Oberberg – . Mit sorgenvollem Blick schaut Mathias Niesar den Eichenstamm hinauf. Die Baumkrone ist kahl, noch sind keine Blätter gewachsen. Doch auch im Sommer könnten blattlose Eichenkronen das Bild der oberbergischen Wälder bestimmen. Denn die deutsche Eiche kämpft an mehreren Fronten um ihre Gesundheit.
Seit dem Jahr 1984 hält der Staat in Berichten fest, wie es um den Wald bestellt ist. "So schlimm wie momentan stand es um die Eiche seitdem noch nie", sagt Niesar. Der Trend verschärft sich: Bereits seit zwei Jahren werden die Eichenkronen immer lichter. Vom Jahr 2009 auf 2010 verzeichnete der Landesbetrieb Wald und Holz einen Sprung bei den starken Schäden um 15 Prozent. "Mehr als jede zweite Eiche weist nun deutliche Schäden auf", sagt Niesar. Ein Zustand, der den Experten besonders wachsam macht.
Mathias Niesar ist Leiter der Schwerpunktaufgabe Waldschutzmanagement. In seinem Büro im neuen Regionalforstamt Bergisches Land auf dem Steinmüllergelände sammelt der Waldschutzexperte jede Menge Daten - unter anderem über den Schädlingsbefall bei Eichen. Es sind mehrere Feinde, die der Eiche momentan zusetzen: Was hungrige Raupen vom Blattwerk übrig lassen, rafft der Mehltau dahin.
Der Frostspanner und der Eichenwickler gehören zu den Eichenfeinden Nummer 1. Vergangenen Mai machten sich die beiden Raupenarten auch in Oberberg über die frische Blattmasse des Erstaustriebes her. "Sie können das Blattwerk einer ganzen Krone komplett zerfressen", erklärt Niesar. Wird die Eiche von den Plagegeistern angegriffen, setzt sie sich zu Wehr: Der Baum bildet Gifte in den Blättern, der die Raupen vertreibt. Ist die Krone leergefressen, wächst eine so genannte Regenerationsbelaubung. "Dies geschieht aber in einer Zeit, in der der Mehltau seine Sporen gebildet hat", sagt Niesar. Das frische Blattwerk hat dem Pilz nichts entgegenzusetzen. So fielen im Juli vergangenen Jahres durch Mehltau verkrüppelte Blätter in Massen zu Boden.
Niesar ist gespannt, ob sich die Situation nun weiter zuspitzt. Er wird die Austriebe der Eichen in diesem Frühjahr ganz genau beobachten. "Eichen, die auch ohne Fraßschäden mehr als 75 Prozent ihrer Blätter verloren und zusätzlich mehr als 33 Prozent vertrocknete Äste haben, sind Absterbekandidaten."
Doch wie kann der Eiche geholfen werden? Niesar plädiert für sachte Eingriffe: "Bisher haben sich Eichenwälder immer selbst helfen können." Abgestorbene Eichen können im Wald belassen werden. "Als Totholz bietet die Eiche vielen Tieren als Lebensraum, wie dem Specht." Dann jedoch besteht die Gefahr, dass sich der Eichenprachtkäfer ausbreitet - ein weiterer Feind des Baumes. "Er nistet sich in der Rinde ein", sagt Niesar: "Damit sie sich nicht weiter entwickeln, können die Stämme ,geringelt' werden." Dabei wird die Baumrinde am unteren Stamm entfernt. Im März beginnt die Bestandsaufnahme, dann wird gehandelt.
Das letzte Mittel gegen das Eichensterben ist ein Insektizid gegen die Raupen, das mit dem Hubschrauber ausgebracht wird. Niesar hofft, darauf verzichten zu können.