AboAbonnieren

Prozess in KölnErzbistum Köln muss 300.000 Euro Schmerzensgeld zahlen

Lesezeit 3 Minuten
Köln: Kläger Georg Menne sitzt vor der Verhandlung im Gerichtssaal im Landgericht Köln.

Köln: Kläger Georg Menne sitzt vor der Verhandlung im Gerichtssaal im Landgericht Köln.

Das Landgericht Köln hat ein wegweisendes Urteil im Missbrauchsprozess gesprochen. Der Betroffene hatte 750000 Euro Schmerzensgeld gefordert.

Köln. Noch am Vortag hatte das Erzbistum Köln geäußert, mit einem Urteil nicht zu rechnen: Einen Vorschlag für einen Vergleich hatten dessen Rechtsvertreter auch gar nicht erst mitgebracht, als am Dienstag vor dem Kölner Landgericht das Zivilverfahren zwischen Georg Menne und dem Bistum fortgesetzt wurde. Umso überraschender kam das Urteil, das die Kammer verkündete, nachdem sie sich nach etwa zweistündiger Verhandlung zur Beratung zurückgezogen hatte: Das Bistum muss 300 000 Euro an den 64-Jährigen zahlen, der zwischen 1972 und 1979 von einem inzwischen verstorbenen katholischen Priester mehr als dreihundert Mal vergewaltigt wurde.

Bistum bereitete sich nicht auf eine Einigung vor

Mit dieser Entscheidung liegt das Gericht deutlich unter der Forderung von Mennes Anwälten, die ein Schmerzensgeld von 725.000 Euro gefordert hatten. Ein Rechtsvertreter des Bistums schloss eine Zahlung in dieser Höhe aus. Zwar sei man für einen Vergleich offen, habe aber kein Angebot mitgebracht: „Wir haben diesbezüglich keine Weisung. Bislang hieß es seitens des Klägers nur, es müsse der volle Betrag gezahlt werden. Dazu sind wir nicht bereit.“ In der Quintessenz habe man angenommen, es werde zu keiner Einigung kommen.

Das macht bei 320 Vergewaltigungen für den Einzelfall 78,13 Euro. Es würde der Beklagten gut anstehen, einen sechsstelligen Betrag anzuerkennen.
Anwalt des Missbrauchsopfers Georg Menne, der gegen das Bistum klagte

„Und die Quintessenz war dann wohl nicht mehr, darüber nachzudenken, was darüber hinaus möglich wäre. Ich habe das nicht zu bewerten, aber das heute ist ein Termin“, hielt der Vorsitzende Richter Stefan Singbartl dem Vertreter des Bistums vor. Eberhard Luetjohann, einer der Menne-Anwälte, warf dem Anwalt der Gegenseite vor: „Sie haben sich nicht vorbereitet!“ Dieser wies das von sich und äußerte: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das erlittene Leid je mit Geld aufzuwiegen wäre.“ Bereits früher im Verfahren hatte das Bistum anerkannt, dass es in Mennes Kindheit und Jugend zu hunderten massiver Missbrauchsfälle gekommen war, der Sachverhalt war somit unstreitig. Auch auf die Geltendmachung der Verjährung hatte das Bistum verzichtet. Außerdem hatte Menne eine Anerkennungsleistung von 25.000 erhalten. Einer weiterer von dessen Anwälten nahm diesen Betrag auseinander: „Das macht bei 320 Vergewaltigungen für den Einzelfall 78,13 Euro. Es würde der Beklagten gut anstehen, einen sechsstelligen Betrag anzuerkennen.“

Luetjohann sagte, einige Diözesen hätten Schmerzensgelder von 50 000 bis 100.000 Euro gezahlt: „Wenn wir das umrechnen auf das Leid, was der Kläger erlitten hat, müsste Herr Menne einen Anspruch von sieben Millionen geltend machen, „seine Seele ist zum größten Teil nach wie vor zerstört.“

Anwalt: Nur hohes Schmerzensgeld sei für das Bistum spürbar

Nur ein wirklich hohes Schmerzensgeld sei für das Bistum so spürbar, dass damit zu rechnen sei, dass sich künftig etwas ändern werde.

Der Vorsitzende Richter Stefan Singbartl signalisierte bereits in der Verhandlung, dass die Kammer der Argumentation der Klägeranwälte nicht ganz folgen würde: „Ziemlich viele Beträge kann man rechtfertigen.“ Auf eine Berechnung auf Basis der Einzelfälle werde man sich nicht einlassen, „die Rechtssprechung fordert eine Gesamtbetrachtung.“ Man kenne auch keine genaue Zahl der Taten, „die kann der Kläger uns auch nicht nennen, obwohl er in der Beweispflicht wäre, und das ist für den Kläger eine komfortable Situation.“ Das Bistum übernehme immerhin schon die Verhandlungskosten.

Richter: Bistum handelte allenfalls fahrlässig

In seiner Urteilsbegründung führte Singbartl aus: Das Bistum hafte für die Fehler des Priesters, da er diese in ebendieser Funktion begangen habe. Es habe aber zur Tatzeit keinen Anlass gegeben, den Täter zu überprüfen. Das Bistum habe allenfalls fahrlässig gehandelt.

Eine strafende Funktion müsse das Urteil nicht haben, da es sich um einen Haftungsfall handele. Anspruch auf ein Schmerzensgeld in der geforderten Höhe sei nicht gegeben: „Wir möchten das Leiden nicht schmälern, aber: Sie leben, Sie haben geheiratet, Sie haben Kinder und einen Beruf“, legte Singbartl Menne gegenüber dar. Schmerzensgelder in Höhe von über 500.000 Euro seien Fällen vorbehalten, in denen Opfer, zum Beispiel durch Fehlbehandlungen oder Unfälle, derart geschädigt seien, dass ihr Leben zerstört sei, etwa da sie auf dauerhafte Pflege angewiesen seien und nicht mehr am Leben teilnehmen könnten.