Historischer Bunker entdecktEin solides Refugium unter der Erde
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KERPEN-HORREM – Der Stehplatz mit der Nummer 20 war reserviert. „Hoch“ steht da handschriftlich neben der Ziffer vermerkt, wohl der Familienname dessen, der im Zweiten Weltkrieg an dieser Stelle mit knapp 100 weiteren Leidensgenossen vor den Fliegerbomben Schutz suchen konnte.
Für die Sicherheit inmitten der Bedrohung war gesorgt, wie Udo Hambach, Bauamtsleiter beim Rhein-Erft-Kreis erläutert: 36,5 Zentimeter dick sind die Zwischenmauern, mehr als 50 Zentimeter stark die mit Beton verstärkten Außenwände, und die 1,60 Meter dicke Decke besteht aus Eisenbahnschwellen und Einschubelementen, worauf eine Kiesschicht aufgebracht ist, auf der wiederum eine stark armierte Stahlbetonplatte thront.
So solide der Bau, so groß ist das Problem, das sich nun der Bauleitung für das Energiekompetenzzentrum am Adolf-Kolping-Berufskolleg stellt. Kurz vor Weihnachten waren auf der Baustelle die ersten Betonbrocken entdeckt worden - erst sei angenommen worden, es handele sich lediglich um Bauschutt, erläutert Hambach. Vor einigen Tagen jedoch wurde bei der Freilegung des Eingangs das Ausmaß des historischen Baus, über den keine Aufzeichnungen existieren, vollends sichtbar.
Rund 100 Quadratmeter umfasst das unterirdische Refugium, 80 Quadratmeter Fläche sind nutz- und immer noch begehbar, nachdem man sich durch den schmalen, von Schlamm halb versperrten Eingang hindurchgequetscht hat. In zehn Räume ist der Bunker aufgeteilt, an den Wänden von acht Kammern sind Nummern bis 94 verzeichnet.
Die gute Nachricht: Der Bau des Energiekompetenzzentrums, das wegen Mitteln aus dem Konjunkturpaket II bis Ende des Jahres vollendet sein muss, kann fortgesetzt werden. Der Zugang vom Höhenweg dorthin allerdings, der mit einer Steigung von rund sieben Grad behindertengerecht geplant ist, muss gegebenenfalls verändert werden. Es sei denn, das Rheinische Amt für Bodendenkmalpflege stimmt einem Abbruch des Schutzbauwerks zu. Dieser würde, so schätzt der neue Baudezernent des Rhein-Erft-Kreises, Michael Vogel, „einen fünf-, aber keinen sechsstelligen Betrag“ kosten, da schweres Gerät dafür notwendig sei. Teurer wird s naturgemäß, wenn noch Altlasten entdeckt werden sollten. „Deutliche Signale“ für einen Abbruch will Dezernent Vogel bereits erhalten haben.
Die Planer stellt er vor Probleme, den Historiker freut der Fund. Sehr interessant sei die Hinterlassenschaft aus den Kriegsjahren, wertet Wolfgang Wegener vom LVR-Amt für Bodendenkmalpflege und Experte für Bauten aus dem 20. Jahrhundert. In dieser Form habe er so etwas noch nicht gesehen, auch sei der Bunker nebst Überresten der Einrichtung wie Lüfterteilen und Holzelementen, auf denen Gepäck gelagert werden konnte, „wunderbar erhalten“. „Es ist wichtig, mehr zu wissen“, findet Wegener und will nun Archive bemühen. Sollte ein Abbruch genehmigt werden, müsse vorher eine exakte Dokumentation des Fundes durch ein Vermessungsbüro vorgenommen werden. Was den Fachmann wundert, ist die große Anzahl der Menschen, die dort Schutz finden konnten, schließlich seien in diesen Zeiten nur Einfamilienhäuser in der Umgebung dokumentiert.
So solide der Bau konzipiert war, ganz sicher waren die Schutzsuchenden dort nicht. Was am Standort liegt. Der Bunker ist direkt auf dem Horremer Sprung errichtet worden, und diese tektonische Störung birgt Gefahren, die eben nicht von oben drohen.