Felix Banaszak will neuer Vorsitzender der Grünen werden. Warum er es jetzt für richtig hält, dass Robert Habeck als Kanzlerkandidat in die Neuwahl geht, erklärt er im Interview.
Anwärter auf Grünen-Vorsitz„Wenn es jemand schaffen kann, Brücken zu bauen, dann Robert Habeck“
Felix Banaszak ist 35 Jahre alt, sitzt für die Grünen im Bundestag, und will am nächsten Wochenende neuer Vorsitzender seiner Partei werden. Ein Gespräch mit Rena Lehmann über Kanzlerkandidat Robert Habeck und darüber, wie der Duisburger die Grünen jetzt aufstellen will. Ist die Partei gewappnet für eine Neuwahl?
Sie wollen nächste Woche beim Parteitag zusammen mit Franziska Brantner den Parteivorsitz übernehmen. Was muss sich bei den Grünen jetzt schnell ändern?
Wir stehen zur Arbeit der letzten Jahre, auch zu den Kompromissen. Aber wir geben uns nicht mit dem Erreichten zufrieden, sondern streben nach mehr. Beim Klimaschutz haben wir in der Ampel so viel erreicht, wie keine Bundesregierung zuvor. Die Klimaziele sind endlich erreichbar. Und gleichzeitig reicht es nicht aus – da haben wir noch einen Auftrag. Wir haben eine große Klarheit in unseren Zielen und Werten. Und damit geht es jetzt in den Wahlkampf.
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Angesichts von etwa zehn Prozent Zustimmung für die Grünen in Umfragen: Warum stellen Sie Robert Habeck als Kanzlerkandidaten auf?
Natürlich ist das Kanzleramt in der aktuellen Lage nicht nur einen Katzensprung entfernt. Aber wir werden uns jetzt wieder nach vorne kämpfen, Schritt für Schritt. Der Trend geht nach oben. Robert Habeck ist ein extrem starker Kandidat und wir haben ein echtes Angebot für dieses Land.
Warum ist Habeck denn der Richtige?
Wenn es jemand schaffen kann, Brücken zu bauen in einer gesellschaftlichen Lage wie dieser, dann Robert Habeck. Wir haben genug Streit und Polarisierung. Es braucht jetzt jemanden, der Interessen zusammenführen kann. Robert Habeck holt die Leute an einen Tisch und steht nicht eher auf, bis eine zufriedenstellende Lösung gefunden ist. Wenn Friedrich Merz die Probleme theatralisch beschreibt und Olaf Scholz sie in aller Ruhe bestaunt, braucht es auch jemanden, der sie löst. Und das ist Robert Habeck.
Was wollen Sie persönlich als Parteichef der Grünen anders machen?
Einige haben uns in der letzten Zeit den Rücken gekehrt. Ich will diese Verbindung wieder herstellen und mich um die bemühen, die jahrelang mit uns für Klimaschutz gekämpft haben und mit den Kompromissen in der Regierungsverantwortung hadern.
Waren die Grünen zuletzt abgehoben und weltfremd?
Der Vorwurf ist sehr pauschal und deshalb falsch. Unzählige Grüne arbeiten sehr konkret an der Lösung von Alltagsproblemen. Davon abgesehen: Uns wird ja auch häufig Moralismus vorgeworfen. Politik hat im Privatleben von Menschen wenig verloren. Und gleichzeitig ist Politik ohne Moral und Werte leer und orientierungslos. Politik, die nicht mehr zwischen Wahrheit und Unwahrheit unterscheidet und darauf ausgerichtet ist, Gegner zu verleumden, braucht niemand.
Werden die Grünen in der Migrationspolitik einen neuen Kurs einschlagen?
Eine Politik, die Migration pauschal nur als Problem oder pauschal nur als Chance begreift, wird scheitern. Wer nicht anerkennt, dass mit der Zuwanderung von Menschen auch Ressourcenkonflikte um Kita-Plätze und Wohnungen entstehen können, redet an der Realität vieler Menschen vorbei. Wer sich aber der Illusion hingibt, dass sich allein durch Härte und Ausgrenzung weniger Menschen auf den Weg nach Europa machen, liegt auch falsch. Wenn wir vermeiden wollen, dass Migration zum gesellschaftlichen Pulverfass wird, müssen wir mehr für die Integration tun. Wir brauchen Einwanderung allein aus demografischen Gründen. Wer will, dass die eigenen Eltern im Alter würdevoll gepflegt werden, muss sich dieser Realität stellen.
Das ist aber keine neue Position...
Ich bin es leid, dass immer mehr in Schwarz-Weiß-Schablonen diskutiert und gedacht wird, und das geht vielen so. Übrigens ist die aktuelle Migrationspolitik im Kern das Ergebnis von CDU/CSU-Politik, die mehr auf Symbolik als auf Vernunft setzt. Die Grünen haben bis heute keinen Innenminister im Bund oder den Ländern gestellt.
Ist Robert Habeck mit dem Anspruch gescheitert, Klima- und Wirtschaftspolitik zu versöhnen?
Ganz und gar nicht. Viele Probleme, die wir gerade haben, sind auch dadurch entstanden, dass nicht rechtzeitig umgebaut wurde. VW leidet gerade darunter, kein bezahlbares E-Auto-Modell für den großen Markt anbieten zu können. Grüne Wirtschaftspolitik denkt in die Zukunft. Viele Probleme gerade sind struktureller Natur. Deutschland hat sich massiv abhängig gemacht von russischer Energie und vom chinesischen Absatzmarkt. Für beides zahlen wir immer noch einen hohen Preis. Robert Habeck hat als Wirtschaftsminister die Weichen neu gestellt, damit unser Land resilienter wird. Das ist aber kein Spaziergang, sondern ein Marathonlauf.
Den die Grünen nach Neuwahlen möglicherweise nicht mehr mitlaufen...
Einen Zickzackkurs in der Wirtschaftspolitik, der nach jeder Wahl eine neue Richtung einschlägt, können wir nicht gebrauchen. Ein solcher deutscher Sonderweg käme uns teuer zu stehen. Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit, um den bereits eingeschlagenen Pfad hin zur klimaneutralen Produktionsweise und zum Markt für Zukunftstechnologien weiter verfolgen zu können.