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Luftangriffe bis AttentateWelche Optionen Israel für einen Angriff auf den Iran hat

Lesezeit 4 Minuten
Für den Angriff auf Israel werde der Iran „bezahlen“, kündigte Premier Benjamin Netanjahu an.

Für den Angriff auf Israel werde der Iran „bezahlen“, kündigte Premier Benjamin Netanjahu an.

Israel plant Vergeltung für Irans Raketenangriff und erwägt mehrere Optionen, die von Luftangriffen bis Attentaten reichen könnten. Vor allem der iranische Sicherheitsapparat steht im Fokus.

Als der Iran vor gut zwei Wochen rund 180 Raketen auf Israel abschoss, warnte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Teheran werde für den Angriff „bezahlen“. Seitdem beraten israelische Militärs und Politiker über eine Reaktion. Netanjahu betrachtet den Iran als Hauptfeind und wird möglicherweise versuchen, das Regime nicht nur für den Raketenangriff zu bestrafen, sondern auf Dauer zu schwächen. Verteidigungsminister Yoav Gallant sagt, Israel werde „tödlich, präzise und vor allem überraschend“ handeln.

Westliche Iran-Gegner fordern von Israel einen möglichst harten Schlag, der die theokratische Regierung im Iran zu Fall bringen könnte. Nur nach einem Regimewechsel wäre Frieden im Nahen Osten möglich, schrieb der frühere US-Sicherheitsberater John Bolton in der britischen Zeitung „The Telegraph“. Ein Vernichtungsschlag gegen das Regime wäre jedoch riskant, weil die iranische Führung einen großen Krieg im Nahen Osten beginnen dürfte, wenn es für sie um Alles oder Nichts geht.

Vom Mossad unterwandert

Nutzen und Kosten müssen also abgewogen werden. Israel kann sich bei der Planung auf seine moderne Luftwaffe und auf Geheimdiensterkenntnisse über den Iran stützen. Agenten des Geheimdienstes Mossad konnten vor sechs Jahren in Teheran das ganze Atom-Archiv des Iran stehlen; im Juli tötete der Mossad den Hamas-Chef Ismail Hanijeh in einem staatlichen Gästehaus in der Hauptstadt. „Die höchsten Führungskader im Iran sind durch Israel, die USA und wahrscheinlich auch andere Länder unterwandert“, sagt Alex Vatanka, Iran-Experte beim Nahost-Institut in Washington. Saudi-Arabien, Russland und Großbritannien kennen nach seiner Einschätzung dank ihrer Agenten ebenfalls innere Entscheidungsmechanismen im Iran.

Wegen dieses Insider-Wissens und der Schwäche der iranischen Verteidigungssysteme hat Israel mehrere Optionen für seine angekündigte Vergeltungsaktion. Luftangriffe auf die iranische Ölindustrie zum Beispiel würden die Wirtschaft der Islamischen Republik lähmen. Gegen diese Variante sprechen Bedenken der USA, die weltwirtschaftliche Folgen befürchten, und Warnungen arabischer Staaten: Sie könnten das Ziel von Racheakten des Iran oder pro-iranischer Gruppen wie der Huthis im Jemen werden. Auch könnte der Iran in einem Gegenschlag israelische Raffinerien angreifen. Die Eskalation könnte sich zu einem Krieg in ganz Nahost ausweiten. Netanjahu hat der US-Regierung darum laut „Washington Post“ zugesagt, die iranische Ölindustrie zu verschonen.

Auf Angriffe auf iranische Atomanlagen will Netanjahu demnach ebenfalls verzichten. Auch die iranische Atombehörde erklärte, sie halte solche Angriffe für unwahrscheinlich. Nach Einschätzung von Experten verfügt Israel ohnehin nicht über die nötigen Bomben und Flugzeuge, um unterirdische Atomlabors im Iran zu zerstören. Dazu würde Israel die Hilfe der USA brauchen, doch die lehnen ab. Netanjahus Büro betonte trotzdem, die Regierung entscheide allein über das Vorgehen gegen den Iran.

Als Option rücken Angriffe auf die Infrastruktur des iranischen Sicherheitsapparates in den Vordergrund. Mögliche Ziele sind nach einer Analyse der US-Denkfabrik Washington Institute for Near East Policy die Stützpunkte der iranischen Revolutionsgarde oder das Hauptquartier der Basidsch-Miliz, die vom Regime bei der Niederschlagung von Volksaufständen eingesetzt wird. Ein Schlag gegen die Basidsch-Führung würde von vielen Iranern begrüßt und könnte den Widerstand gegen das islamistische System stärken.

Anschläge auf Führungsspitze?

Israel hat in der Vergangenheit zudem gezeigt, dass es erfolgreiche Cyberangriffe gegen den Iran führen kann. Zusammen mit den USA schleusten die Israelis 2010 den Computerwurm „Stuxnet“ in iranische Systeme ein und warfen damit die Urananreicherung um Jahre zurück. Die Unterwanderung des iranischen Sicherheitsapparates durch den Mossad könnte einen neuen Angriff dieser Art ermöglichen. Ob das Netanjahu reichen würde, ist aber fraglich.

Spätestens seit dem Anschlag auf Hanijeh in Teheran und dem gezielten Bombenangriff zur Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah in Beirut im September sind auch israelische Attentate auf die Spitzen des iranischen Regimes denkbar. Der Mossad weiß offensichtlich sogar, wo sich die streng bewachten Spitzenleute der iranischen Führung und der Partner Teherans aufhalten. Irans Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei wurde nach Nasrallahs Tod laut Medienberichten vorübergehend in ein sicheres Versteck gebracht. Inzwischen tritt der 85-jährige wieder öffentlich auf, um zu zeigen, dass er Israel nicht fürchtet.