Europa ist unzureichend auf einen wieder ins Amt kommenden US-Präsidenten Trump vorbereitet und vernachlässigt seine geopolitische Rolle.
US-WahlEuropa verzwergt sich selbst
Wie diese mit ungeheurer Spannung erwartete Wahl auch immer ausgeht: Ruhiger wird es nach Auszählung der Stimmen in den USA sicher nicht werden. Ex-Präsident Donald Trump, das hat er zuletzt im Wahlkampf immer wieder unmissverständlich klargemacht, wird nur einen Sieg akzeptieren. Im Fall einer Niederlage des Republikaners dürften wohl wieder wütende Proteste gegen eine angeblich „gestohlene Wahl“ die USA für Tage und Wochen in Atem halten – und vielleicht sogar gewaltsame Unruhen. Man kennt das Szenario ja bereits.
Was den USA und der restlichen Welt im Fall eines erneuten Trump-Sieges blüht, vermag hingegen kaum jemand mit einiger Sicherheit vorauszusagen. Ob die politische Weltordnung in der jetzigen Situation tatsächlich noch einmal vier Jahre Donald Trump im Weißen Haus vertragen kann, ohne endgültig zu erodieren, ist mehr als zweifelhaft. Und daran trägt nicht nur der erratische, sprunghafte, beratungsresistente Republikaner die Schuld.
Mindestens ebenso schuldig fühlen dürfen sich seine Parteigenossen in den USA, die ihre „Grand Old Party“ erneut komplett dem politischen Hasardeur unterworfen haben. Aber ebenso die Demokraten von Präsident Joe Biden, die offensichtlich immer noch nicht ausreichend durchschaut haben, wie gefährlich die von Teilen der politischen Rechten befeuerte Elitenverachtung für die US-Gesellschaft ist.
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Allerdings hat es auch Europa – und hier vor allem Deutschland – in den Biden-Jahren sträflich versäumt, sich als wehrhaftes geopolitisches Gegengewicht zu den USA aufzustellen. Seelenruhig hat man hier der erneuten Trump-Kandidatur zugesehen und wieder gehofft, dass es noch einmal gutgeht. Aber was, wenn nicht? Diese Frage wurde zwar oft gestellt, aber niemand hat sie ernsthaft beantwortet.
Diese Verantwortungslosigkeit wird sich in den nächsten Jahren rächen – so oder so. Europa verzwergt sich selbst angesichts der multiplen Krisen in der Welt – unfähig, auch nur die Ukraine angemessen zu unterstützen, geschweige denn der zunehmend hybriden Kriegsführung autokratischer Systeme wie Russland oder China wirksam etwas entgegenzusetzen.
Fakt ist: Wir sind schutzlos ohne die USA – das gilt heute mehr als jemals zuvor. Denn selbst in den Jahren der transatlantischen Blüte hat sich Deutschland mehr auf sich selbst verlassen als jetzt. Die mit großer Hoffnung verbundene sicherheitspolitische „Zeitenwende“ des Kanzlers war gar keine, wie sich Tag für Tag deutlicher herausstellt. Mit der SPD ist die größte Regierungspartei zumindest in Teilen zurück auf dem Weg zum Hurra-Pazifismus, der Ausgaben für Verteidigung als überflüssig ansieht und realitätsfern auf Verhandlungen drängt mit jemandem, der gar nicht verhandeln, sondern nur unterwerfen will.
Biden, heißt es oft, war der letzte Transatlantiker. Auch mit einer Präsidentin Harris, so sie es denn schafft, wird sich das Verhältnis der USA zu Europa ändern. Das alles konnte man absehen, wenn man es denn gewollt hätte. Offenbar wollte man nicht.