstörte Straßen. „Da geht es nicht nur um Instandsetzung“, sagt Ulf Gerder, „sondern auch darum, Vorkehrungen zu treffen, damit die Straße bei der nächsten Flut nicht wieder weggeschwemmt wird.“ Das müsse geplant werden, es müsse ein Umweltverträglichkeits-Gutachten eingeholt werden, kurz: „Das dauert nun mal.“ Das erkläre auch, warum die Kommunen erst einen Bruchteil der ihnen bewilligten Gelder erhalten haben.
Im Freistaat Sachsen sind erst 47 Prozent des Geldes, das für die Schadensbewältigung von Wohnungen bereits bewilligt ist, abgerufen worden. Aber auch von dieser Zahl lässt sich nicht erschließen, dass eigentlich keine echte Not herrscht. Finanzielle Unterstützung aus dem Hilfsfonds gibt’s nämlich nur gegen die Vorlage von Rechnungen.