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Heiße Phase im BundestagswahlkampfOlaf Scholz´  Schicksal heißt Nordrhein-Westfalen

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Die politische Zukunft von Olaf Scholz könnte sich in den kommenden Wochen in NRW entscheiden.

Die politische Zukunft von Olaf Scholz könnte sich in den kommenden Wochen in NRW entscheiden.

Der Kanzler will mit zahlreichen Auftritten in der flimmernden Herzkammer an Rhein und Ruhr zur Aufholjagd blasen.

Man kann Olaf Scholz nicht vorwerfen, dass er nachtragend wäre. Der Kanzler startet am kommenden Montag ausgerechnet im Lokschuppen Bielefeld in die heiße Phase seines Bundestagswahlkampfes. Begleitet wird Scholz bei dem Termin von Wiebke Esdar, der Co-Vorsitzenden der nordrhein-westfälischen SPD-Landesgruppe im Bundestag. Die 40-Jährige aus Ostwestfalen gehörte Ende November zu den Rädelsführerinnen eines parteiinternen Aufstandes gegen den eigenen Kanzler.

Scholz Ansehen sei stark mit der Ampel-Koalition verknüpft, ließ Esdar damals in einem öffentlich lancierten Schreiben wissen. Es gebe innerhalb und außerhalb der Partei eine Debatte, „was die beste politische Aufstellung jetzt für diese Bundestagswahl ist“. Dabei hörten sie und Co-Chef Dirk Wiese viel Zuspruch für Verteidigungsminister Boris Pistorius als alternativen SPD-Kanzlerkandidaten.

Scholz Kritiker müssen sich trollen

„Das ist vergessen und kein Thema“, sagt Sarah Philipp, Co-Vorsitzende der NRW-SPD, am Mittwochmorgen entschlossen im Johannes-Rau-Haus in Düsseldorf. Scholz hat sich bekanntlich durchgesetzt, die Kritiker aus dem einstmals mächtigsten Landesverband der Sozialdemokratie mussten sich trollen.

Ende der Debatte. „Ich nehme sie jetzt überhaupt nicht wahr und es geht jetzt voll um Wahlkampf für unseren Kanzler, für die SPD und insofern – alles gut“, findet Philipp. Tatsächlich sind der mäßig geliebte Regierungschef und die leidgeprüften nordrhein-westfälischen Genossen längst in eine Schicksalsgemeinschaft gekettet.

Gut sechs Wochen vor dem Bundestagswahltermin kann Scholz die miese Umfragelage nur zu seinen Gunsten wenden, wenn er potenzielle Wähler an Rhein und Ruhr zum Laufen bringt. Die Glanzzeiten in der ehedem roten „Herzkammer“ sind zwar längst Geschichte, aber im einwohnerstarken NRW gibt es zumindest noch Millionen Menschen, die schon einmal ihr Kreuz bei der SPD gemacht haben.

„Ich nehme wahr, dass die Bedeutung von NRW auch im Kanzleramt angekommen ist“, sagt der Generalsekretär der NRW-SPD, Frederic Cordes. Scholz reist am Montag, dem ersten Werktag nach dem anstehenden Bundesparteitag, von Bielefeld gleich weiter nach Lünen und Münster. Am 4. Februar tourt der Kanzler durchs Ruhrgebiet. Am 21. Februar ist er schon wieder da, besucht Köln und hält in Dortmund die Abschlusskundgebung der gesamten Kampagne.

Scholz ließ sich in NRW viel blicken

Auch in den vergangenen Monaten konnten sich die NRW-Genossen nicht über mangelnde Beachtung durch den Kanzler beschweren. Er kam zum Jubiläum der Emschergenossenschaft, besuchte die besorgten Ford-Mitarbeiter und war bei Thyssenkrupp. „Für ihn ist auf jeden Fall klar, ohne NRW funktioniert das nicht mit der Bundestagswahl“, versichert Cordes.

Die Schlachtordnung lässt sich immer klarer entziffern. Die SPD will mit konkreter Mindestlohn-Ansage, einem Rentenversprechen sowie der Aussicht auf niedrigere Mehrwertsteuer und Strompreise all jene aus der Mittelschicht umgarnen, für die CDU-Kanzlerkandidat und Wirtschaftsmann Friedrich Merz angeblich nichts im Angebot hat. Außerdem wird man gewiss die Regierungsunerfahrenheit des 69-jährigen Unionsbewerbers und seinen schneidigen, aber in weiten Teilen der Bevölkerung unpopulären Ukraine-Kurs ausleuchten.

Um sich als „Kümmerer-Partei“ wieder selbst zu spüren, startet die NRW-SPD eine „Mehr für Dich“-Tour. An Bahnhöfen und zum Schichtwechsel sollen Berufstätige notfalls morgens um 5 persönlich abgepasst werden, um sie auf die „Richtungsentscheidung“ am 23. Februar einzustimmen.

Achim Post, der 66-jährige Co-Landesvorsitzende, kann in seinem langen Wahlkampf-Leben tatsächlich auf einige Aufholjagd-Kompetenz zurückgreifen. Am Hotspot NRW wurde schon manches Mal eine Wahl gedreht. Diesmal deutet nichts darauf hin, die Umfragen wirken wie betoniert. Offenbar setzt man aber darauf, dass sich die Menschen erst ganz spät entscheiden und die Kanzler-Frage den Ausschlag geben wird. „Dass er am ersten Tag nach dem Parteitag komplett in Nordrhein-Westfalen ist und auch die Abschlussveranstaltung in NRW ist, ist ja mehr als ein Symbol“, lobt Post den Dauergast Scholz.

Post selbst kandidiert nicht erneut für den Bundestag. Eine Wiederwahl als Landesvorsitzender beim Landesparteitag am 10. Mai kann er sich aber offenbar vorstellen. Die Doppelspitze Post/Philipp mit Jochen Ott als Landtagsfraktionschef hat zwar die internen Streitigkeiten beigelegt, den Umfrageabsturz aber nicht aufgehalten. Im Gegenteil: So schwach wie aktuell stand man noch nie in Landeserhebungen da. Vom Bundestagswahlergebnis dürfte also auch abhängen, in welcher Formation die NRW-SPD die Kommunalwahl im September und die Landtagswahl 2027 in Angriff nimmt.