Börsen auf Talfahrt, Massenproteste in den USA: Von dem Boom durch flächendeckend erhöhte Zölle, den US-Präsident Donald Trump seinem Land versprochen hat, ist nichts zu sehen. Was treibt Trump zu seiner Politik? Fragen an den in den USA lehrenden deutschen Ökonomen Rüdiger („Rudi“) Bachmann.
Ökonom über US-ZollpolitikLässt Trump die Märkte mit voller Absicht crashen?

Eine Börsenhändlerin beobachtet auf dem Parkett der Frankfurter Wertpapierbörse ihre Monitore, während die Anzeigetafel mit der Dax-Kurve fallende Kurse anzeigt. US-Präsident Donald Trump hatte ein gewaltiges Zollpaket gegen Handelspartner in aller Welt erlassen.
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Herr Professor Bachmann, Donald Trump erhöht Zölle auf breiter Front und verspricht den US-Bürgern einen Boom. Gibt es irgendeine ernstzunehmende volkswirtschaftliche Theorie, die dafür spricht, dass so was funktionieren kann?
Kurze Antwort: Nein. Ausführliche Antwort: Zolle können schon eine sinnvolle Funktion haben, zum Beispiel, wenn Entwicklungsländer vorübergehend bestimmte Industrien schützen wollen, damit die sich entwickeln können. So hat es lange Zeit auch China gemacht. Aber die USA sind weltweit Technologieführer. Da machen solche breit über alle Güterkategorien hinweg erhobenen Zölle schlicht keinen Sinn. Es gibt keine theoretische oder empirische Rechtfertigung dafür.
Jetzt sind die Börsenkurse auf Talfahrt, Trump ist mit Protesten konfrontiert. Hätte er sich das nicht ausrechnen können? Oder richtet er bewusst Chaos an, um sich dann als starker Mann durchsetzen zu können?
Zumindest eine Erklärung kann man sich abschminken: Hier geht es nicht um rabiate Verhandlungstaktik. So wäre Trump vielleicht in seiner ersten Amtszeit vorgegangen: Er glaubte schon damals, Europa behandle die USA unfair. Trump hätte dann darauf gesetzt, massiv zu drohen, um einen Deal durchzubekommen.
Das mit der unfairen Behandlung behauptet Trump aber noch immer – zu Recht?
Man kann zwar darüber streiten, warum die EU 10 Prozent Zoll auf US-Autos erhebt, während es umgekehrt nur zwei Prozent sind. Aber solche Unterschiede sind Ergebnis langer Verhandlungsrunden, in denen auch die USA ihre Deals bekommen hat. Im Durchschnitt sind die Zölle paritätisch, keiner wird über den Tisch gezogen. Anders ist es in der Verteidigung, wo Trump durchaus Recht hat, wenn er den Europäern vorwirft, auf Kosten der USA zu leben.
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Prof. Rüdiger Bachmann lehrt Wirtschaftswissenschaften an der University of Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana.
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Aber wenn es gar nicht um vermeintlich unfaire Handelspraktiken geht, um was dann?
Eine mögliche Erklärung, der ich immer noch anhänge, ist eine Mischung aus Inkompetenz und überholten Wirtschaftstheorien des 17. Jahrhunderts, die bis ins 19. Jahrhundert nachwirkten. Bei Trump gibt es eine reaktionäre Faszination für das Amerika des 19. Jahrhunderts. Dazu kommt ein gewisses kleptokratisches, mafiöses Element. Zölle erlauben es dem Herrscher, seine Günstlinge zu bevorzugen, denn Zölle können am Parlament vorbei festgelegt werden – so ist es in den USA, wo der eigentlich zuständige Kongress seine Zollkompetenz an die Regierung abgegeben hat. Dazu kommt: Was das Ganze für die einfachen Leute bedeutet, deren Arbeitsplätze und deren Altersvorsorge bedroht sind, das interessiert Trump nicht. Ökonomischer Sadomasochismus also. Das sind die Erklärungsstränge, auf die ich immer noch setze. Es gibt aber auch eine weitergehende, durchaus ernstzunehmende Theorie: Danach lässt Trump die Märkte mit voller Absicht crashen. Denn wenn Aktien und Immobilien billig sind, dann haben Trumps reiche Günstlinge immer noch genug Geld, um sie billig aufzukaufen. Und am Ende könnte es sogar darum gehen, die Ökonomie zu destabilisieren, damit am Ende die demokratische Ordnung fällt. Herstellung des Ausnahmezustandes im Sinne von Carl Schmitt also. Dieser Erklärungsansatz ist nicht von der Hand zu weisen.
Aber ein Trump-Günstling wie Elon Musk schneidet sich doch ins eigene Fleisch, wenn seine Tesla-Aktien abstürzen.
Kurzfristig, sehr kurzfristig. Er will Macht, da kommt es auf ein paar Milliarden nicht an. Da ist auch Tesla unwichtig.
Was ist davon zu halten, dass Musk plötzlich bei der italienischen Regierungspartei das Lied des Freihandels singt?
Ich halte das für eine Nebelkerze, nicht für einen ernsthaften Vorschlag. Aber ich würde mich freuen, mein Urteil revidieren zu können. Allerdings: Auch wenn Musk es ernst meinen würde, könnte er es wohl nicht durchsetzen. Musk ist nicht mehr der wichtigste Einflüsterer bei Trump, auch wenn man ihn in Deutschland so wahrnimmt. Musk ist in den USA noch deutlich weniger beliebt als Trump. Besonders unbeliebt ist er bei Trumps Anhängern in der Maga-Bewegung (Make America Great Again, d.Red.). Trumps Lager will ihm alles in die Schuhe schieben, was schiefgeht.
Russland bleibt bei Trumps Zöllen ungeschoren. Warum?
Es gibt sowieso kaum US-Importe aus Russland, wegen der Sanktionen als Reaktion auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Das wäre die harmlose Erklärung. Die weniger harmlose: Er will dem russischen Präsidenten Wladimir Putin signalisieren, dass in Washington ein Verbündeter sitzt.
Nun verkündet Trump Durchhalteparolen. Aber wer hält länger durch, die USA oder zum Beispiel die Chinesen? Und die Europäer?
Ich kann Ihnen nicht sagen, wie groß die Leidensfähigkeit des amerikanischen Volkes ist. Auf der anderen Seite kann auch die chinesische Führung sich keinen Wachstumseinbruch leisten – und den Europäern fehlt es schlicht an Geschlossenheit. Aber wichtiger als die Frage, was Trump seinem Volk zumuten kann, ist die, wie lange die republikanischen Abgeordneten im Kongress stillhalten. Gerade die auf den wackligen Sitzen. Im Augenblick hoffen sie auf gewaltige Steuersenkungen, finanziert durch die Zölle. Eine Steuersenkungs- und Deregulierugsorgie, die bis zu den Zwischenwahlen, den Midterms 2026, einen Boom auslösen soll. Solange sie darauf hoffen, halten sie still.
Der republikanische Senator Ted Cruz hat allerdings vor einem „Blutbad“ bei den Zwischenwahlen gewarnt.
Klar, das kann den Republikanern passieren. Immer unter der Voraussetzung, dass es überhaupt noch freie, allgemeine Wahlen gibt. Einem mindestens protofaschistischen Regime wie dem von Donald Trump traue ich auch zu, dass die Wahlen nicht mehr regulär verlaufen.
Könnten die aktuellen Massenproteste trotzdem zu einem Politikwechsel führen?
Vor den Midterms nicht, denn es gibt in den USA das System der Vorwahlen. Jeder republikanische Bewerber, der aufmuckt, muss mit einem Trump-getreuen Gegenkandidaten rechnen. Wenn die Wahlen dann regulär stattfinden, könnte es tatsächlich zum Erdrutsch, zur sogenannten blue wave, also einem großen Sieg der Demokraten kommen. Das könne ein Umdenken auslösen. Vorher sehe ich das nicht.
Abgesehen von der Zollfrage nimmt Trump auch an der hohen Bewertung des Dollar Anstoß und daran, dass viele Staaten US-Anleihen halten und die USA ihnen Zinsen zahlen müssen. Bisher galt es als Privileg, dass der Dollar als Weltreservewährung gilt und die USA sich so leicht Geld besorgen können – will Trump das beseitigen?
Da zeigt sich wieder, dass Trump viele Dinge nicht versteht. Die USA können sich ihr hohes Leistungsbilanzdefizit nur leisten, weil die übrige Welt ihr Kapital in die USA transferiert. Genau aus dem Grund, den Sie genannt haben: Kein anderer Kapitalmarkt der Welt kann bisher in dem Maße sichere, liquide Anlagemöglichkeiten bieten wie die USA. Das nennen Ökonomen das exorbitante Privileg der USA. Die übrige Welt schenkt den USA Jahr für Jahr Güter allein für die Gunst, US-Papiere halten zu dürfen. Ich meine wirklich: Sie schenken den USA diese Güter, denn genau das bedeutet es, wenn ein Land einen Importüberschuss hat und das Defizit nie zurückzahlt. Aber Trump hat sich eingeredet, die USA lebten in einer Knechtschaft gegenüber dem Ausland - obwohl es umgekehrt ist.
Kann Trumps Wirtschaftspolitik über den Börsencrash hinaus auch eine Weltfinanzkrise münden?
Das kann kommen, aber nur mittelbar. Die Weltfinanzkrise 2007/2008 wurde durch eine Immobilienkrise ausgelöst. Aktienkrisen, wie wir jetzt eine erleben, funktionieren anders. Aktienkrisen sind Eigenkapitalkrisen, die Leue werden ärmer. Das ist schlimm genug und kann zur Rezession führen. Immobilienkrisen aber sind Fremdkapitalkrisen. Die Leute werden nicht nur ärmer, sondern auch die Sicherheiten, mit denen sie Kredite unterlegen können, sind weniger wert. Fremdkapitalkrisen nehmen Leuten die Möglichkeit, überhaupt noch am Finanzmarkt teilzunehmen. Das kann dann zum Zusammenbruch von Banken führen. Das ist bei Aktienkrisen nicht zu erwarten, denn Aktien dienen immer noch nicht so häufig als Sicherheiten für Kredite. Wenn allerdings in Folge einer Rezession die Leute ihre Immobilienkredite nicht mehr bedienen können, dann könnte irgendwann auch eine Finanzkrise entstehen. Aber eben als mittelbare Folge.