Die Auswirkungen der Klimakrise sind mittlerweile auch in Deutschland deutlich spürbar. Zwei Frauen erzählen, warum sie aus Angst vor den Folgen der Erderhitzung keine Kinder bekommen wollen.
Gewollt kinderlos „Kann nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, Kinder in die Welt zu setzen“
Janine Schulz (31 Jahre alt, aus Köln):
„Als 31-jährige Frau mit Kinderwunsch bleiben mir nur noch wenige Jahre, um mich für oder gegen Kinder zu entscheiden. Für mich ist es allerdings aus moralischer Sicht gerade schwer vertretbar, Kinder zu bekommen. Durch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Datenlage zum Klimawandel kenne ich die wahrscheinlichen Zukunftsszenarien und möchte meinen potenziellen Kindern diese Gefahren und unnötiges Leid lieber ersparen.
Es ist doch der größte Wunsch von Eltern, dass ihre Kinder ein gesundes, sicheres und glückliches Leben führen. Wenn wir aber nicht sofort das Ruder herumreißen und alles tun, um den Klimakollaps abzuwenden, ist dieser Wunsch leider nicht erfüllbar. Wenn wir die Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen, können wir aber einen großen Teil der schweren Belastung von den Schultern unserer Kinder nehmen. Daher kämpfe ich als Klimaaktivistin für die Erreichung dieses Ziels und übe Druck auf die Politik aus. Denn wenn die Regierungen den derzeitigen Kurs beibehalten, wird ein Kind, das jetzt geboren wird, durchschnittlich 21-39 Hitzewellen erleben. Es wird im Schnitt doppelt so viele Waldbrände, bis zu dreimal so viele Dürren, Überschwemmungen und Ernteausfälle erleben, wie seine Großeltern. Wir erleben die Folgen einer um 1,2 Grad heißeren Welt ja bereits jetzt – auch in Deutschland. Das Leben in einer 2,5 Grad heißeren Welt kann und möchte ich mir gar nicht ausmalen und somit meinen Kindern auch nicht zumuten.
Bei solchen düsteren Aussichten kann ich es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, bewusst Kinder in diese Welt und eine Zeit multipler Krisen zu setzen. Als Mutter will ich doch mein Kind schützen – und aktuell ist leider der beste Schutz, es gar nicht erst zu zeugen. Ich möchte ihnen auch nicht die Last aufbürden, die Fehler der vorherigen Generationen ausbaden zu müssen.
Alles zum Thema Fridays for Future
- Nations League Frankreich empfängt Israel zum „Hochrisiko-Match“
- „Kidical Mass“ Fahrraddemos in Rhein-Sieg werben für mehr Sicherheit für Kinder im Straßenverkehr
- Klimastreik 100 Menschen demonstrierten in Lindlar
- Fridays for Future Tausende bei Demonstrationen für Klimaschutz
- Fridays for Future Tausende ziehen bei Klimastreik durch die Kölner Innenstadt
- Fridays for Future Große Klima-Demo in Köln – Verkehrsbehinderungen
- Umfrage Gut die Hälfte der Deutschen sorgt sich wegen Klimawandel
Wer sich dazu entschließt, trotz allem Kinder zu bekommen, sollte mit gutem Vorbild vorangehen, ihnen ein klimafreundliches Leben vorleben und bei ihnen ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit schaffen. Vor allem sollte man ein Kind aber auch einfach Kind sein lassen und ihm eine unbeschwerte Kindheit bieten. Darauf hat jedes Kind ein Recht. Ich habe auch gesehen, dass Kinder bei ihren Eltern und Großeltern ein Umdenken auslösen können. Plötzlich geht es nicht mehr nur darum, die eigenen Lebensgrundlagen zu retten, sondern auch die Zukunft für die eigenen Kinder und Enkel zu sichern. Dadurch engagieren sich immer mehr Menschen bei den Parents for Future, Grannies for Future und anderen Organisationen.
Doch obwohl wir alle demokratischen Mittel ausschöpfen, von globalen Klimaprotesten über zahlreiche Petitionen und Bürgerinitiativen, wurden die so dringend benötigten strukturellen Veränderungen seitens Politik und Wirtschaft nicht angegangen. Dieses Gefühl der Ohnmacht, und die Tatsache, dass die lauten Hilferufe – speziell der Schüler und Schülerinnen, die für ihre eigene Zukunft kämpfen müssen – ignoriert werden und stattdessen unsere Regierung die Profitinteressen fossiler Konzerne weiter voranstellt, hat mich zu Extinction Rebellion Köln geführt. Da sich das Zeitfenster gerade sehr rasch schließt, in dem wir die schlimmsten Folgen der Klimaerhitzung noch abwenden können, sehe ich im Aktivismus die letzte Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen, Teile der Bevölkerung zu mobilisieren und einen Systemwandel anzustoßen.
Dazu kam vor etwa zwei Jahren die ernüchternde Erkenntnis in meinem Berufsleben in der freien Wirtschaft, dass leider immer noch zu viele die Klimakrise als die größte existenzielle Bedrohung der Menschheit verdrängen und ihrem Arbeitsalltag nachgehen, als wäre alles in Ordnung. Es gibt ein sehr treffendes Meme: Es zeigt einen Hund, der mit einer Kaffeetasse an seinem Wohnzimmertisch sitzt und sagt „This is fine“, während sein Haus abbrennt. So habe ich mich jeden Tag vor meinen Excel-Tabellen und PowerPoint-Folien gefühlt.
Deshalb beschloss ich, dass ich dieses System nicht mehr unterstützen möchte und habe meinen Job gekündigt. Stattdessen möchte ich meine wertvollen Ressourcen – meine Energie, Zeit und meine Expertise – für den Kampf für mehr Klimagerechtigkeit einsetzen.
Die letzten zwei Jahre waren aber auch oft frustrierend. Paradoxerweise zugleich aber auch hoffnungsvoll, denn wir haben ja alle Lösungen an der Hand – das einzige was fehlt, ist der politische Wille, eine wirklich ambitionierte Klimapolitik umzusetzen. Erst, wenn sich dieser Wille in den Taten der politischen Institutionen manifestiert, kann ich mit mehr Sicherheit in die Zukunft blicken.
Ich motiviere mich immer weiterzumachen und nicht aufzugeben, indem ich mir eine schönere, sauberere und sicherere Zukunft vorstelle, in der wir Menschen glücklich im Einklang mit der Natur leben, uns in solidarischen Gemeinschaften organisieren und gemeinsam in Frieden leben. Durch die Abkehr von den fossilen Energien profitieren wir von sauberer Luft und Wasser. Städte werden zu sicheren und wieder lebenswerten Orten – durch Begrünung und keinem Autoverkehr, sodass sogar mein Kind dort ohne Angst Fahrradfahren könnte.
Auch, wenn ich selber kein eigenes Kind bekomme, kann ich es mir gut vorstellen, trotzdem Mama zu werden, indem ich einmal ein Kind adoptiere. Diese Kinder werden die Auswirkungen der Klimakrise noch viel heftiger und länger zu spüren bekommen als wir und ich möchte meinen Beitrag leisten, ihnen ein möglichst sicheres und geborgenes Leben zu bieten.“ Aufgezeichnet von Rebecca Lessmann
Nika (37 Jahre alt, aus Hessen):
„Solange ich denken kann, wollte ich Kinder und später eine eigene große Familie haben. Mit jeder gescheiteren Beziehung bin ich in eine große Krise gestürzt. Zuletzt mit Anfang 30. Damals hätte fast alles unternommen, um Mama werden zu können. Der Klima-Problematik war ich mir damals aber überhaupt nicht bewusst. Zuletzt über Kinder nachgedacht habe ich Anfang des letzten Jahres mit meinem damaligen Partner. Zu der Zeit war ich noch relativ zuversichtlich, dass das alles noch gut wird. Mit dem Klima. Aber dann kam die Bundestagswahl. Die Konstellation, die wir gerade haben, ist nicht gut, was den Klimaschutz angeht – gerade mit der FDP.
Ich habe dann automatisch angefangen, weniger über die Kinderfrage nachzudenken, ja mich Anfang dieses Jahres bewusst dagegen entschieden. Denn ich habe einfach gemerkt, dass ich gerade nicht die Ruhe und die Zuversicht habe, um schwanger zu werden.
So richtig realisiert, wie ernst es um die Klimakrise steht, habe ich 2018 durch Greta Thunberg und Fridays for Future. Es fühlte sich an, als würde mir wie Schuppen von den Augen fallen, wie groß und dringend der Handlungsbedarf ist. Seitdem versuche ich jeden Tag mein Bestes zu geben und wenn ich kann: noch mehr zu machen. Was natürlich nicht jeden Tag gleich gut gelingt. Da ich den Kampf gegen die Klimakrise auch zu meiner hauptberuflichen Aufgabe machen möchte – ich war zuletzt als Sozialarbeiterin im Bildungsbereich tätig – studiere ich nun mit Ende 30 nochmal Umweltwissenschaften.
Natürlich würde ich das alles nicht tun, wenn ich keine Hoffnung hätte. Tatsächlich sehe ich durchaus einige Hoffnungsschimmer, wenn auch kleine: Wie zum Beispiel, dass der neue brasilianische Präsident Lula da Silva die Rodungen im Amazonas-Regenwald endlich stoppen möchte. Die Hoffnung, dass wir die Erderhitzung doch noch auf unter zwei Grad begrenzen können, will ich auch gar nicht aufgeben, denn in dem Moment würde ich einfach nur ein Mensch mehr werden, der nichts tut. Am Ende des Tages will ich mir wenigstens sagen können, dass ich es versucht habe und mir keine Vorwürfe machen müssen.
Das ist etwas anderes, wenn man Mutter ist. In meinem Umfeld bekommen auch jetzt noch immer viele Kinder. Ich finde das mutig. Ich könnte das gerade nicht. Aber natürlich möchte ich das niemandem absprechen, denn Kinder schenken ja auch Hoffnung. Doch bei mir überwiegt die Sorge davor, in welche Welt ich die Kinder setzen würde. Ich will aber nicht ausschließen, dass sich das nicht noch einmal ändert, wenn wir uns klimatechnisch gesehen endlich auf den richtigen Kurs begeben, wieder Frieden in Europa herrscht und ich mich allgemein wieder sicherer in dieser Welt fühle.
Auch wenn jede Generation so vor ihren Herausforderungen stand – gerade die Kriegsgenerationen – und sich in der Zeit sicherlich auch einige Sorgen um die Zukunft und die ihrer Kinder gemacht haben, sich gefragt haben, ob sie es überhaupt verantworten können, Kinder in die Welt zu setzen. So ist es mit der Klimakrise noch einmal etwas vollkommen anderes. Natürlich machen drohende Kriege auch Angst, ist deren Härte und Ausgang doch ungewiss. Das merken wir auch durch den Krieg in der Ukraine und andere Konflikte gerade mehr als deutlich. Aber ich finde, der Klimawandel lässt sich damit nicht wirklich vergleichen.
Meine größte Angst ist die Ungewissheit. Dass man nicht wirklich sagen kann, was genau passiert und wann. Die Zeit wird immer knapper, um wirklich Veränderungen in die Wege zu leiten und umzusetzen. Wir Menschen sind zwar anpassungsfähig und intelligent, aber bei dem Tempo, den die Klimaveränderungen annehmen und wenn Kipppunkte überschritten werden, denke ich nicht, dass wir noch mithalten können. Vor diesem Chaos würde ich meine Kinder gerne bewahren.“ Aufgezeichnet von Rebecca Lessmann