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Für internationalen WettbewerbSollen Kinder schon in der Kita zwei Sprachen lernen?

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Zwei Sprachen lernen schon in der Kita, das macht Kinder später erfolgreicher, sagen Forscher.

Köln – Es wird viel gesprochen über die Qualität deutscher Kitas und darüber, wie die Betreuung der Allerkleinsten aussehen muss. Die Bundesregierung hat im „Gute-Kita-Gesetz“ Maßnahmen formuliert, um Einrichtungen besser zu machen und Kinder bedarfsgerecht zu betreuen. Kitas müssten aber noch viel mehr leisten, hat eine Gruppe Forscher nun in einem Pressegespräch gefordert. Ihre These: Kinder sollten heute schon in der Kita zweisprachig erzogen werden, damit sie fit werden für den internationalen Bildungswettbewerb und eine erfolgreiche berufliche Zukunft.

„Die Kinder in den Kitas sind unsere Gesellschaft und Wirtschaft von morgen“, sagt Bildungswissenschaftler Prof. Andreas Schleicher von der Universität Heidelberg, „wir sollten nutzen, was in ihnen steckt.“ Die Förderung der Allerkleinsten habe Einfluss auf die Bildungsentwicklung des Landes. Die OECD-Pisa-Studien zeigten deutlich, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb weiter zurückfalle, mit volkswirtschaftlichem Schaden in Millionenhöhe. Durch eine bilinguale Bildung schon in der Kita aber könnten, so Berechnungen der OECD, später über 4347 Milliarden Euro zusätzlich erwirtschaftet werden, sagt Andreas Schleicher.

Bilingualität soll Weltoffenheit und Empathie stärken

Durch das bilinguale Lernen in jungen Jahren würden die Kinder viele Kompetenzen erwerben. „Mehrere Sprachen zu sprechen macht weltoffen“, sagt Schleicher, „Kinder lernen, die Welt aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.“ Unterschiedliche Kulturen zu verstehen sei eine entscheidende Grundlage zur gesellschaftlichen Teilhabe. „Durch bilinguale Bildung haben Kinder eine bessere Kommunikationsfähigkeit und eine höhere Sozialkompetenz, sie werden zu mündigen Bürgern, die auch komplexe Themen verstehen“, sagt Dr. Carl Hahn, früher Vorstandsvorsitzender von Volkswagen, der sich seit Jahren im Bereich Bildung engagiert. Mehrsprachigkeit fördere außerdem das Einfühlungsvermögen, unterstreicht Neurobiologe und Lernforscher Prof. Dr. Martin Korte von der TU Braunschweig. „Menschen, die mehr als eine Sprache kennen, können sich in die Köpfe anderer hineinversetzen.“

„Sprache fliegt uns in jungen Jahren zu“

Das Lernen mehrerer Sprachen in jungen Jahren verbessere insbesondere auch die kognitive Flexibilität und das Konzentrationsvermögen eines Kindes, erklärt Neurologe Martin Korte. Eine Studie belege, dass mehrsprachige Kinder besser darin seien, zwischen Aufgaben zu wechseln, Neues zu lernen und sich an neue Situationen anzupassen. Welche zwei Sprachen ein Kind lernen würde, das sei dabei ganz egal. Und auch der Bildungshintergrund der Eltern spiele keine Rolle. Mehrsprachigkeit fördere sogar die Bildungsgerechtigkeit. „Alle sozialen Schichten gewinnen, wenn Kinder mehrsprachig aufwachsen“, sagt Lernforscher Martin Korte. Gerade Kinder aus Migranten-Familien profitierten, wenn sie in der Kita auch ihre Muttersprache sprechen dürften. Es sei ein Leistungsgewinn durch alle Schülergruppen hindurch zu erkennen, sagt auch Andreas Schleicher.

Warum die bilinguale Bildung bereits im Kleinkindalter beginnen soll, habe einen guten Grund. Dann nämlich falle Kindern das Sprachenlernen besonders leicht. „Sprache fliegt uns in jungen Jahren zu“, sagt Korte. Bestimmte Sprachareale seien zu dieser Zeit besonders empfänglich. „Kommen Kinder in die Grundschule, fällt es ihrem Gehirn bereits 100 Mal schwerer, eine Fremdsprache zu lernen.“

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Sprachen lernen ganz nebenher beim Spielen

Bilingualität im Kleinkindalter scheint also große Effekte zu haben. Aus den Ergebnissen und Forderungen der Forscher ergeben sich aber auch Fragen. Zum Beispiel, wie die mehrsprachige Erziehung konkret aussehen soll. „Bilinguale Kitas heute haben ganz unterschiedliche Konzepte“, sagt Katarina Groth vom Deutschen Jugendinstitut (DJI), sie ist Expertin für Sprachentwicklung und -förderung in Kitas. „In einer echten bilingualen Kita sind Kinder den ganzen Alltag von zwei Sprachen umgeben.“ Die Erzieher seien im Idealfall Muttersprachler. Und die Kinder würden die Sprache nebenbei beim Spielen aufnehmen.

Haben bilinguale Kinder wirklich Wettbewerbsvorteile?

Dass Kinder in der Kita die Sprachen spielerisch lernten, zum Beispiel durch Singen und Tanzen, das berichtet auch Rüdiger School von der „Saxony International School (SIS) Carl Hahn“, einem Verbund freier Schulen und Kitas mit bilingualem Konzept. „Kinder bei uns können aber auch mit drei oder vier Jahren schon in Deutsch und Englisch zählen, zum Teil schon rechnen und schreiben, sie sind wendiger als andere Kinder.“ Ihre Schulleistungen seien später überdurchschnittlich.

Ob Kinder in der Kita bereits rechnen und schreiben lernen sollten, das kann man sicher in Frage stellen. Inwieweit das funktioniere, hänge individuell vom Kind ab, sagt Katarina Groth. „Es gibt große Entwicklungsunterschiede zwischen Kindern im Kindergartenalter. „Das eine Kind spricht mit zwei Jahren bereits erste Sätze, während das andere gerade erst angefangen hat erste Worte zu sprechen.“ Man müsse im Auge behalten, was Kinder in einem bestimmten Alter überhaupt schon können.

Mehrsprachiges Aufwachsen sieht Groth als eine wahre Ressource, was unterstützt und gefördert werden sollte. Aber bilinguale Erziehung in der Kita direkt als Parameter für spätere Erfolgschancen anzulegen, das betrachtet sie kritisch. Zwar zeigten Studien, dass sich Mehrsprachigkeit zum Beispiel positiv auf das spätere Lernverhalten auswirken könne. „Aber daraus zu schlussfolgern, dass ein Kind später eine bessere Bildungskarriere hat, damit wäre ich vorsichtig.“ Sie kenne auch keine Studienergebnisse, die solche Langzeiteffekte einheitlich belegten. Für die Entwicklung eines Kindes spielten noch so viele andere individuelle Faktoren und Umwelteinflüsse eine Rolle.

Bilinguale Bildung trotz Erziehermangel?

Die wohl spannendste Frage zum Thema ist jedoch, wie solche bilingualen Kita-Konzepte flächendeckend realisiert werden sollen. Betrachtet man die Situation der Kitas in Deutschland, klingen die oben erläuterten Pläne nach einem ambitionierten Projekt. Denn zum einen finden immer noch nicht alle Familien überhaupt einen Kitaplatz, insbesondere wenn ihr Kind unter drei ist. Zum anderen fehlt in den Einrichtungen häufig das Personal. „Auch wenn die Anzahl an Pädagogen in Kitas steigt und eine leichte Verbesserung des Betreuungsschlüssels zu beobachten ist, herrscht weiterhin ein deutlicher Fachkräftemangel, der vor allem in Westdeutschland noch weiter zunehmen wird“, sagt Katarina Groth. Aufgrund der geringen Personalressourcen fehle es an Zeit und Raum für eine qualitative Weiterentwicklung von Kitas. „Diese sollte jedoch an oberster Stelle stehen, wenn es um die frühkindliche Bildung und Betreuung unserer Kinder geht“, sagt Groth.

„Brauchen eine universitäre Ausbildung in der frühkindlichen Bildung“

Um bilinguale Bildung möglich zu machen, müsste die gesamte Kita-Landschaft neu strukturiert werden. Das fordern auch die Forscher. „Wir müssen neue Randbedingungen schaffen und finanziell investieren“, sagt etwa Lernforscher Martin Korte. In vielen Ländern werde mehr Wert gelegt auf die Ausbildung der Erzieher. „Wir brauchen eine universitäre Ausbildung in der frühkindlichen Bildung.“ Die Fachkräfte müssten besser werden und über bessere sprachliche Fähigkeiten verfügen, meint auch Bildungswissenschaftler Andreas Schleicher. „Die Bildung in den ersten Lebensjahren sollte uns mehr wert sein.“ Um das zu finanzieren brauche es eine nationale Bildungsinitiative, fordert Martin Korte.

Ob ein solcher flächendeckender Umbau wirklich möglich wäre, bleibt dennoch fraglich. „Die Zahl der bilingualen Kitas steigt auf jeden Fall, was positiv zu bewerten ist“, sagt Katarina Groth. Aber man müsse vor allem eins bedenken: „Will man wirklich einen langfristigen Effekt, dann bringt es nichts, wenn das Kind in der Kita zweisprachig aufwächst und dann in eine normale einsprachig deutsche Schule kommt.“ Das bilinguale Konzept müsste sich also in der Grundschule und den weiterführenden Schulen fortsetzen.