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Interview

Bosbach über Sondierungen mit dem BSW
„Die Union macht mit Extremisten keine gemeinsame Sache“

Lesezeit 6 Minuten
Die CDU als Bollwerk? Sie muss diesem Anspruch gerecht werden, sagt der langjährige Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach.

Die CDU als Bollwerk? Sie muss diesem Anspruch gerecht werden, sagt der langjährige Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach.

Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach spricht im Interview über Gespräche mit dem BSW in Sachsen und Thüringen – und über Migration.

Was bedeuten Sondierungen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht für die CDU? Der frühere bergische CDU-Abgeordnete, Innenexperte und ehemalige Unionsfraktionsvize über die Herausforderungen nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen und über die Migrationspolitik.

Die CDU hat in den Sachsen und Thüringen die Ampel-Parteien weit hinter sich gelassen. „Wir sind das Bollwerk“, sagt der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer. Kann die CDU so einen Anspruch einlösen?

Ja! Sie muss diesem Anspruch gerecht werden. Im Interesse des Landes, aber auch um ihrer eigenen politischen Glaubwürdigkeit willen. Die SPD war einmal eine stolze Volkspartei, aber in der aktuellen Verfassung hat sie diesen Status nicht mehr. Bleibt aktuell nur die Union als starke bürgerliche Partei der Mitte.

Wenn die dortige Union sagen würde „Mit dem BSW reden wir noch nicht einmal!“ – wie soll es dann weitergehen?
Wolfgang Bosbach

Parteichef Merz hat den Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber der Linken bekräftigt. Jetzt zeichnen sich mögliche Gespräche mit dem Wagenknecht-Bündnis ab, das ja eine Abspaltung der Linken ist und laut Merz in Teilen links-, in Teilen rechtsextrem ist. Ist das logisch?

Gute Frage! Keine Ahnung, wie sich das Bündnis selber aktuell im politischen Spektrum einordnet. Die Gespräche dienen ja dazu, herauszufinden, wie sich diese junge Partei politisch positionieren will. Außerdem: Welche Alternative hätten denn die CDU-Landesverbände in Thüringen und Sachsen? Wenn die dortige Union sagen würde „Mit dem BSW reden wir noch nicht einmal!“ – wie soll es dann weitergehen? Wir können auch dort nicht so lange wählen, bis alle Parteien zufrieden sind, was nie der Fall sein wird.

Gerade in Sachsen gäbe es aber eine Alternative, die Linke.

Mit der Linken haben wir aber anders als mit dem BSW einen Unvereinbarkeitsbeschluss.

Wagenknecht hat schon am Wahlabend angekündigt, welchen Preis sie von der Union verlangt – ein Bekenntnis zu einer komplett anderen Außenpolitik. Will sie die CDU nicht einfach spalten?

So weit ich weiß, haben weder Thüringen noch Sachsen Auswärtige Ämter und Außenminister. Außenpolitik wird vom Bund gemacht. Dennoch möglich, dass Sarah Wagenknecht – und nur auf sie kommt es an! – der Union Bedingungen diktieren will, die für uns nicht akzeptabel sind. Mario Voigt und Michael Kretschmer kennen ihre Verantwortung. Für ihre Bundesländer, aber auch für die Glaubhaftigkeit der Unionspolitik im Ganzen. Wir sollten sie jetzt mal in Ruhe sondieren lassen, was geht und was nicht.

Die Union macht mit Extremisten keine gemeinsame Sache. Ende der Durchsage.
Wolfgang Bosbach

Wie sollte es die CDU mit der AfD halten? Funktioniert das mit der Brandmauer?

Nach den Wahlen darf nichts anderes gelten als vor den Wahlen! Nein zu jeder Form der Zusammenarbeit. Keine Koalition, keine Kooperation. Die Union macht mit Extremisten keine gemeinsame Sache. Ende der Durchsage.

Manche Leute sagen, die Wahlen in Sachsen und Thüringen zeigten, dass viele Leute sich bei den demokratischen Parteien, auch der CDU, mit ihren Anliegen nicht gut aufgehoben fühlen. Ob es um die Flüchtlingspolitik geht, um die Sozialpolitik, ums Verhältnis zu Russland. Andere sagen, die CDU sollte sich doch von Populisten nicht die Themen vorgeben lassen. Was meinen Sie?

Ja, auch die Union erzielt nicht mehr die Ergebnisse früherer Wahlen, bei denen immer 40 Prozent plus X das Ziel war. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Die traditionelle Bindung an die etablierten Parteien lässt nach, die gesellschaftlichen Milieus differenzieren sich immer mehr, wir haben heute durch neue Parteien mehr Konkurrenz als früher. Richtig ist aber auch, dass wir durch die Migrationspolitik ab September 2015 und den überhasteten Ausstieg aus der Kernenergie viele treue Wählerinnen und Wähler irritiert haben. Vorsichtig ausgedrückt.

Vor einem guten Jahr hat Merz gesagt, die Grünen seien der Hauptgegner der Union. Ernsthaft die Grünen? Die sind immerhin eine demokratische Partei, mit der man unter anderem in NRW auch zusammen regiert.

Ja, ernsthaft. Dass Bündnis 90/Die Grünen eine demokratische Partei ist, bezweifelt nun wirklich niemand. So wie auch zweifelsfrei ist, dass weder SPD und FDP die politische Tagesordnung in Berlin bestimmen, sondern die Grünen. Nicht nur außen-, wirtschafts- und energiepolitisch, auch gesellschaftspolitisch. Und diese Politik führt dazu, dass wir langsam, aber anscheinend unaufhaltsam die politische- aber auch die ökonomische Stabilität verlieren. Gegen diese Politik treten wir als Union an. Gut, dass man sich in Düsseldorf nicht öffentlich streitet und zerlegt wie die Ampel in Berlin, aber das ändert nichts daran, dass wir im Bund einen grundlegenden Politikwechsel brauchen.

Wir können nicht weiterhin Jahr für Jahr zwischen 200.000 und 300.000 Asylbewerber aufnehmen, die aus anderen Kulturkreisen stammen, mit vielfach ungewisser Integrationsperspektive und anhaltender Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme.
Wolfgang Bosbach

Wie sollte die CDU mit dem Thema Migration umgehen? Erst ist von Aufnahmestopp für bestimmte Nationalitäten die Rede, dann wird das wieder relativiert. Weckt man da Erwartungen, die am Ende nicht einzulösen sind?

Wir brauchen beides: Humanität und Ordnung. Wir können nicht weiterhin Jahr für Jahr zwischen 200.000 und 300.000 Asylbewerber aufnehmen, die aus anderen Kulturkreisen stammen, mit vielfach ungewisser Integrationsperspektive und anhaltender Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme. Von Sicherheitsproblemen ganz zu schweigen. Rechtlich wird argumentiert, dass Art. 16 a Absatz 2 Grundgesetz vom europäischen Recht überlagert werde, so dass Deutschland niemanden an der Grenze zurückweisen dürfe, auch wenn der Bewerber schon durch viele andere EU Länder gereist ist und dort bereits Anträge gestellt hat. Diese Rechtsansicht übersieht, dass Deutschland vollständig von stabilen, verfolgungsfreien Demokratien umgeben ist. Wer von dort aus einreisen möchte, ist bereits vor Verfolgung geschützt.

Welche konkreten Maßnahmen halten Sie denn nicht nur für wünschenswert, sondern auch für realisierbar?

Ich plädiere seit September 2015 für die Anwendung des geltenden Rechts, so wie unsere Verfassung dies vorsieht. Wenn das europäische Recht dagegensteht, dann muss dort klargestellt werden, dass Asylsuchende, die bereits humanitären Schutz haben, nicht in Ländern ihrer Wahl immer neue Anträge stellen können. Die damalige Bundesregierung hatte per Twitter (heute X) eine Ausnahmevorschrift der Verordnung Dublin II für Syrer zur Regel erklärt, das sogenannte „Selbsteintrittsrecht“. Das Recht zum Selbsteintritt, also zur Einreisegestattung trotz Pflicht zur Zurückweisung, macht doch nur dann Sinn, wenn es keine Pflicht zur Einreisegestattung gibt. So würde es doch Selbsteintritts-PFLICHT heißen. Richtigerweise ist damals das Thema „Transitverfahren“ thematisiert, aber viel zu schnell ad acta gelegt worden. Fest steht: Was die Bundesregierung jetzt plant, ändert am zu hohen Zuzug nichts.

Merz und CSU-Chef Markus Söder wollen bis zum Ende des Spätsommers die Frage der Kanzlerkandidatur klären. Was würden Sie empfehlen?

Macht es nach der Wahl in Brandenburg zügig und geräuschlos. Und bloß kein Theater wie vor vier Jahren. Es geht nicht um zwei Personen und ihre Karrierechancen, es geht um 84 Millionen und deren Erwartungen an gute Politik.

Aber wenn man die Persönlichkeitswerte in Umfragen sieht, kann Merz doch nur neidisch auf Söder schauen – und erst recht auf Hendrik Wüst schauen. Wäre der NRW-Ministerpräsident nicht der bessere Frontmann?

Hendrik Wüst ist der beste Frontmann, den sich die CDU für NRW wünschen kann. Und Markus Söder ist der erfolgreichste Ministerpräsident des großartigen Freistaates Bayern, seitdem er dieses Amt angetreten hat. Warum sollten sich beiden wünschen nach einem neuen Amt zu streben? Andere Parteien wären froh, so ein politisches Dreigestirn zu haben. Aber Kanzlerkandidat kann halt nur einer werden.