Der Arbeitgeber ist verpflichtet, bei Krankheit das Gehalt für sechs Wochen weiter zu zahlen. Doch was ist, wenn der Chef sich weigert?
Frage an den AnwaltMein Arbeitgeber zweifelt meine Krankschreibung an – was tun?
In der vergangenen Woche war ich erkrankt und habe ein Attest meines Hausarztes vorgelegt. Mein Arbeitgeber will dies nicht akzeptieren und mir kein Gehalt zahlen. Was kann ich tun?
Wenn Sie als Arbeitnehmer erkrankt sind und dies dem Arbeitgeber gegenüber nachweisen, dann ist der Arbeitgeber nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) verpflichtet, für die Zeit der Krankheit das Gehalt weiter zu bezahlen. Meist ist dies auf sechs Wochen begrenzt, aber in Tarifverträgen und in manchen Arbeitsverträgen gibt es auch Vereinbarungen über eine längere Lohnfortzahlung.
Das Attest, oder richtigerweise die „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ (AU), eines Arztes ist ein sehr starkes Beweismittel, dass Sie tatsächlich erkrankt waren. Der Arbeitgeber muss eine solche AU gemäß dem Entgeltfortzahlungsgesetz in der Regel anerkennen. Sie hat auch vor Gericht einen hohen Beweiswert. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 28.6.2023 – 5 AZR 335/22) vor Kurzem noch einmal klargestellt.
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Die Richter schreiben: „Der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit wird in der Regel durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung … geführt. Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit.“ Nach Paragraf 7 des EZFG reiche die Vorlage eines Attests aus, um dem Arbeitgeber „das Recht zur Leistungsverweigerung zu entziehen“, so die Richter weiter. „Diese gesetzgeberische Wertentscheidung strahlt auch auf die beweisrechtliche Würdigung aus. Der ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt daher aufgrund der normativen Vorgaben im Entgeltfortzahlungsgesetz ein hoher Beweiswert zu.“
Diese in juristischer Sprache formulierten Aussagen sind im Grunde sehr deutlich. Wenn der Arbeitgeber ein falsches Attest vermutet und die Lohnfortzahlung verweigert, dann muss er hohe Hürden nehmen. So muss er sehr gewichtige Anhaltspunkte für ein falsches Attest haben. Etwa wenn es von einem Arzt kommt, bei dem der Arbeitnehmer schlechterdings nicht gewesen sein kann; wenn der Arzt im Internet nicht auffindbar ist oder ähnliches. Oder wenn falsche Aussagen zur Krankheit gemacht werden.
Unter bestimmten Umständen kann der Arbeitgeber auch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen um Überprüfung des Attests bitten. Aber auch dafür muss es Anhaltspunkte geben, dass die Bescheinigung unzutreffend ist.
Es kann freilich auch Umstände geben, die den Beweiswert eines Attests schmälern, etwa wenn der Arbeitnehmer (nachweisbar) eine Krankheit angekündigt hat: „Wenn ich den Urlaubstag nicht bekomme, dann werde ich halt krank“. Oder wenn eine Krankheit erstaunlicherweise just mit einer Kündigung zusammenfällt. Aber dies sind die absoluten Ausnahmen. Bei einem in sich widerspruchsfreien Attest hat der Arbeitgeber kaum die Chance, die Entgeltfortzahlung zu verweigern.
Tut er dies in Ihrem Fall trotzdem, dann bleibt Ihnen leider nur der Weg zum Arbeitsgericht, um dort das fehlende Gehalt einzuklagen. Diese Klage können Sie selbst erheben oder sich durch einen Rechtsanwalt oder auch durch eine Gewerkschaft vertreten lassen, was meistens sinnvoll ist, damit man keine Fehler macht. Oftmals hilft vor einer Klage auch schon ein deutliches Schreiben.
Die Arbeitsgerichte sind überwiegend zügig bei einem Termin zur sogenannten Güteverhandlung, die in solchen Fällen vorgeschrieben ist. Die Arbeitsrichter geben hier meistens schon Hinweise, wie sie die Rechtslage sehen, und oftmals kommt es dann auch schon zu einer außergerichtlichen Einigung, sei es zu einem Vergleich oder zu einer Anerkenntnis, etwa der nachträglichen Gehaltszahlung. Beim Arbeitsgericht zahlt allerdings in der ersten Instanz jede Partei ihre Kosten selbst. Verfügen Sie über eine Rechtsschutzversicherung, übernimmt diese in die Regel Ihren Kostenanteil. Sie sollten also auf keinen Fall klein beigeben.
Dieser Text ist eine Folge unserer Rechtskolumne „Recht & Ordnung“. In dieser Serie schreiben Staatsanwältin Laura Neumann (Düsseldorf) sowie die Rechtsanwälte Pia Lorenz („Beck aktuell“), Martin W. Huff (ehem. Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln), Christian Solmecke (Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WBS.Legal) und Thomas Bradler (Verbraucherzentrale NRW, Leiter Markt und Recht). In ihren Kolumnen geben sie Auskunft zu oft kniffligen Fragen des Rechts, können aber keine Rechtsberatung bieten oder in konkreten Fällen den Gang zu einem Anwalt ersetzen. Haben Sie eine Frage an unsere Experten? Dann schreiben Sie uns eine Mail an: recht-und-ordnung@kstamedien.de