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Interview

Elektroauto-Boom in China
Können deutsche Hersteller überhaupt noch mithalten?

Lesezeit 4 Minuten
ARCHIV - 24.04.2023, China, Shanghai: Ein SAIC Volkswagen ID.6 X wird auf der «20. Shanghai International Automobile Industry Exhibition» ausgestellt. 

Bedeutender Markt: VW ID.6 X auf der Shanghaier Automesse.

Wirtschaftsexpertin Beatrix Keim warnt: Auch wenn der chinesische Markt für deutsche Autohersteller rauer wird, bleibt er doch zentral – nicht zuletzt als Produktionsstandort.

Der Automarkt in China brummt. Elektroautos verkaufen sich dort immer besser, und Chinas Autobauer spielen technologisch in der Spitzengruppe. Maik Nolte sprach mit Auto-Expertin Beatrix Keim, Direktorin am Duisburger Car-Institut, unter anderem über die Frage, wie VW und Co. dort noch mithalten können.

Frau Keim, die deutschen Autohersteller haben über einen langen Zeitraum sehr gut in China verdient. Das scheint nun nicht mehr so gut zu funktionieren. Spielt dieser Markt in Zukunft noch eine zentrale Rolle? Oder hat sich das China-Geschäft bald erledigt?

Nein, das wohl nicht. China ist ja auch Produktionsstandort; die Modelle der Linien EQ von Mercedes, i von BMW, ID von VW oder Audis e-trons werden auch dort gebaut. Allerdings ist es durchaus auch so, dass etwa BMW seine i-Modelle teilweise eher über Rabattierung veräußern kann. Die rund 90000 Fahrzeuge, die der Konzern bislang 2024 dort verkauft hat, werden also unter großen Margeneinbußen in den Markt gedrückt. Aber: Man sieht sie dann immerhin auf der Straße, was durchaus förderlich ist für Bekanntheit und Begehrlichkeit seitens des Kunden. Es gibt in China weiterhin viele Menschen, die hochwertige Fahrzeuge kaufen möchten. Es gibt die natürlich auch von chinesischen Herstellern, NIO etwa oder Zeekr, aber sie haben einfach noch nicht so den „Luxury Fame“ wie die deutschen Fabrikate. Die Frage ist nur, ob deren E-Modelle ausreichend „sinisiert“ sind, also dem chinesischen Geschmack und Bedarf angemessen. Die deutschen Hersteller reagierten hier relativ spät.

Und außerhalb des reinen Verbrennersektors, bei den „New Energy Vehicles“? Können die deutschen Autobauer da gegen die aufstrebenden chinesischen Hersteller bestehen?

Es wird auf jeden Fall ein härterer Wettbewerb. Zwar ist Chinas NEV-Gesetzgebung sehr offen, es ist gleichgültig, wer es gebaut hat, ein 100% lokaler Hersteller, ein Joint Venture oder ob es ein Importfahrzeug ist. Man hat als Hersteller schon Möglichkeiten, muss sich beim Angebot aber auch danach ausrichten, was in China gewollt wird. Doch auch Xiaomi, Zeekr, BYD, also die chinesischen Hersteller, insbesondere die Start-ups, müssen sich auch erst noch beweisen.

Viele dieser chinesischen Marken haben immer noch mit Profitabilitätsproblemen zu kämpfen, obwohl sie durch die Mengen, die sie verkaufen, eigentlich besser dastehen müssten. Und wenn durch den Preiskampf, der schon teilweise sogar innerhalb eines Konzerns läuft, keine ausreichenden Margen erwirtschaftet werden, so ist auch die Investitionskraft für Forschung und Entwicklung, oder Marketing geringer. In diesem Wettbewerb haben die ausländischen Marken mehr Erfahrung und eine stärkere Basis. Und man darf eins nicht vergessen: Die deutschen Autobauer beschäftigen mit den Organisationen wie Joint Ventures, National Sales Companies und dem Handel rund 200.000 Menschen in China. Die Regierung wird in der aktuellen Situation nicht wollen, dass diese Arbeitskräfte auch noch freigesetzt würden.

Viel Geld wurde dort mit dem Verbrennerverkauf gemacht. Im Moment wächst aber der Absatz von E-Fahrzeugen, und das ziemlich rasant.

Es werden auch jetzt noch Verbrenner verkauft und gebraucht auf dem chinesischen Markt. So sehr der Gesamtanteil an „New Energy Vehicles“ gerade ansteigt und zurzeit rund 40 Prozent des Pkw-Marktes ausmacht – die anderen 60 Prozent sind immer noch Verbrenner. Man muss bedenken, dass nicht alle Städte in der Ladeinfrastruktur so gut ausgebaut sind wie etwa Shanghai. Und ungefähr 40 Prozent der Bevölkerung lebt nach wie vor auf dem Land. Das sind immer noch über 600 Millionen Menschen. Auch bei den Nutzfahrzeugen kann China sich noch nicht von der Verbrenner-Technologie verabschieden. Für einen gewissen Zeitraum kann man also auch noch mit Verbrennern weiter verdienen.

Sie hatten den Preiskampf auf dem chinesischen Markt erwähnt. Einige Experten erwarten den im kommenden Jahr auch in Deutschland. Sie ebenfalls?

Bis zu einem gewissen Punkt ja, was Vergünstigungen angeht. Allerdings sind in Deutschland die Markengrenzen etwas schärfer als in China. Eine Markenloyalität ist immer noch nicht sehr etabliert, zumal es auch immer wieder neue Marken gibt bzw. vom Markt verschwinden. Die erste Vorgabe orientiert sich am Budget und den Bedarfen, die das Auto erfüllen soll. Dann wird zwischen 3 Marken entschieden. Ich glaube, dass wir in Europa durch Markenaffinität etwas eingegrenzter sind, dass es eben eine Markenloyalität gibt. Einfach weil wir da eine viel längere Tradition haben – in China gibt es einen wirklichen Automarkt überhaupt erst seit Ende der 90er-Jahre. Somit wird es einen Preiskampf geben, aber in sich etwas klarer abgegrenzt und vor allem im Bereich der E-Fahrzeuge, um die Flottenziele bezüglich der CO2-Emissionen erreichen zu können. In China besteht dieser Preiskampf zwischen den Marken und Herstellern, die es dort weitaus mehr gibt, aufgrund der Forderung des chinesischen Staates Anfang der 2010er-Jahre, die alternativen Technologien voranzutreiben und in den Markt zu bringen. Viele dieser Marken existieren bei uns (noch) nicht.