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Kohle statt GasWirtschaftsminister Habeck will Gasverbrauch in Deutschland minimieren

Lesezeit 5 Minuten

Gasspeicher in Deutschland.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will den Gasverbrauch in Deutschland senken und auf die Drosselung russischer Lieferungen reagieren. Damit soll eine schwere Gaskrise verhindert werden mit Blick vor allem auf den Winter. Im Kern geht es um staatliche Milliarden für das schnelle Befüllen von Speichern, Kohle statt Gas zur Stromerzeugung und Anreize für Industriefirmen zu weniger Verbrauch.

Die Situation sei ernst, sagte Habeck am Sonntag. „Wir stärken daher weiter die Vorsorge und ergreifen zusätzliche Maßnahmen für weniger Gasverbrauch. Das heißt: Der Gasverbrauch muss weiter sinken, dafür muss mehr Gas in die Speicher, sonst wird es im Winter wirklich eng.“ Der russische Staatskonzern Gazprom hatte den Gasfluss durch die Ostseepipeline Nord Stream in den vergangenen Tagen deutlich verringert.

Putins Strategie

Die angespannte Situation und die hohen Preise seien eine unmittelbare Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf Geheiß von Präsident Wladimir Putin, so der Grünen-Politiker. „Es ist offenkundig die Strategie von Putin, uns zu verunsichern, die Preise in die Höhe zu treiben und uns zu spalten. Das lassen wir nicht zu.“

Noch könnten die ausfallenden Mengen ersetzt werden, noch laufe die Befüllung der Gasspeicher, wenn auch zu hohen Preisen. Die Versorgungssicherheit sei aktuell gewährleistet. Der Gasverbrauch im Strombereich und in der Industrie solle aber gesenkt und die Befüllung der Speicher forciert werden.

Konkret geht es darum: Um die Einspeicherung von Gas zu sichern, stellt die Bundesregierung schon in Kürze eine zusätzliche Kreditlinie über die Staatsbank KfW in Höhe von 15 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Kreditlinie ist bis Ende 2025 befristet. Angesichts steigender Gaspreise soll mit dem Kredit die sogenannte Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe THE die nötige Liquidität bekommen, um Gas einzukaufen und die Befüllung der Speicher voranzutreiben.

Industrie als Schlüsselfaktor

Habeck plant außerdem noch im Sommer ein Gasauktions-Modell. Dieses soll industriellen Gasverbrauchern Anreize bieten, Gas einzusparen. Im Kern geht es darum, dass Industriekunden, die auf Gas verzichten können, ihren Verbrauch gegen Entgelt verringern, das über den Markt finanziert wird – und das Gas zur Verfügung stellen, damit es eingespeichert werden kann. „Alles, was wir weniger verbrauchen, hilft“, so Habeck. Die Industrie sei dazu ein Schlüsselfaktor.

Verständnis – sogar bei Klimaschützern

Die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), angesichts zurückgehender russischer Gaslieferungen verstärkt Kohle statt Gas zur Stromerzeugung zu nutzen, stoßen sogar unter Förderern der Erneuerbaren Energien auf Verständnis.

„Ich sehe keine andere Möglichkeit bei einem Totalausfall der Gasimporte aus Russland als in dieser Notsituation Kohlekraftwerke länger laufen zu lassen“, sagte Reiner Priggen, Vorsitzender des NRW-Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE), unserer Redaktion. Es räche sich nun, dass die frühere Bundesregierung wie auch die alte NRW Landesregierung beim Ausbau der Erneuerbaren Energien „so viel Zeit vertrödelt hat“, so Priggen. „Jetzt müssen wir diese Notsituation überbrücken und gleichzeitig alle Erneuerbaren Energien so schnell es geht ausbauen. Es ist nicht mehr die Zeit für Hampeleien mit 1000 Meter Abständen zwischen Windkraftanlagen und Wohnbebauung“, sagte der LEE-Vorsitzende weiter.

Die NRW-Regierung hatte schon Anfang Mai in einem „energiepolitischen Aktionsplan“ angeregt, anstehende Stilllegungen von Kohlekraftwerken „temporär auszusetzen“ und die Reaktivierung stillgelegter Werke zu prüfen. Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) erneuerte seine Forderung, Kraftwerkskapazitäten aus den Reserven schnell wieder ans Netz zu bringen.“ Ein weiteres Abwarten bis zu einer womöglich „tatsächlichen Gasmangellage“ ist aus Sicht des Verbands nicht vertretbar. Hauptgeschäftsführer Christian Seyfert: „Die Abschaltung eines jeden Kohle- oder Kernkraftwerks führt unweigerlich zu einem steigenden Erdgasverbrauch. Um auf den Winter vorbereitet zu sein, müssen aber alle Einsparpotentiale genutzt werden.“ (mk)

Im Strommarkt soll der Einsatz von Gas verringert werden – statt Gas soll mehr Kohle verstromt werden. Pläne der Regierung sollen möglichst schnell umgesetzt werden. Genutzt werden sollen dann Kohlekraftwerke, die derzeit nur eingeschränkt verfügbar sind, demnächst stillgelegt würden oder sich in einer Reserve befinden.

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Ein entsprechendes Gesetz soll laut Ministerium am 8. Juli vom Bundesrat beschlossen werden und dann zügig in Kraft treten. Parallel wird eine notwendige Ministerverordnung vorbereitet. „Wir rufen die Gasersatz-Reserve ab, sobald das Gesetz in Kraft getreten ist“, so Habeck. „Das bedeutet, so ehrlich muss man sein, dann für eine Übergangszeit mehr Kohlekraftwerke. Das ist bitter, aber es ist in dieser Lage schier notwendig, um den Gasverbrauch zu senken.“

Kein Rütteln am Kohleausstieg

Auch die Industrie hatte gefordert, die Gasverstromung zu stoppen und Kohlekraftwerke aus der Reserve holen. Der stärkere Einsatz von klimaschädlichen Kohlekraftwerken soll laut Gesetzentwurf bis März 2024 begrenzt sein. Bis zum Sommer 2024 könnte der Anteil russischen Gases auf 10 Prozent des Verbrauchs gedrückt werden. Derzeit liegt er bei 35 Prozent, vor dem Ukraine-Krieg bei 55 Prozent. An einem früheren Kohleausstieg will Habeck nicht rütteln. Die Ampel will diesen „idealerweise“ auf 2030 vorziehen, bisher ist er spätestens 2038 geplant. „Wir müssen und wir werden alles daran setzen, im Sommer und Herbst so viel Gas wie möglich einzuspeichern“, sagte Habeck.

Die aktuellen Füllstände der Speicher liegen bei rund 57 Prozent, wie es im Bericht der Bundesnetzagentur vom Sonntag heißt. Ziel der Regierung ist es, dass die Gasspeicher zum 1. Oktober zu 80 Prozent und zum 1. November zu 90 Prozent befüllt sind – um für mögliche Engpässe gerüstet zu sein. (dpa)