Die Stahlschale für das „Freiheits- und Einheitsdenkmal“ in Berlin liegt in einer Halle in Ostwestfalen – und es gibt Streit. Es geht um die Farbe und 150 Tonnen Stahl.
Bizarrer Streit um „Wippe“Verrostet das Einheitsdenkmal, bevor es aufgestellt wird?
Das „Freiheits- und Einheitsdenkmal“ in der Bundeshauptstadt sollte eigentlich längst fertig sein. Aber es gibt Streit um die 150 Tonnen schwere Stahlschale. Die liegt in einer ostwestfälischen Montagehalle – und vielleicht bald im Regen. Ein Besuch.
Es ist ein beeindruckend großer Zankapfel, der in den Werkhallen des ostwestfälischen Stahlbauers Rohlfing liegt, selbst im derzeitigen teilmontierten Zustand. 50 Meter lang und 150 Tonnen schwer soll sie am Ende sein, die Stahl-Schale für das Einheitsdenkmal in Berlin. Dereinst sollen Menschen diese Schale begehen und sie dadurch in Bewegung bringen können. Derzeit allerdings bewegt sie vor allem Anwälte.
Eigentlich, sagt Richard Rohlfing, Jahrgang 1964, arbeite er sehr gerne an Kunstobjekten, er hat auch schon an einigen mitgewirkt – etwa an der voluminösen Stahlskulptur im Eingangsbereich des BND-Neubaus in Berlin. Seine Expertise prädestinierte ihn daher für den staatstragenden Großauftrag, und solche Projekte machen ihm auch Spaß, sagt der Ingenieur, es sei mal was anderes als das Alltagsgeschäft. Im Falle der Denkmal-Schale, die längst den Spitznamen „Einheits-Wippe“ weg hat, ist der Spaß aber wohl auf allen Seiten vorbei.
Rohlfing geht in den hinteren Teil seiner Halle auf dem Betriebsgelände in der Gemeinde Stemwede, unter der mächtigen Konstruktion hindurch, die wie ein Schiffsrumpf alles andere überragt, und zeigt auf das Endstück, an dessen Unterseite ein Teil weiß, ein anderer gelb gestrichen ist. „Vor fast eineinhalb Jahren waren die hier, um sich das anzugucken“, sagt Rohlfing, „mit zehn Leuten sind die angerückt“ – aber welche der beiden Farben es denn nun sein soll, das wisse er bis heute nicht.
Mit „die“ ist die „Arbeitsgemeinschaft Sasha Waltz/Milla und Partner“ gemeint, die von der Bundesregierung mit der Realisierung des Denkmals beauftragt worden ist. Die Künstlerin Waltz und das Architekturbüro Milla & Partner haben das Konzept entwickelt, die Architekten sollen es umsetzen, Rohlfing bekam den Auftrag zum Bau der Schale. Das ging lange Zeit gut. Dann begann der Streit. Nicht nur ums Gelb, sondern vor allem ums Geld.
Vorläufiger Höhepunkt: Die Architekten wollten den Stahlbauer per Gerichtsentscheid zur Herausgabe der Schale zwingen, um sie von einem anderen Unternehmen fertigstellen zu lassen. Erfolglos: Die Firma Rohlfing hatte mittlerweile einen Insolvenzantrag gestellt, und das damit einhergehende Vollstreckungsverbot schließt eine Herausgabe aus, so das Landgericht Bielefeld.
Insolvenzantrag und unklare Zukunft des Einheitsdenkmals
Das war im Februar. Den Vertrag mit Rohlfing über den Bau der Schale hatte Milla & Partner bereits im Dezember 2023 gekündigt. Begründung: Die vereinbarten Leistungen der Heinrich Rohlfing GmbH seien „weder vertrags- noch termingerecht erbracht“ worden, sagt Sebastian Letz, Partner im Architekturbüro und Kreativdirektor des Freiheits- und Einheitsdenkmals.
Heißt: Rohlfing habe den Zeitplan gerissen, nicht Milla & Partner. „Bis März 2023 hätte die gesamte Vorproduktion der Schale fix und fertig sein sollen, inklusive Tests“, sagt Letz. War sie aber nicht. Im Übrigen gehe es bei dem von Rohlfing behaupteten Streitpunkt mit der Farbgebung lediglich um eine Schutzgrundierung, die bei der Endmontage wiederholt aufgetragen werden müsse, fügt Letz hinzu. Und ohnehin sei eine Verkleidung der Schale mit Metallpaneelen geplant. Sprich: Auf die Farbe kommt es nicht an.
Ein Großauftrag, der vor dem Platzen steht; ein Stahl-Trumm, das seit Monaten herumliegt: Spielte die „Einheits-Wippe“ womöglich eine Rolle beim Insolvenzantrag? Rohlfing sagt, dem Unternehmen gehe es gar nicht so schlecht. Den Antrag habe sein Bruder gestellt, ohne sein Wissen und vor allem gegen seinen Willen. Beide, Richard und Gerd Heinrich, sind vertretungsberechtigte Geschäftsführer des Unternehmens Heinrich Rohlfing GmbH, und das Verhältnis zwischen ihnen darf man wohl als reichlich zerrüttet bezeichnen.
Was die Angelegenheit verkompliziert. Den Insolvenzantrag habe er sogleich wieder zurückziehen wollen, sagt Richard Rohlfing, aber das sei eben nicht so einfach – das könne, so sei ihm mitgeteilt worden, nur der Antragsteller selbst tun. Laut Auskunft des zuständigen Amtsgerichts Bielefeld läuft das Insolvenzverfahren weiter, eine Beendigung liege dort nicht vor.
Die Firma stünde jedenfalls auf soliden Füßen, sagt Rohlfing: „Der Insolvenzverwalter sucht gerade nach Schulden, findet aber keine.“ Allerdings, räumt er ein, habe für die rund 40 Mitarbeiter Kurzarbeit eingeführt werden müssen, da er sich bei der Annahme von neuen Aufträgen, die in dieser Branche üblicherweise monatelangen Vorlauf hätten, zurückgehalten habe. Eben auch wegen der Wippe, die einen nicht unerheblichen Teil seiner Montagehallen belegt. Und wohl auch noch eine Zeit lang belegen wird.
1,3 Millionen Euro hat Rohlfing vertragsgemäß bislang bekommen. Im September 2023 stellte er Milla & Partner nochmal rund 300000 Euro in Rechnung, für, wie er sagt, geleistete Vorfinanzierungen notwendiger Arbeiten. Das Architekturbüro lehnte ab, alle vertraglich vereinbarten Zahlungen seien geleistet worden, sagt Letz.
Das Büro antwortete seinerseits mit einer Forderung von rund 3,4 Millionen Euro Vertragsstrafe, weil Rohlfing sich nicht an die festgelegte Verschwiegenheitspflicht gehalten habe. Der Stahlbauer wiederum wollte auf dem Rechtsweg eine Bürgschaft für den von ihm noch geforderten Betrag erstreiten.
Dann kam der – von allen Seiten unerwartete – Insolvenzantrag und sorgte für erneuten Stillstand bei den „Bürgern in Bewegung“, wie das Denkmal-Konzept offiziell heißt. Zuvor hatten schon politische Streitigkeiten sowie eine Kolonie geschützter Fledermäuse, die an der Baustelle nisteten, das Projekt zeitweise ausgebremst. Mittlerweile ist immerhin der Sockel des Denkmals vor dem Berliner Schloss, dort, wo einst das wuchtige wilhelminische Nationaldenkmal stand, so gut wie fertig. Nur die Schale fehlt noch.
Rohlfing sagt, er könne, sobald die Geldfragen geklärt seien, in sechs bis acht Wochen auf der Baustelle in Berlin sein und die Schale montieren. Die Kurzarbeit wäre sofort beendet, die Genehmigung für den Transport der 32 Einzelsegmente habe er seit Monaten, eine Fertigstellung noch in diesem Jahr sei zumindest nicht ausgeschlossen. Auch Milla & Partner möchte das Denkmal so bald wie möglich fertigstellen, auch dort hält man einen Zeitrahmen bis Jahresende noch für möglich – nur eben mit einem anderen Stahlbauunternehmen, das man auch schon gefunden habe.
Im Moment allerdings geht es nicht vor und nicht zurück. Außer für einen Teil der Schale. Denn Rohlfing kündigte vor wenigen Tagen an, eines der Segmente, aus denen der Stahlkoloss besteht, schon mal aus der Halle nach draußen zu verfrachten, auf den Hof, in den Regen. Auf seinem Werksgelände liegen bereits ausrangierte Brücken- und andere Stahlteile, an denen kräftig der Rost nagt.
Er wolle mit diesem Schritt den Druck erhöhen, schrieb er an Claudia Roth, die für das Denkmal zuständige Bundesbeauftragte für Kultur und Medien (BKM). Die geforderte Summe könne der Staat ja auch an ihn direkt zahlen, ohne Umweg über das Architektenbüro, so Rohlfings Vorschlag.
Einweihung des Einheitsdenkmals verzögert sich
Und was sagt der Bauherr, also die Bundesrepublik, zu all dem Hickhack? Eine Sprecherin Roths verweist darauf, dass Planung und Ausführung des Denkmals „vollständig in der Hand des Generalübernehmers, der durch die Milla & Partner GmbH vertretenen Arbeitsgemeinschaft“, liege. Dies betreffe auch etwaige juristische Auseinandersetzungen. Es ist mithin also erstmal das Problem von Milla & Partner.
Die Auswirkungen des Insolvenzverfahrens würden „derzeit geprüft“, sagte die Sprecherin weiter. Was Rohlfings Rost-Drohung angeht, wird sie allerdings deutlicher: „Der Stahlbauer als Nachunternehmer ist indes verpflichtet, die Stahlbausegmente vor Schaden oder Zerstörung zu schützen.“
Es sieht also danach aus, dass es auch zum 34. Jahrestag der Vereinigung am kommenden 3. Oktober noch kein Einheitsdenkmal vor dem Berliner Schloss geben wird. Immerhin: Sollte eine Einweihung des Monuments im Rahmen der jährlichen zentralen Einheitsfeierlichkeiten geplant sein, bliebe noch genügend Zeit. Denn die offizielle Feier richtet stets das Land aus, das im betreffenden Jahr die Bundesratspräsidentschaft innehat. Und Berlin ist erst wieder 2034 an der Reihe.