Akku-Angst und Feuer-Furcht: Der Absatz von elektrisch angetriebenen Pkw lahmt – wohl auch, weil sich hartnäckig Behauptungen halten. Wir haben nachgefragt, was an diesen Vorbehalten dran ist.
„Rollende Brandbomben“Welche Mythen sich um E-Autos ranken – und was wirklich wahr ist
Ein Großteil der Deutschen steht der E-Mobilität skeptisch gegenüber. Laut dem aktuellen Mobilitätsmonitor der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) denkt nur jeder sechste Bundesbürger überhaupt darüber nach, sich ein E-Auto anzuschaffen. Die Skepsis basiert meist auf Hörensagen: Zwei Drittel der Befragten geben an, sich bei ihrem Urteil auf Informationen aus dem Freundes- und Kollegenkreis zu verlassen. Viel Raum für Mythen also – aber was ist dran an dem, was viele zu wissen glauben?
„E-Autos sind rollende Brandbomben“
Als im vergangenen Sommer der Autofrachter „Fremantle Highway“ auf der Nordsee in Brand geriet, war der „Schuldige“ für viele schnell ausgemacht – es muss ein E-Auto gewesen sein, schließlich weiß man ja, dass die besonders feuergefährlich sind. Ganz so einfach ist es aber nicht.
In Deutschland geraten nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) jährlich rund 15000 Autos in Brand, kleinere Schmorbrände nicht mitgezählt. „Aus unseren Statistiken gibt es keinerlei Hinweise, dass Elektrofahrzeuge häufiger brennen als Autos mit Verbrennungsmotor“, heißt es vom Verband.
Allerdings: Gerät ein E-Auto-Akku in Brand, ist er tatsächlich nur schwer zu löschen. In einer Lithium-Ionen-Batterie springt das Feuer in einer Art Kettenreaktion von Zelle zu Zelle, und sofern die Batterie äußerlich unbeschädigt ist, kann das Löschmittel das Innere kaum erreichen. Akku-Brände werden mit großen Mengen Wasser bekämpft, um die Batterie zu kühlen; mitunter ist mehr Wasser nötig, als ein normales Löschfahrzeug mit sich führt. Es gibt auch sogenannte Löschcontainer und -säcke, in denen ein in Brand geratenes E-Auto komplett in Wasser eingetaucht werden kann. Besonders praktikabel ist das nach Ansicht der Feuerwehr allerdings nicht.
Dennoch: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Akku wegen eines technischen Defekts oder bei einem Unfall in Brand gerät, ist sehr gering, zumal Bordsysteme die Batterien bei einem Crash sofort vom Stromfluss abkoppeln. Auch der ADAC kommt zu dem Schluss: „Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass Elektroautos mit oder ohne Unfalleinwirkung eher zum Brennen neigen als Autos mit Verbrennungsmotor.“
Und mittelfristig könnte das Problem von selbst verschwinden: Feststoffbatterien, wie sie auch deutsche Autobauer mit Hochdruck entwickeln, sind kaum noch brennbar – aber von der Marktreife noch ein paar Jahre entfernt.
„E-Autos legen die Stromnetze lahm“
Reicht die Strommenge in Deutschland überhaupt aus, um eine wachsende Zahl von E-Autos zu betreiben? Das Bundesumweltministerium sieht da kein Problem: Selbst wenn sofort sämtliche 45 Millionen derzeit zugelassene Autos elektrisch betrieben würden, würde der dafür nötige Strom aktuell nur ein Sechstel der Gesamtstrommenge verbrauchen.
Allerdings kann das Stromnetz örtlich durchaus in die Knie gehen, wenn etwa in einer bestimmten Wohngegend viele E-Auto-Besitzer gleichzeitig ihr Auto an die Wallbox anschließen – was, nebenbei bemerkt, auch bei Wärmepumpen der Fall sein kann. „Perspektivisch sind durchaus Anpassungen des Stromnetzes nötig, um das gleichzeitige Laden vieler Elektroautos zu ermöglichen“, räumt das Bundesumweltministerium ein.
Gemeint ist nicht nur der Netzausbau an sich, sondern vor allem das sogenannte Smart Grid, also ein intelligentes System zur effizienten Verteilung des verfügbaren Stroms. Das ist allein schon wegen der Ungleichmäßigkeiten beim Strom aus erneuerbaren Energien nötig. Der Umbau des Stromnetzes hin zu Smart Grid sei daher „ohnehin bereits in vollem Gange“, versichert das Ministerium.
Um den Stromhaushalt intelligent zu steuern, mangelt es allerdings noch an technischen Voraussetzungen, etwa digitalen Stromzählern. Das im vergangenen Jahr verabschiedete Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende soll deren flächendeckende Installation gewährleisten, Zielmarke ist das Jahr 2032. Länder wie Dänemark und Schweden haben dies bereits jetzt erreicht.
Auf dem Weg zum Smart Grid ist also noch eine Strecke zurückzulegen. Bis dahin können Netzbetreiber, um Zusammenbrüche des Stromnetzes durch Überlastungen zu vermeiden, die Stromnutzung von Verbrauchern drosseln. Heißt: Das E-Auto lädt dann langsamer.
„E-Autos sind nicht umweltfreundlich“
Weil auch bei der Herstellung und dem Betrieb eines E-Autos Emissionen anfallen – etwa durch Strom aus fossilen Quellen – werden diese erst bei sehr langer Nutzungsdauer wirklich „sauber“, heißt es oft. Grundsätzlich falsch ist das nicht, es hängt aber weniger vom E-Auto selbst ab als vielmehr von der Zusammensetzung des Strommixes im Land. Vereinfacht gesagt: Je höher der Anteil fossiler Energie, desto länger braucht es, bis ein E-Auto eine positive Ökobilanz vorweisen kann. Die entsprechenden Rechenmodelle variieren leicht, und einige sind bereits überholt – etwa weil die Lebensdauer der Batterien in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist.
Der ADAC kam im Oktober vergangenen Jahres zu dem Ergebnis, dass „der CO2-Nachteil von Batterieautos ab Fahrleistungen von 45000 bis 60000 Kilometern ausgeglichen wird“. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) beziffert die Strecke auf 52000 Kilometer – auf Grundlage des derzeitigen Strommixes in Deutschland. Mit einem steigenden Anteil erneuerbarer Energien erwartet das Institut, dass die nötige Fahrleistung 2030 nur noch rund 15000 Kilometer beträgt. Und das Umweltbundesamt legte im Frühjahr eine Studie vor, nach der der Klimavorteil von im Jahr 2020 zugelassenen E-Autos bereits um 40 Prozent höher ist als der von Verbrennern.
Was die Batterieproduktion betrifft, so ist diese tatsächlich ein in vielerlei Hinsicht schmutziges Geschäft, vor allem der Abbau von Kobalt und Lithium. Erst vor wenigen Monaten sorgte der Fall einer für BMW produzierenden Kobaltmine in Marokko für Aufsehen, weil in der Umgebung eine hohe Arsen-Belastung nachgewiesen wurde. Der Gewinn von Lithium aus Salzseen – etwa ein Drittel des weltweiten Bedarfs wird auf diese Weise in Südamerika gefördert – belastet das örtliche Grundwasser stark.
Zudem gibt es immer wieder Hinweise auf Kinderarbeit. Die gibt es in der Demokratischen Republik Kongo, aus der mehr als die Hälfte der weltweiten Fördermenge an Kobalt stammt, durchaus. Vor allem im sogenannten Kleinbergbau: Illegale Mini-Förderstätten, die von Familien oder Dorfgemeinschaften betrieben werden und die niemand kontrolliert. Das Problem, dem unter anderem auch die Lieferkettenrichtlinie entgegenwirken soll, ist durchaus ein ernstes – es hängt aber ganz generell mit Batterie-Rohstoffen zusammen, betrifft also nicht nur E-Autos. Schließlich kommt auch ein Verbrenner nicht ohne Batterie aus, ebenso wenig ein Laptop oder Smartphone.
„Öffentliches Laden ist zu umständlich“
Wollte man einen Grundsatz der E-Mobilität formulieren, würde der lauten: Wohl dem, der über eine eigene Wallbox verfügt. Zwar steigt die Zahl der öffentlichen Ladepunkte kontinuierlich an – im März waren es gut 123000, rund ein Fünftel davon Schnellladepunkte. Und das Chaos bei den Ladekabeln und Steckern war auch schon mal größer. Aber das Wirrwarr bei den Preisen und Bezahlmöglichkeiten dürfte auf viele abschreckend wirken.
Das Vergleichsportal Verivox beziffert die Preis-Spannweite mit 25 bis 40 Cent pro Kilowattstunde an normalen Ladesäulen und mit 35 bis 50 Cent an Schnellladepunkten, wenn nach kWh abgerechnet wird. An anderen Ladestellen wiederum wird die Dauer des Ladevorgangs zugrunde gelegt. Auch für den Bezahlvorgang selbst gibt es unterschiedliche Methoden, etwa per App, Ladekarte, Bankkarte, Kreditkarte oder SMS. Dazu bieten verschiedene Betreiber auch Vertragsmodelle an. Das klingt im Vergleich zur normalen Zapfsäule unnötig kompliziert und ist es auch derzeit noch oft.
Immerhin: Ein Ausweg aus diesem Dschungel zeichnet sich ab. Denn die sogenannte Ladesäulenverordnung schreibt seit einem Jahr vor, dass „der Betreiber eines öffentlich zugänglichen Ladepunkts an dem jeweiligen Ladepunkt oder in dessen unmittelbarer Nähe mindestens einen kontaktlosen Zahlungsvorgang mittels gängiger Kredit- und Debitkarte anbieten“ muss. Das betrifft alle Ladepunkte, die nach dem 1. Juli 2024 installiert werden.
Soweit die gute Nachricht. Die schlechte: Ältere Ladepunkte müssen nicht nachgerüstet werden. Nervige Momente an der Ladesäule kann man also weiterhin erleben.
„E-Autos machen bei Kälte schlapp“
Im Winter frieren, im Sommer schwitzen – oder plötzlich mit fast leerem Akku dastehen – auch das ist etwas, was viele Autofahrer an E-Autos stört. Schließlich verbrauchen Heizung und Klimaanlage ordentlich Strom. Tatsächlich bleibt das nicht ohne Auswirkung auf die Reichweite. Wie stark die Einbuße ausfällt, hängt – neben dem Verhalten des Fahrers – vom Alter des Fahrzeugs, der generellen Batterieleistung und nicht zuletzt vom Temperaturunterschied ab, der überwunden werden soll.
Der Energieversorger EnBW rechnet für heiße Tage vor: „Bei Außentemperaturen von 30°C und mehr steigt der Verbrauch der Klimaanlage um circa 1,0 bis 2,0 kWh pro 100 Kilometer.“ Am Beispiel eines Tesla Model 3 heißt es, dass sich die Reichweiteneinbuße „im ungünstigsten Fall“ auf 12,2 Kilometer auf 100 Kilometer Strecke summiere.
Bei kalten Außentemperaturen ist das Problem noch größer, da es bereits Energie kostet, den Akku auf ideale Betriebstemperatur aufzuwärmen. Der ADAC hat verschiedene Modelle getestet, bei einer Außentemperatur von -7 Grad lag der allein dadurch verursachte Mehrverbrauch zwischen 38 Prozent (BYD Atto 3) und 107 Prozent (VW ID.5). Allerdings seien diese hohen Werte auch durch die Worst-Case-Maßgaben des „Green NCAP“-Testverfahrens bedingt, so der Automobilclub weiter.
Wie stark sich die Heizung auf den Ladestand auswirkt, hängt stark vom Modell ab. Um bei den genannten Beispielen zu bleiben: Der BYD Atto 3 verliert bei Heizbetrieb „nur“ 27 Prozent der Reichweite, erreicht aber auch nur 16,6 Grad Raumtemperatur. Der ID.5 von VW bringt es auf behagliche 27,2 Grad – dafür ging im ADAC-Test dann aber gleich die Hälfte der Reichweite drauf. Der österreichische Batteriediagnostiker Aviloo zieht nach eigenen Tests das Fazit: „Insbesondere bei Fahrten in der Stadt macht die Heizenergie nach 60 Minuten im Durchschnitt 35 Prozent des Gesamtverbrauchs aus.“
Heißt: Der Mehrverbrauch ist spürbar, vor allem auf Kurzstrecken – wo er letztlich aber auch weniger Probleme bereitet, weil man zwischendurch wieder laden kann. Wer es auf Langstrecken dauerhaft gemütlich warm haben will, muss aber wohl eine Ladepause mehr einplanen.
Die Gefahr, dass man mit leerem Akku im Stau liegen bleibt, besteht laut ADAC im Übrigen nicht – so hoch ist der Verbrauch der Heizung mit zwei bis drei kWh auch wieder nicht. Der Verein fügt hinzu: „Außerdem darf man nicht vergessen, dass auch ein Diesel oder Benziner im Winter mehr Kraftstoff konsumiert. Benziner im Mittel um plus 15 Prozent, Diesel plus 24 Prozent.“