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Nicht ohne RisikoWie Verbraucher von dynamischen Strompreisen profitieren

Lesezeit 3 Minuten
ARCHIV - 18.09.2023, Nordrhein-Westfalen, Marl: Blick auf Solarpaneele auf dem Dach eines Metro-Logistikzentrums in Marl.

An sonnenreichen Tagen können Strompreise an der Börse ins Negative rutschen.

Nutzer können von Überangeboten durch erneuerbare Energien profitieren und bei negativen Strompreisen sogar Geld verdienen.

Wer in Deutschland einen regulären Stromtarif nutzt, ist mit negativen Strompreisen wahrscheinlich noch nicht in Berührung kommen. Doch es gibt bereits einige Verbraucher, die auf dynamische Stromtarife setzen.

Der Vorteil: Bei den Tarifen erfolgt die Abrechnung nicht wie sonst üblich über einen Festpreis pro Kilowattstunde, sondern der Preis ist bestimmt durch Angebot und Nachfrage an der Börse. Rutschen Strompreise ins Minus, können Verbraucher sogar Geld verdienen, wenn sie Strom beziehen. Oder zumindest weniger Geld für die verbrauchte Kilowattstunde bezahlen.

Überangebot an Strom auf dem Markt

Wie Erhebungen der Bundesnetzagentur zeigen, ist die Zahl der Stunden mit negativen Strompreisen in den vergangenen Jahren gestiegen. Eine Auswertung, die unserer Redaktion vorliegt, ergibt: Während im Januar 2020 noch drei Stunden mit negativen Strompreisen verzeichnet sind, waren es im Januar dieses Jahres bereits 16 Stunden. Während der sonnenreichen Monate legte die Häufigkeit von Stunden mit einem Überangebot an Strom und in der Folge negativen Strompreisen nochmal deutlich zu: Den Rekord stellte nach den aktuellen Zahlen der Juli 2024 mit insgesamt 81 Stunden auf, die sich auf 14 Tage verteilen.

Ähnliches Bild im Mai dieses Jahres: Ebenfalls an 14 Tagen waren negative Strompreise abgebildet, die Stundenanzahl betrug 78. Grundlage für die Preisbildung ist der Großhandel am Day-Ahead-Markt. Hier erfolgt der Stromhandel für den jeweils kommenden Tag.

Für Johan Warburg, Manager beim Stromanbieter Tibber, ist die Zunahme negativer Strompreise keine Überraschung. Der Experte erwartet künftig noch weitere Steigerungen durch den Ausbau erneuerbarer Energien wie Wind und Solar. Der Effekt könne sich erst umkehren, wenn eine höhere Speicherkapazität mit Batterien vorhanden sei und die Flexibilität beim Verbrauch zunehme.

Strompreise: Deutliche Schwankungen im Tagesverlauf

Schon jetzt zeigen sich im Tagesverlauf deutliche Schwankungen. Vor allem in den Mittagsstunden, wenn viel Strom vorhanden ist, sinken die Strompreise. In den Abendstunden, wenn besonders viel Strom nachgefragt wird, ist der Preis pro Kilowattstunde am höchsten.

Tibber-Kunden mit dynamischen Tarifen konnten in der Vergangenheit bereits von negativen Strompreisen profitieren. Um Geld zu verdienen, müsste der Preis allerdings deutlich ins Minus rutschen und laut Warburg zwischen minus 15 Cent und minus 20 Cent pro Kilowattstunde betragen. Abzüglich Abgaben wie etwa Netzentgelten könne der Preis dann noch unter 0 Euro liegen. So geschehen etwa im Juli vergangenen Jahres, als die Kilowattstunde minus 50 Cent kostete. Damals hätten Kunden sich darüber gestritten, „wer die Krone für den höchsten Stromverbrauch erhält“. Einer habe 15 Euro verdient, weil er bei sich Zuhause alle Geräte eingeschaltet habe.

Mit dynamischen Stromtarifen lässt sich unter Umständen Geld sparen. Das verdeutlicht das Beispiel eines Tibber-Nutzers. Gegenüber unserer Redaktion beschreibt er, wie er seinen Verbrauch bereits optimieren konnte. Im Vergleich zu einem vorherigen Durchschnittspreis von rund 38 Cent pro Kilowattstunde beim örtlichen Versorger, liege dieser mittlerweile bei 27 Cent, was eine kräftige Ersparnis bedeute. Dass der Preis nach Abzug „zusätzlicher Preisbestandteile“ ins Negative rutsche, so dass man als Kunde Geld verdienen könne, ist ihm zufolge aber die Ausnahme. Die besten Ergebnisse ließen sich mit einer smarten Ausgestaltung von technischen Geräten erzielen, ist der Nutzer überzeugt.

Verwerfungen an der europäischen Strombörse

Ein dynamischer Stromtarif kann jedoch auch in die entgegengesetzte Richtung laufen. Durch starke Preisverwerfungen an der europäischen Strombörse Epex Spot mussten Verbraucher im Juni plötzlich knapp drei Euro pro Kilowattstunde zahlen. Besonders Tibber-Kunden waren betroffen. Die Preisschwankungen waren auf ein technisches Problem zurückzuführen. In der Folge mussten Auktionen zwischen einzelnen Ländern wie etwa Deutschland, Österreich, Dänemark und Frankreich entkoppelt werden.

Gegenüber dem „Handelsblatt“ sagte Energieexperte Tobias Federico vom Analysehaus Energy Brainpool, die Entkopplung der Strommärkte zeige ein Szenario auf, das eintreten würde, wenn Deutschland sich komplett selbst mit Strom versorgen müsste – ohne Importe aus den Nachbarländern.