BYD, der Elektroauto-Gigant aus China, dominiert seinen Heimatmarkt – kämpft aber in Deutschland mit geringen Marktanteilen und Bekanntheitsproblemen.
E-Auto-Hersteller aus ChinaWarum BYD in Deutschland ein Problem hat
Weihnachten ist schon etwas her, aber in dem Autohaus am Berliner Tiergarten steht noch ein üppig geschmückter Tannenbaum. Dahinter reihen sich sieben Fahrzeuge der Marke BYD aneinander. Vom Kleinwagen bis zum SUV. Die Modelle heißen Dolphin, Han und Seal. In dem grellen Licht glänzt der Lack besonders heftig. „Die Autos machen viel Spaß“, sagt ein Verkäufer. Kunden muss er gerade keine bedienen, der Store ist leer. Modelle anderer Hersteller werden hier nicht ausgestellt. Wie läuft denn das Geschäft mit den chinesischen Autos? Ist die Nachfrage zufriedenstellend? Dazu will sich der Verkäufer nicht äußern.
BYD, dieser Elektroauto-Gigant aus China, der gefühlt unaufhaltsam an der Konkurrenz vorbeirast. In seiner Heimat hat das Unternehmen, das 1995 gegründet wurde und erst seit 2003 Autos baut, den jahrzehntelangen Marktführer Volkswagen vom Thron gestoßen. Dank eines beispiellosen Geschäftsjahres 2024 kommt BYD auf einen Marktanteil von 36 Prozent bei Elektroautos. Alles umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass China der größte und wohl wichtigste Automarkt der Welt ist.
BYD-Boom: Bessere Zahlen als Tesla
Im globalen Geschäft hat der Konzern das Kopf-an-Kopf-Rennen mit Tesla für sich entschieden. Weltweit hat BYD vergangenes Jahr fast 4,3 Millionen rein batteriebetriebene Pkw und Plug-in-Hybride verkauft, also Autos mit Verbrennungsmotor, die kürzere Strecken elektrisch fahren können.
Läuft bei BYD! Zumindest auf dem Heimatmarkt. Dort setzt der Hersteller 90 Prozent seiner Autos ab. Anderswo muss der Autobauer gerade feststellen, dass sich der schnelle Erfolg nicht automatisch wiederholen lässt. Mit aller Macht will der E-Auto-Gigant aus Shenzhen auf den europäischen Markt drängen. Doch bislang ist die Expansion gescheitert.
Ausgerechnet in Deutschland, dem Mutterland des Automobils, schafft es BYD nicht, Fuß zu fassen. In Zahlen: Ein Marktanteil von 0,1 Prozent in 2024 und nur 2891 verkaufte Wagen. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Absatz sogar um mehr als 1000 Fabrikate gesunken. Woran liegt das?
Für Stefan Reindl, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA), haben es ausländische Hersteller grundsätzlich schwer in Deutschland. „Das Interesse der Menschen ist nach wie vor auf einheimische Marken gerichtet“, ist er überzeugt. Daneben sieht Reindl ein selbstverschuldetes Problem: „Viele Leute kennen BYD nicht oder können die Marke nicht im Angebotsspektrum einordnen.“
Dabei hatte das Unternehmen die große Chance, seine Markenbekanntheit kräftig zu steigern. Bei der Fußball-Europameisterschaft im Sommer waren die Chinesen Hauptsponsor. Zwar rückte BYD durch Bandenwerbung in den Stadien und Fernsehwerbung zur besten Sendezeit in das Blickfeld der Deutschen. Aber auf den großen Werbeanzeigen am Spielfeldrand stand: „BYD No. 1 NEV MAKER“. Was bitte soll denn das heißen?
NEV steht für New Energy Vehicle und ist in China eine gängige Bezeichnung für Autos mit alternativen Antriebsarten. Dass der Begriff den wenigsten Deutschen etwas sagt, wusste die Marketingabteilung bei BYD offenbar nicht, oder es spielte keine Rolle. Die latent verkorkste Werbekampagne passt ins Bild des Marktstarts in Europa.
Da waren auch die Bilder aus Bremerhaven. Im vergangenen Frühling stauten sich auf den Parkplätzen am Hafen BYD-Modelle, die ein konzerneigener Frachter aus China gebracht hatte. Aber weil es nicht genügend Käufer gab, standen die Autos länger herum als von anderen Herstellern. Berichte über Schimmel in den unverkauften Neuwagen machten die Runde.
Wie auch andere chinesische Autobauer habe BYD die Gepflogenheiten des europäischen Marktes unterschätzt, sagt ein Insider. Von überzogenen Erwartungen ist die Rede. In China sei gerade die jüngere Generation weniger festgelegt. Eine Marke, die als cool gelte, könne in zwei Jahren wieder out sein. In Europa sei der Markt hingegen träger, die Kunden anspruchsvoller. BYD müsse geduldiger werden.
Lange waren Politik und Industrie besorgt, BYD könnte den europäischen Markt mit Autos zu Dumpingpreisen fluten. Und wären die Modelle ähnlich günstig wie in China, unter den Verbrauchern hätte das sicher eingeschlagen. In der Heimat kann BYD seine Flotte zu 30 Prozent geringeren Kosten produzieren als vergleichbare westliche Hersteller, wie Analysten der Großbank UBS berechnet haben. Gerade bei den Batterien erzielt das Unternehmen die größten Einsparungen. Denn China kontrolliert praktisch die gesamte Lieferkette für die Produktion von Akkus für E-Autos.
BYD könnte in Deutschland bald günstiger werden
Aber Transport, Vertrieb und Marketing kosten eben auch Geld. Obendrauf kommen die Ausgleichszölle der EU. Seit November gilt für BYD ein zusätzlicher Zoll von 17 Prozent. Wie weit europäische von chinesischen Preisen entfernt sind, zeigt sich etwa beim Atto 3, dem Flaggschiff-Exportmodell von BYD.
Während der Konzern den Kompaktwagen in China für umgerechnet 25.000 Euro verkauft, muss man in Deutschland knapp 38.000 Euro zahlen. Warum soll ein deutscher Kunde so viel Geld für eine wenig bekannte Marke ausgeben, wenn das vergleichbare Modell von VW, der ID.3, aktuell für 5000 Euro weniger zu haben ist?
Immerhin, die Zölle könnte der Hersteller bald loswerden. In Ungarn baut BYD eine Fabrik, die Produktion soll zum Jahresende beginnen. Auch in der Türkei ist ein Werk geplant. Branchenkenner gehen davon aus, dass das die Fahrzeuge um bis zu 20 Prozent günstiger machen könnte. Aber ein E-Auto für 20.000 Euro, was viele Menschen in Deutschland gerne hätten, wird es wohl auch von BYD nicht geben. „Das ist unmöglich“, sagte Stella Li, Europa-Chefin von BYD, im Herbst der FAZ. „Wir haben kein Modell, das so niedrige Kosten erreicht.“
Günstige Elektroautos sind das eine. Es braucht auch Händler, die die Modelle unter die Menschen bringen. In Deutschland ist BYD mit sechs Handelspartnern an den Start gegangen, das Netz ist dementsprechend dünn. Auf der Website werden nur 29 Standorte aufgelistet, an denen man die Autos anschauen und Probe fahren kann. Zu wenig – das hat auch BYD realisiert und eine Vertriebsoffensive angekündigt. Bis Jahresende soll die Zahl auf 120 Händler wachsen.
Elektrofahrzeuge: Ehrgeizige Ziele bei BYD
An der Stelle droht neuer Ärger. Offenbar will BYD die Gewinnmargen für die Vertriebspartner erheblich drücken. Die Bestandshändler fühlten sich ob der neuen Verträge brüskiert, wie aus Branchenkreisen zu hören ist. Verbaut sich BYD gerade langfristige Beziehungen zu den Vermittlern? Das wird sich zeigen. Die Strategie wäre auf jeden Fall nicht ohne Risiko in einem Land wie Deutschland, wo die Menschen am liebsten beim Autohändler ihres Vertrauens kaufen.
Trotz aller Schwierigkeiten wird BYD nicht aufgeben. „Wir konnten unsere Organisation in Deutschland stärken und werden dies in 2025 weiter fortsetzen“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Das genaue Verkaufsziel mag BYD nicht nach außen kommunizieren. Wie aber das „Manager Magazin“ berichtete, will der Hersteller in diesem Jahr 50.000 Autos in Deutschland loswerden. IfA-Direktor Stefan Reindl hält das für unerreichbar. Für den Experten sind höchstens bis zu 30.000 Neuzulassungen drin. Dass der Konzern wieder vom Markt verschwinden könnte, ist für Reindl dagegen ausgeschlossen. „BYD wird in Deutschland bleiben“, sagt er. „Das Unternehmen wird sich aber deutlich stärker anstrengen müssen, wenn es wirklich erfolgreich sein möchte.“