Frankfurt/Main – Hansi Flick nahm Kai Havertz herzlich in den Arm und plauschte in der Frankfurter Frühlingssonne mit seinem in England extrem gereiften Offensivtrumpf.
Der Chelsea-Profi steht zum Jahresauftakt der Fußball-Nationalmannschaft noch mal mehr im Fokus, da ihm bei seinem ersten WM-Turnier in acht Monaten in Katar ein Spezialauftrag in Deutschlands Offensivabteilung zukommen könnte.
Für den torgefährlichen Havertz deutet sich eine Schlüsselrolle an, die er längst häufiger beim Champions-League-Gewinner FC Chelsea ausübt und in der ihn auch der Bundestrainer in den Testspielen am Samstag (20.45 Uhr/ZDF) gegen Israel oder drei Tage später im Klassiker gegen die Niederlande einfach mal ausprobieren könnte. Auf jeden Fall sollen die Fans nach dem Rekordstart mit sieben Siegen und 31:2 Treffern unter Flick weiter mit Toren von Havertz und Co. verwöhnt werden. „Man bereitet sich aufs größte Turnier vor. Die Gegner werden namhafter, wir werden versuchen, weiter zu reifen”, sagte der Hoffenheimer David Raum vor seinem persönlichen Heimspiel.
Hohes Trainingsniveau
Auf dem Trainingsplatz neben dem Frankfurter Stadion wird mit viel Elan gearbeitet. Am Donnerstag geschah das nacheinander in zwei Gruppen, ehe Flick den 23 Akteuren nach dem Mittagessen frei gab. Sie durften einfach mal raus aus dem Teamhotel in Neu-Isenburg. „Das Trainingsniveau ist sehr hoch”, berichtete zuvor noch Julian Weigl, der fünf Jahre nach seinem letzten von fünf Länderspielen in dieser Woche sein DFB-Comeback erlebt. „Ich spüre, dass viel positive Energie da ist, dass jeder an das Ziel glaubt”, sagte der 26 Jahre alte Mittelfeldspieler von Benfica Lissabon. Das Ziel heißt WM-Titel.
Die Abteilung Attacke hat beim Neubeginn unter Flick hinsichtlich der Trefferzahl sehr verheißungsvoll losgelegt. „Bei unseren Offensiven hat Hansi Flick wirklich enorm viel Auswahl”, sagte Thomas Müller. Das gilt auch jetzt, obwohl in seinem Bayern-Kollegen Serge Gnabry, dem Dortmunder Marco Reus und Sturmtalent Karim Adeyemi von RB Salzburg gleich drei Angreifer ausfallen. Vorne geht es trotzdem schon im Training rund. „Jeder, der vorne ein geiler Zocker ist, der Fußball spielen will, der die Freude hat, mit dem steht man gerne auf dem Platz und kombiniert dort gerne”, schwärmte Müller. „Ein Trainingsspiel ist Prestige, das will man gewinnen”, sagte Weigl.
Freude über Havertz' Entwicklung
„Top seriös” will Flick ins Turnierjahr starten. Das hat er seinen Spielern eingeimpft: „Die Fans müssen spüren, dass wir Spaß haben am Fußball!” Da kommt schnell Havertz ins Spiel, dessen Entwicklung dem Bundestrainer extrem gefällt. Havertz ist in England zu einem Spieler gereift, der für Titel sorgt: Im Champions-League-Finale 2021 und auch im Endspiel der Club-WM erzielte der 22-Jährige jeweils den Siegtreffer für den FC Chelsea. „Kai macht Tore. Und man sieht, dass er etwas körperbetonter spielt, mehr in die Zweikämpfe geht. Das nehmen wir mit Freude wahr”, kommentierte der Bundestrainer.
Havertz könnte ein Glücksfall für Flick sein, weil Deutschland ein Mittelstürmer klassischer Prägung fehlt. Timo Werner ist das nicht. Und U21-Europameister Lukas Nmecha vom VfL Wolfsburg befindet sich noch im Rang eines Nationalelf-Azubis. „Grundsätzlich ist es schon gut, wenn man einen Mittelstürmer hat”, meinte Flick. Der 23-jährige Nmecha bringe „Zielstrebigkeit, körperliche Präsenz und eine gute Geschwindigkeit” mit, sagte Flick, „Dinge, die wichtig sind.”
Harvertz kann auch Neuner
Als Gegenwartslösung im Zentrum kommt darum Havertz ins Spiel. Flick berichtete von einem Telefonat mit Chelsea-Coach Thomas Tuchel. „Er hat schon länger gesagt, dass er Kai auf der Position zieht. Kai kann vorne viele Positionen ausfüllen. Man kann ihn durchaus als Neuner sehen, aber auch in einem flexiblen System auf den Außenpositionen und hinter der Spitze.” Auch Müller traut dem Offensiv-Kollegen die Aufgabe zu: „Kai hat jetzt bei Chelsea gerade auch in der Spitze sehr gute Spiele gemacht und sich in der körperbetonten Premier League da durchsetzen können”, sagte Müller. Er rühmt Havertz: „Ich sage mal, Kai kannst du vorne fast überall hinstellen und immer die Hoffnung haben, dass er ein super Spiel macht.”
Werner (5 Tore), Gnabry und Leroy Sané (je 4) waren die erfolgreichsten Schützen in Flicks Startphase. Müller traf dreimal, Havertz wie Reus zweimal. Für Müller liegt ein Trumpf in den verschiedenen Qualitäten der Offensivakteure: „Von den Eigenschaften, wie sie rund ums Tor und rund um den Strafraum spielen, sind sie unterschiedlich.” Havertz ist in engen Räumen versiert, Gnabry besticht mit Wucht und Schusskraft, dazu kommen begnadete Dribbler wie Sané und Jamal Musiala.
Auch Flick ist gespannt, was ihm seine Offensivkräfte gegen Israel und dann beim großen Prestigeduell in Amsterdam gegen die Niederlande anbieten werden. „Die Spiele sind ein Gradmesser, wo wir stehen. Da erfolgt die Überprüfung.” Er will weitere Siege und Tore bejubeln.
© dpa-infocom, dpa:220324-99-652809/5 (dpa)