Aktien können sich auch mit 70 Jahren noch lohnen. Wie man dabei am besten vorgeht, verraten wir in unserem Überblick zum Thema Sparen im Alter.
Geld-Tipps für SeniorenWarum Investieren auch im Alter noch sinnvoll sein kann

Händler im Handelssaal der Deutschen Börse.
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Mit zunehmendem Alter steigt häufig das Vermögen, und zwar deutlich. Auch wenn es mit dem Übergang in die Rentenphase wieder etwas zurückgeht, weil das weggefallene Einkommen mit dem Ersparten kompensiert wird, liegt in Deutschland das durchschnittliche Nettovermögen ab 75 Jahren bei fast 350.000 Euro. Und die liegen in dieser Altersgruppe am häufigsten auf dem Sparkonto.
Das Problem: Dort schmilzt der Betrag, denn die Guthabenzinsen sind meist niedriger als die Inflationsrate. Und so sehen die meisten Sparer im Ruhestand zu, wie ihr Geld weniger wird. Doch das muss nicht so sein. Laut Gerd Kommer, Investmentbanker und Finanzbuchautor, können selbst Haushalte von 70- oder 80-Jährigen einen Teil ihres liquiden oder gesamten Vermögens in breit gestreute, globale Aktien-ETFs investieren.
Welche Kriterien sind für Investments im Alter wichtig?
Philipp Vorndran, Kapitalmarktstratege bei Flossbach von Storch, hält die gängige Regel „100 minus Alter“, nach der sich die Aktienquote richten solle, für überholt. „Alter allein ist kein ausreichender Faktor, um eine Anlagestrategie zu ändern. Ein 70-Jähriger hat oft noch eine Lebenserwartung von 15 bis 20 Jahren. Warum sollte er nicht in Aktien investieren?“ Entscheidend seien der Anlagehorizont, also die zeitliche Planung eines Investments, und die individuellen finanziellen Ziele.
Allerdings unterschätzten die Deutschen ihre Lebenserwartung im Durchschnitt um fünf bis sieben Jahre. Eine kostspielige Fehleinschätzung, die manch einen davon abhalten mag, das Ersparte zumindest vor der Inflation zu schützen. Einen Teil des Vermögens gewinnbringend an der Börse zu investieren, wäre eine Möglichkeit.
„Wenn man zwei einfache Bedingungen beachtet, können Aktie für jeden, wirklich jeden Haushalt eine sinnvolle Anlage sein“, so Kommer. Zunächst muss der prozentuale Anteil am Gesamtvermögen angemessen festgelegt werden. Bei einem normalen Haushalt aus einem oder zwei 80-Jährigen könnten problemlos zehn bis 20 Prozent des liquiden oder des gesamten Vermögens in Aktien gehalten werden. „Sehr vermögende Haushalte in diesem Alter, die keine oder nur sehr geringe Entnahmen aus diesem Portfolio erwarten, sogar 100 Prozent.“
Zweitens müsse das Aktieninvestment global breit gestreut sein, also mindestens 1000 Einzeltitel enthalten. Mit einem globalen Aktien-ETF sei das einfach, bequem und preisgünstig umsetzbar. „Generell sind Aktien die langfristig rentabelste Anlageklasse, auch rentabler als Immobilien“, erklärt Kommer. Allerdings werde das oft ignoriert. Diversifikation, also die Streuung des investierten Geldes auf viele Unternehmen und Länder, ist das Schlüsselwort, wenn es um eine sichere Geldanlage geht.
Ältere Anleger sollten sich Kommer zufolge von der Vorstellung verabschieden, dass Immobilien die beste Altersvorsorge seien. „In Wirklichkeit wäre für mehr als die Hälfte aller Ruheständler-Haushalte mit Immobilienbesitz ein klug strukturiertes Portfolio aus liquiden Anlagen überlegen.“ Ein wesentlicher Nachteil von Immobilien sei ihre Illiquidität: „Man kann das gebundene Kapital nicht allmählich verbrauchen.“ Er rät dazu, Immobilien, die man nicht selbst bewohnt, zu verkaufen. Denn wenn die Gesundheit nachlässt, kann ein solcher Verkauf überfordernd sein.
Welche Investments bieten sich für ältere Anleger an?
Aus Sicht von Kommer kann ein einfaches Portfolio aus zwei Komponenten bestehen: einem Geldmarktfonds-ETF oder Tagesgeld, sofern es die gesetzliche Einlagensicherungsgrenze von 100.000 Euro, bis zu der das Geld bei einer Pleite der Bank geschützt ist, nicht überschreitet. Und einen global diversifizierten Aktien-ETF, der die beste einzelne Anlageform für einen normal vermögenden Haushalt im Ruhestand sei. „Für die überdurchschnittlich vermögenden Haushalte gilt das sogar noch stärker und bei diesen kann das Gewicht der Aktienkomponente im Portfolio höher sein.“
Was ist davon zu halten, wenn Finanzberater ihren Kunden komplexe Finanzprodukte anbieten, deren Namen schon irritierend klingen: Zertifikate, Tresor-Anleihen mit Cap oder Memory-Zertifikate? Die Antwort des Investmentprofis ist eindeutig: „Nichts.“ Denn diese Anlageformen bergen für Senioren erhebliche Risiken. „Vermieden werden sollten spekulative Investments wie Einzelaktien, Hochzinsanleihen, Zertifikate, geschlossene Fonds oder Private Equity“, rät Kommer. Solche Produkte seien zu risikoreich, illiquide und hätten in vielen Fällen niedrige Renditen.
Besonders kritisch sieht er, wenn Banken und Berater derlei komplexe Finanzprodukte anbieten, ganz gleich, ob Alt oder Jung: „Solche ,Berater‘ müssten sich eigentlich schämen. In Großbritannien und den USA – Länder mit besserem Anlegeschutz als in Deutschland – sind solche Zockerprodukte für den aktiven Vertrieb an normale Privatanleger durch Finanzberater oder Banken nicht zugelassen.“
Wo erhalten Senioren eine faire Finanzberatung?
Wer eine vertrauenswürdige Beratung sucht, für den empfiehlt Kommer nur bestimmte Anlaufstellen: Für normal vermögende Senioren seien am vertrauenswürdigsten und sichersten sogenannte „Honoraranlagenberater“ sowie die Büros der Verbraucherzentralen. Wichtig sei, dass ein Honoraranlagenberater nach §34h Gewerbeordnung (GewO) zugelassen ist, ausdrücklich nicht nach § 34f GewO.
Banken sieht er problematisch: „Zu glauben, dass sie gute Anlaufstellen für faire, vertrauenswürdige Anlageberatung sind, ist leider sehr naiv.“ Das gelte auch dann, wenn man glaubt, ein bestimmter persönlicher Ansprechpartner bei einer Bank sei eine Ausnahme von dieser Grundregel, weil man ihn schon lange kennt. „Jeder ,Berater‘ bei einer Bank ist in eine für Kunden ungute Vertriebsstruktur eingebunden, aus der er nicht herauskommt.“
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