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WDR-Serie „Aufgedeckt“Hinter den Kulissen – so dreist tricksen die Autowerkstätten

Lesezeit 6 Minuten
Autoreparatur

Wer nicht selbst schrauben kann, ist den Autowerkstätten ausgeliefert. Oft stellt man sich hinterher die Frage: Ist die Rechnung korrekt? 

„Ihre Bremse ist an der Verschleißgrenze“, sagt der Mechaniker. „Lange können Sie damit nicht mehr fahren“. Autowerkstätten können einem viel erzählen, und für Reparaturen eine Menge Geld verlangen. Aber sind diese auch immer notwendig? Der WDR hat in seiner Serie „Aufgedeckt“ mit versteckter Kamera in unterschiedlichen Werkstätten hinter die Kulissen geschaut.

Fest steht: Über Werkstätten, die abkassieren, gibt es zahlreiche Beschwerden, nicht nur im Internet. Auch Bärbel Schlömer aus Köln ist betroffen. Eigentlich wollte sie nur das „Rappeln“ in der Lenkung ihres Autos beheben lassen, das immer beim Fahren über unebenen Boden auftrat. 160 Euro kostete die erste Reparatur bei einer Werkstatt-Kette, aber das Problem war danach nicht weg. 400 Euro verlangte dieselbe Kette für eine zweite Reparatur – doch es rappelte weiter.

Weitere 200 Euro zahlte Bärbel Schlömer bei einer anderen Werkstatt, immer noch das Rappeln. Insgesamt wurden am Ende Bremse, Stoßdämpfer und Lenkung repariert bzw. ausgetauscht. Alles neu, und trotzdem vibrierte das Lenkrad noch. Wurde also nur dreist abkassiert von den Kfz-Werkstätten?

Wie ehrlich die Werkstätten wirklich arbeiten, sollte nun ein „Lockvogel“-VW-Golf zeigen, der vorher im Auftrag des WDR vom Tüv durchgetestet wurde. Einzige Mini-Mängel: Die Steuerkette machte Geräusche, und die Beleuchtung stand etwas zu tief. Ansonsten war der Golf einwandfrei und bestens geeignet, um damit in Urlaub zu fahren.

Test mit Golf in acht verschiedenen Werkstätten

Reparatur im Motorraum

Sind große Werkstätten wie ATU nur in der Werbung stark oder auch in Wirklichkeit gut und günstig? Das wollten die WDR-Reporter herausfinden. (Symbolfoto)

Die Reporter testeten acht Werkstätten, darunter kleine freie und große Ketten, und machten dort mit dem Golf den angebotenen „Sommer- oder Urlaubscheck“. Das zeigten die Aufnahmen mit versteckter Kamera:

ATU

Laut Mechaniker in der ersten ATU-Werkstatt musste die Klimaanlage gewartet werden – für 65 Euro. Auch gab es angeblich einen zu hohen Wasseranteil in der Bremsflüssigkeit – diese sollte gewechselt werden. Kosten hier: 39 Euro. Auch das Öl müsse bald gewechselt werden, hieß es, und der Keilriemen sollte spätestens in einem halben Jahr ersetzt werden. 300 Euro sollten die Reparaturen im Gesamtpaket kosten.

Dazu sagte ein ADAC-Experte vom Prüfzentrum, der den Golf zuvor durchgecheckt hatte: „Ein Wechsel der Bremsflüssigkeit ist nicht notwendig, und auch ein Ölwechsel ist noch nicht dran. Der Keilrippenriemen ist vollkommen in Ordnung.“

Zweite Filiale

Hier machten die Reporter keinen Urlaubscheck, sondern klagten über ein „komisches Gefühl beim Bremsen.“ Der Mitarbeiter rät von einer Urlaubsfahrt mit dem Wagen ab und macht schließlich ein Angebot für neue Bremsen: Nur 400 Euro statt 680 Euro, das Angebot sei nur noch wenige Tage gültig.

Laut ADAC waren aber die Bremsen vorne und hinten vollkommen in Ordnung.

Euromaster

In der ersten getesteten Werkstatt war alles okay, in der zweiten hieß es, der Zahnriemen könnte reißen. Doch tatsächlich hat der Golf gar keinen Zahnriemen, sondern eine Steuerkette.

Freie Kfz-Werkstatt

Hier gab es nur einen schnellen Sicherheitscheck. Es hieß, das Auto sei sehr laut – und angeblich das Radlager kaputt.

First Stop

Auch hier wurde das Radlager hinten rechts als Übeltäter erkannt – es sollte sofort repariert werden, so der Mechaniker. Das Rad könne nämlich blockieren oder sich sogar lösen.

Vertragswerkstatt

Hier hatte man wenig Zeit, aber eine Testfahrt wurde gemacht. Auch in dieser Werkstatt stand das Radlager unter Verdacht, aber diesmal das vorne links. „Ich kann nicht sagen, wie lange es hält“, so der Mitarbeiter. Ein Austausch sollte 500 Euro kosten.

Die Gegenkontrolle des ADAC-Fachmannes zeigte: Jedes Radlager war vollkommen in Ordnung, es musste nicht erneuert werden.

Zusammengefasst zeigt der Test: Es gab viele Mängeldiagnosen, obwohl das Auto laut einem unabhängigen Experten völlig in Ordnung war. In acht Werkstätten war nur zweimal alles intakt, sechs versuchten offenbar für unnötige Reparaturen abzukassieren.

Woran es liegt, das Mechaniker absichtlich Mängel erfinden, versucht Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen zu erklären: „Die Werkstätten kalkulieren anders als früher, der nette Automechaniker von damals ist heute ein Verkäufer. Es müssen bestimmte Umsätze gemacht werden. Zu strenge Vorgaben führen dazu, dass über die Stränge geschlagen wird.“

Häufige Beschwerden über ATU – was steckt dahinter?

ATU soll eigentlich eine günstige Alternative sein, so lautet zumindest das Werbeversprechen von Deutschlands größter unabhängiger Werkstatt-Kette. Laut WDR kämpft das Unternehmen aber bereits gegen eine drohende Pleite wegen des Umsatzrückgangs und wegen der hohen Mietkosten für die Filialen. Geht das ATU-Konzept nicht auf?

Jedenfalls ergaben WDR-Recherchen häufige Beschwerden über ATU in diversen Internetforen. Treffen mit ehemaligen ATU-Mitarbeitern, die anonym bleiben wollen, zeigen: Die Werkstätten sind angehalten, möglichst viel Umsatz zu machen. „Ein vernünftiger Meister der ehrlich ist, hat dort keine Chance“, sagt einer der Ex-Angestellten, der mittlerweile gekündigt hat.

So ist die Rede von harten Wochenzielen, die erreicht werden müssen – es herrscht offenbar ein hoher Druck, aber bei hohem Umsatz gibt es auch Prämien, die für alle sichtbar auf Tafeln festgehalten werden. Manchmal sei man „gezwungen, nachzuhelfen“, so ein anderer ehemaliger ATU-Mechaniker. Um die Zielvorgaben zu erreichen, werden ihm zufolge durchaus auch intakte Stoßdämpfer mit Öl beschmiert, damit diese in den Augen des Kunden beschädigt aussehen und ausgetauscht werden können. ATU streitet solche Methoden vehement ab, das passe „nicht zur Firmenphilosophie“, heißt es in einer Stellungnahme.

Bei einem weiteren Test mit einem Passat bei ATU behob der Meister zwar einen kleinen Fehler, der zuvor von den Testern konstruiert wurde. Weniger ehrlich verhielt er sich bei den Bremsen: Diese seien angeblich verschlissen („Sieht nicht so gut aus!“). Ein solches Verhalten könnte absichtlich Unsicherheit beim Kunden erzeugen: Muss er die Bremsen jetzt schon austauschen?

Der ADAC kritisierte das Vorgehen: Schließlich wurde nicht gefragt, wie viel der Kunde im Jahr fährt, was eine wichtige Frage wäre, denn es entscheide darüber, wie lange die Bremsen noch halten (müssen). Ein unabhängiger Gutachter nahm die ausgebauten Teile unter die Lupe und stellte fest: „Die Bremsscheiben mussten nicht erneuert werden.“

Was Kunden über „Erstausrüsterqualität“ und den Ölwechsel wissen sollten

Ersatzteile in „Erstausrüsterqualität“ – damit wirbt unter anderem ATU. Das heißt laut WDR aber nicht, dass Ersatzteile automatisch auch Originalteile sind. Bei Bremsbelägen kann das zum Beispiel einen großen Unterschied machen. Manche Teile reichen zwar nahe an die ursprüngliche Herstellerqualität heran, aber es gibt auch low-cost-Varianten, darunter von der Marke TRW, die weniger gut abschneiden. Tests der TH Köln zeigen, dass bei Billig-Bremsbelägen das Unfallrisiko höher ist, weil die Bremsbeläge schneller heißlaufen können.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für den Ölwechsel, und wo ist es günstig? Nur wenige Autofahrer haben richtig viel Ahnung davon. Der WDR holte Angebote ein: Bei einer Opel-Werkstatt kostete es rund 110 Euro, eine weitere verlangte rund 151 Euro, weitere Werkstätten wollen deutlich weniger, Pitstop verlangte sogar nur rund 39 Euro. ATU wirbt mit 29,99 Euro, bei konkreter Nachfrage braucht man aber plötzlich ein „besonderes Öl“: Angeblich sei das vom letzten Jahr nicht mehr zulässig. Am Ende sollte der Ölwechsel bei ATU rund 50 Euro kosten.

Verschiedene Öle unterschiedlicher Qualität wurden im Test für den Opel angeboten und empfohlen. Das Test-Fazit: Über die Ölauswahl kann die Werkstatt ihren Ertrag steuern. Der ADAC empfiehlt, dass Autofahrer beim Hersteller nachfragen sollten, welche (günstigen) Öle zugelassen sind für den Wagen. Eine Alternative: Selbst das Öl besorgen und zum Ölwechsel mit in die Werkstatt bringen.

Für Bärbel Schlömer aus Köln gab es schließlich ein Happy End: Das unabhängige Prüfzentrum checkte ihren Wagen auf Bitte des WDR durch. Es musste nur eine Schraube am Lenkrad nachgezogen werden – das Rappeln verschwand. (gs)