„Hart aber fair“ zu Schlachthöfen„Ich möchte nicht, dass das ein Tribunal wird“
- Bei „Hart aber fair“ diskutierte Frank Plasberg mit seinen Gästen über das Thema: „Corona im Schlachthof – sind uns Menschen und Tiere Wurst?“
Zu Gast waren:
- Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales
- Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Parteivorsitzender
- Anette Dowideit, Chefreporterin im Investigativteam der WELT und Buchautorin
- Max Straubinger (CSU), Bundestagsabgeordneter, Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft und Landwirtschaftsmeister
- Heiner Manten, Vorsitzender Verband der Fleischwirtschaft (VDF) und Geschäftsführer von Manten-Fleisch
- Manfred Götzke, Reporter im Berliner Landesstudio des Deutschlandfunk
Es war ein merkwürdiger Moment am Montagabend: Frank Plasberg lehnt sich mit seinen Ellenbogen auf den Tisch von Heiner Manten, Verbandsvorsitzender der Fleischwirtschaft und Geschäftsführer von Manten-Fleisch. Er lehnt sich weit nach vorne – zu weit für Corona-Zeiten – und bittet ihn zu vergessen, was Kollegen aus der PR-Agentur ihm geraten haben zu sagen. „Ich möchte nicht, dass es ein Tribunal wird“, sagt Plasberg. „Reden Sie für sich als einen ehrlichen, deutschen Unternehmer, dann fahren Sie gut.“
Manten hatte bereits bei Fragen zuvor gestottert und sich immer wieder sammeln müssen, um auf Plasbergs Fragen zu antworten. Nun zielte Plasberg auf die Frage, ob es einen Unterschied mache, ob 1200 Euro brutto oder netto sind – „was ist das denn für eine Frage?“ Dabei ging es um das Gehalt von rumänischen Werkvertragsarbeitern in der Fleischindustrie. Der Journalist Manfred Götzke berichtete zuvor von Gesprächen mit den Arbeitern in Coesfeld.
Ein Prozent der Beschäftigten infizierte sich
Manten machte klar, dass auch er Verstöße gegen das Mindestlohngesetz ablehne. Dass die Arbeiter in engen Unterbringungen mit zwei bis vier Menschen zusammenwohnen, könne er sich allerdings nicht vorstellen. Stattdessen betont er, dass in den Betrieben der Fleischwirtschaft andere Temperaturen herrschen und die Verbreitung des Coronavirus nicht unbedingt etwas mit dem Werkvertrag zu tun habe. Die Arbeitsbedingungen seien andere und es seien Corona-Fälle in verschiedenen Ländern in der Fleischindustrie aufgetreten, nicht nur in Deutschland.
Auch CSU-Bundestagsabgeordneter Max Straubinger glaube nicht, dass in der Fleischindustrie grundsätzlich etwas schieflaufe. Es habe sich nur ein Prozent der Beschäftigten infiziert. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Grünen-Parteivorsitzender Robert Habeck sind sich hingegen einig, dass die Corona-Pandemie die Missstände aufgedeckt habe, die sowieso da sind. Heil möchte mit „den unwürdigen Zuständen aufräumen“. Nicht nur einmal wurde die Brennglas-Metapher für das Coronavirus an diesem Abend genutzt.
Deutschland als „Dumping-Schlachtland“
Das Problem liege bei der Nutzung von Subunternehmern, die die rumänischen Arbeiter in Werkverträgen anstellen. Das wurde deutlich. Warum als Fleischbetrieb also nicht die Arbeiter direkt einstellen, fragt Plasberg Manten. Sie seien auf die Subunternehmer angewiesen, weil man die Kontakte zu den rumänischen und polnischen Arbeitern nicht habe. Journalistin Anette Dowideit hatte dazu allerdings eine andere Vermutung: Die Betriebe sparen Millionen an Gehältern.
Habeck spricht von Deutschland als „Dumping-Schlachtland“. Das Geschäftsmodell laute: Immer mehr, immer günstiger. Auch wenn der Verbraucher immer wieder zu dem billigen Fleisch greift, will Habeck keine besseren Menschen erziehen: „Sondern wir müssen bessere Regeln machen.“ Für Habeck gehört dazu ein Mindestpreis für Fleisch.
Arbeitsbedingungen, Verbraucherverhalten und Tierschutz
Ein kleiner Disput tritt zwischen Habeck und Straubinger auf, der ausgebildeter Landwirt ist, als dieser die niedrigen Fleischpreise nicht verurteilen will. Das gehöre zur freien Marktwirtschaft, so Straubinger. Habeck zeigt Unverständnis, „dass ein Landwirt für Landwirte Dumpingpreise fordert.“ „Das sind die Lock-Argumente der Lebensmittelhändler“, sagt Straubinger mit leicht zuckenden Schultern.
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Als zum Ende der Sendung auch noch der Tierschutz in der Landwirtschaft aufgegriffen wird, wehrt Straubinger sich, Habeck und Dowideit würden implizieren, dass Bauern nicht tierschutzgerecht arbeiten würden. „Die halten die Tierschutzregeln ein.“ Plasberg mischte sich ein, dass der Kastenstand bei Sauen wohl nicht viel mit Tierschutz zu tun habe. Warum der Kastenstand nach 28 Jahren immer noch nicht abgeschafft wurde? Herr Habeck habe einen Kompromiss in der letzten Woche verhindert, so Straubinger.
So wurden am Ende der Sendung mit Arbeitsbedingungen, Verbraucherverhalten und Tierschutz drei große Themen angesprochen, die wohl auch einzeln eine Sendung gefüllt hätten.
Plasberg entschuldigte sich kurz nach seinem Nähe-Fauxpas übrigens bei Manten. Der reagierte gelassen: „Kein Problem. Ich hoffe, Sie sind nicht infiziert.“ Plasberg konterte: „Sie hoffentlich auch nicht von Ihrer PR-Agentur.“