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Adenauer: Ein Name als Hindernis

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„Nein, nein“, wehrt Dr. Georg „Schorsch“ Adenauer ab, „der berühmte Name und meine Herkunft haben mir nicht, wie man glauben könnte, Türen geöffnet. Im Gegenteil. Ich wurde skeptisch beäugt; man begegnete mir mit Misstrauen.“ Das ließ man den Juristen Schorsch Adenauer in Schleiden spüren, als er 1969 zum Notar bestellt wurde und die Kanzlei von Dr.Zielgers übernahm. Dieser aber stand zu ihm, nicht zuletzt, weil Zielgers die Entlassung aus russischer Kriegsgefangenschaft der Intervention des gerade gewählten Bundeskanzlers Dr. Konrad Adenauer und Vaters seines Kanzleinachfolgers zu verdanken hatte.

Ebenso wie in Köln war Schorsch Adenauer bei seinen Kollegen im Schleidener Tal wegen seiner Herkunft nicht gern gesehen. „Der berufliche Start gestaltete sich schwierig; man mied mich.“ Seine Büroleiterin empfahl, in die Öffentlichkeit zu gehen. Ihr Argument: „Die Leute glauben, Sie kämen aus einer Millionärsfamilie, verständen nicht den hiesigen Dialekt und nicht die Mentalität der Menschen.“ Den Rat befolgte der junge Notar. Mit Erfolg. „Viel zu verdanken hatte ich in dieser Zeit Hans Rumpf , Prokurist der Firma Schoeller, den ich als Mandanten gewinnen konnte. Außerdem vertrat ich die CDU über zwei Legislaturperioden im Schleidener Stadtrat.“

Der Vater, Altbundeskanzler Dr. Konrad Adenauer und selbst Jurist, empfahl dem jüngsten seiner sieben Kinder aus zwei Ehen nach der juristischen Ausbildung einen Dienst im Auswärtigen Amt. Doch davon hielt der Sohn nichts. „Beamter wollte ich nicht werden.“

Adenauer wurde 1931 in Köln geboren, lebte seit 1934 mit der Familie in Berlin, weil der Vater dort bis 1933 Präsident des Preußischen Staatsrates (vergleichbar mit dem Bundesratspräsident) war. Ein Jahr später verschlug es die Familie in das später berühmt gewordene Haus nach Rhöndorf. Dort besuchte Schorsch die Volksschule, bis Kriegsende die Städt. Oberschule für Jungen in Bad Honnef. Es folgte ein Wechsel zum Aloisius-Kolleg Bad Godesberg, ehe er nach dem Abitur das Jura-Studium an der Bonner Uni aufnahm und später promovierte.

Der Vater, ab 1949 erster Kanzler der jungen Bundesrepublik, wurde 1876 noch zur Kaiserzeit geboren. „Ihn prägte die strenge preußische Erziehung, die er auf seine eigene Familie übertrug.“ Das machte sich für den Sohn erschwerend bemerkbar, als die Mutter Gussie, zweite Ehefrau des Vaters, 1948 starb. „Sie, tief religiös, war das Gegenteil von ihm - liebenswert und lebenslustig, die den Kindern viel Liebe und Verständnis entgegenbrachte.“

Der Vater war 55 Jahre alt, als Schorsch geboren wurde. Noch heute kann Schorsch Adenauer nicht verbergen, dass sein Verhältnis zum Vater nicht das Beste war. „Für mich, der ich als Jugendlicher und unreifer junger Mann manchmal über die Strenge schlug, brachte Vater kein Verständnis auf. Auch dann nicht, wenn ich versuchte, das mich einengende politische Protokoll und die Sicherheitsmaßnahmen rund ums Haus zu umgehen.“

Absprachen

nützten nichts

Da nützten auch vertrauliche Absprachen mit den Wachposten vorm Haus nichts. „So fassten mich die Wachposten wie einen ungebetenen Gast, als ich einmal gegen Mitternacht über ein Gewächshaus unbemerkt an diesen vorbei ins Haus wollte und die grelle Sicherheitsbeleuchtung anging. Der Vorfall kam - selbstverständlich und gegen die Absprache - dem Vater zu Ohren.“ Die Folge: eine gehörige Standpauke.

Die strenge Erziehung verspürte nicht nur der jüngste Sohn, sondern alle Kinder. Doch wie in vielen Familien zeigte Vater Konrad gegenüber den Töchtern (Ria aus erster, Lotte und Libet aus zweiter Ehe) ein wenig Nachgiebigkeit. „Der Vater konnte einfach seine Gefühle uns gegenüber nicht zeigen“, erinnert sich der Sohn. Ein Umstand, der sich später und mit fortschreitendem Alter des Vaters änderte. „Da wurde aus dem stets fürsorglichen auch ein liebenswerter Vater.“

Möglicherweise, vermutet der Sohn heute, nicht ganz selbstlos. „Später und nach meiner Hochzeit 1957 nahm er mich als jüngsten Sohn und meine Frau Ulla-Britta, eine Schwedin, oft bis spät in die Nacht in Anspruch.“ Dies geschah meist, wenn er spät am Abend oder in der Nacht von seinem aufreibenden Amt als Bundeskanzler nach Rhöndorf zurückkehrte. „Dann brauchte er zur Ablenkung einen Gesprächspartner in der vertrauten Umgebung, um danach noch Musik zu hören.“

Am politischen Leben nahm die Familie kaum teil. Auch, weil Schorsch Adenauer und auch die übrigen Geschwister vom eigenen Beruf und eigenen Familien in Anspruch genommen wurden. „1953 nahm mich der Vater zu seinem ersten Besuch bei US-Präsident Eisenhower sowie nach Kanada mit.“

Ein Ereignis verfolgt Adenauer heute noch als traumatische Erinnerung: die Verhaftung des Vaters im Herbst 1944 durch die Gestapo. „Das war für mich, gerade 13 Jahre alt, eine entsetzliche Begebenheit.“ Schorsch Adenauer leugnet auch nicht, im und unter dem Krieg gelitten zu haben, wobei er sich als Kuhhirte im Westerwald verdingte.

Die Nähe zur Natur suchen der Notar, der 1994 seine Kanzlei in Schleiden aufgab, und seine Frau. Gemeinsam pflegen sie den Garten. Und wie der Vater lieben sie Rosen.