Der Internationale Strafgerichtshof geht gegen israelische Politiker vor, US-Präsident Donald Trump reagiert mit Sanktionen. Was kann das für Folgen haben? Fragen an den Kölner Völkerrechtler Prof. Claus Kreß.
Sanktionen gegen StrafgerichtshofPlant Donald Trump nun den Generalangriff?
![Us-Präsident Donald Trump spricht zu Reportern an Bord der Air Force One auf dem Flug von West Palm Beach, Florida, nach New Orleans.](https://static.rundschau-online.de/__images/2025/02/11/2a616981-6413-43a0-8ff7-b684c6689815.jpeg?q=75&q=70&rect=0,209,4000,2250&w=2000&h=1334&fm=jpeg&s=2f1dbf883e06aece6c30da56ac9c676e)
Us-Präsident Donald Trump
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Donald Trump hat Sanktionen gegen Karim Khan, den Ankläger des Internationalen Strafgerichtshof, verhängt. Weitere Sanktionen könnten folgen. Nicht nur gegen Angehörige des Internationalen Strafgerichtshofs, sondern auch gegen alle, die das Vorgehen gegen israelische Politiker irgendwie unterstützen – letzten Endes kann das jede beliebige Person ohne US-Staatsbürgerschaft treffen. Ist heute schon absehbar, welche Folgen das hat, für Khan, für mögliche weitere Personen – und für die Arbeitsfähigkeit des Gerichtshofs insgesamt?
Bei den Sanktionen geht um das Einfrieren von Vermögen, das sich in den USA oder in der Verfügungsgewalt von Unternehmen dieses Staates befindet. Außerdem geht es um das Verbot der Einreise in die Vereinigten Staaten. Ankläger Khan wird vom Gang der Dinge nicht überrascht gewesen sein. Denn es gab bereits vor dem Erlass des präsidialen Dekrets einen Gesetzentwurf mit derselben Zielrichtung, und Präsident Trump hatte in seiner ersten Amtszeit bereits Sanktionen gegen Khans Vorgängerin Fatou Bensouda verhängt. Diese hatte der Machtdemonstration der USA ruhig standgehalten. Was weitere Personen angeht, so ist die Anordnung sehr vage gefasst. Der Finanzminister soll binnen 60 Tagen Vorschläge unterbreiten, ob und welche weiteren Personen auf die „schwarze Liste“ gelangen sollten. Staatsangehörige der USA können zwar nicht sanktioniert werden, doch sie dürfen sie keine Vermögenstransaktionen mit sanktionierten Personen durchführen. Kritisch würde es für die Arbeitsfähigkeit des Gerichtshofs dann, wenn der Angriff der USA auf die wirtschaftlichen Grundlagen seines Wirkens durchschlüge.
![Straf- und Völkerrechtler Claus Kreß](https://static.rundschau-online.de/__images/2024/07/23/70d84290-1f5a-4fcf-bd47-8db05ada810f.jpeg?q=75&q=70&rect=0,0,4000,2250&w=2000&h=1334&fm=jpeg&s=335c0172c61b300b89589257ca4e6302)
Straf- und Völkerrechtler Claus Kreß
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Sie selbst waren schon an den Verhandlungen zur Gründung des Gerichtshofs beteiligt. Seit einigen Jahren sind Sie der Sonderberater von Ankläger Khan für das Verbrechen der Aggression. Auch wenn Ihre Aufgabe nicht im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Gaza-Krieg steht, fürchten Sie, dass die US-Maßnahmen auch Sie und Ihre Familie treffen?
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Im schlimmsten Fall dürfte ich für eine Weile nicht in die USA reisen. Das wäre schade, aber es gibt auch andere schöne Reiseziele. Wichtig ist es, dafür Vorsorge zu tragen, dass die Regierung der Vereinigten Staaten es mit der Eskalation nicht so weit treiben kann, dass etwa den Mitarbeitern des Gerichtshofs keine Gehälter mehr ausgezahlt werden können.
Trumps Haltung verstößt gegen Grundprinzipien des Völkerrechts
Geht es Trump überhaupt um einen konkreten Streitpunkt - oder um einen Generalangriff?
Die aktuellen Steine des Anstoßes sind die Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten und den ehemaligen israelischen Verteidigungsminister. Dahinter steht der Rechtsstandpunkt der Vereinigten Staaten, der Internationale Strafgerichtshof dürfe nicht gegen Staatsangehörige von Staaten vorgehen, die wie die Vereinigten Staaten und Israel nicht Parteien von dessen Gründungsvertrag sind. Dieser Einwand geht völkerrechtlich fehl. Überdies widerspricht er den Grundprinzipien des Völkerstrafrechts, denen die USA selbst in den Nürnberger Prozessen gegen deutsche NS-Täter zum Durchbruch verholfen hatten. Auch hinderte der Einwand die Vereinigten Staaten nicht daran, die Ermittlungen von Ankläger Khan gegen Präsident Putin wegen des Verdachts der Kriegsverbrechen im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zu begrüßen, obgleich auch die Russische Föderation nicht Partei des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs ist. Vor diesem Hintergrund rief kein Geringerer als der Verhandlungsführer der Vereinigten Staaten bei der Gründungskonferenz zum Internationalen Strafgerichtshof, Botschafter David Scheffer, seine Regierung im Juli 2023, am 25. Jahrestag der Annahme des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, eindringlich dazu auf, ihre Rechtsauffassung zu revidieren.
Trump verlangt von den US-Verbündeten, darunter ausdrücklich den Nato-Staaten, Unterstützung seiner Sanktionen. Was ist hier zu befürchten? Erpressung von Bündnispartnern?
Präsident Trump lässt in der Tat die US-amerikanischen Muskeln spielen. Ich möchte nicht darüber spekulieren, ob er an dieser Stelle zu einer weiteren Eskalation bereit ist.
Es kommt auf die Entschlossenheit der Vertragsstaaten an
Trump hat es ja schon in seiner ersten Amtszeit mit Sanktionen versucht. Wird er diesmal mehr Erfolg haben?
Es ist gut möglich, dass die Sanktionen in den USA vor Gericht angefochten werden. Man müsste dann sehen, wie das ausginge. Unabhängig davon wird es auf die Entschlossenheit der Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs ankommen, dem Druck nicht zu weichen. Diese Staaten sollten Präsident Trump ebenso ruhig wie glaubhaft signalisieren, dass sie im Fall einer weiteren Eskalation dazu in der Lage und bereit wären, die Wirkung weiterer Sanktionen gegen Bedienstete des Gerichtshofs oder gegen den Gerichtshof in Grenzen zu halten, sofern nötig durch erhöhten eigenen Einsatz. Gegenwärtig haben von den 125 Vertragsstaaten 79, darunter Frankreich, Großbritannien und auch Deutschland, den Angriff auf den Gerichtshof in einer gemeinsamen Stellungnahme entschieden zurückgewiesen. Das ist ein positives Zeichen, aber eigentlich hätten alle 125 ihre Stimme erheben müssen.
Ermittlungen sind ja die eine Sache – aber am gleichen Tag Haftbefehle gegen einen mutmaßlich toten Hamas-Terroristen und zwei israelische Politiker zu verkünden, das war doch ein bewusst gesetztes Signal. Auch im Rückblick das richtige Signal?
Ankläger Khan hatte Haftbefehle gegen drei hochrangige Mitglieder der Hamas beantragt. Israel hat in der Folge jedenfalls zwei von diesen im Kampf getötet. Dass die zuständige Kammer den einen hiernach prozessual noch möglichen Haftbefehl gegen einen Hamas-Führer dann gleichzeitig mit denjenigen gegen die israelischen Beschuldigten erlassen hat, signalisiert nicht, dass die jeweils erhobenen Vorwürfe dasselbe Gewicht haben, und es erlaubt auch nicht den Schluss auf eine übereinstimmend klare Rechtslage. Jedem, der die Signalwirkung anders beurteilt, steht es frei, den Gerichtshof zu kritisieren. Rechtliche Einwände können im Verfahren vorgetragen werden. Schließlich könnte Israel ernsthafte Ermittlungen gegen die beiden israelischen Beschuldigten aufnehmen und die Strafverfahren hierdurch an sich ziehen.
Der Präsident der USA hat sich indessen für ein grundsätzlich anderes Vorgehen entschieden: Er hat den ersten ständigen internationalen Strafgerichtshof der Rechtsgeschichte, dessen Mandat es ist, dem Verdacht auf Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression ohne Ansehen der Person nachzugehen, auf eine Stufe mit einer transnationalen Terrororganisation gestellt. Zum Selbstverständnis der Vereinigten Staaten zählt das Bekenntnis zur Herrschaft des Rechts auch in den internationalen Beziehungen. Ein Ausdruck dessen waren die tatkräftige Geburtshilfe für die internationale Strafjustiz nach dem Zweiten Weltkrieg und der hohe Einsatz für die Wiederbelebung dieser Idee in der ersten Hälfte der 1990er Jahre. Hieran gemessen ist Amerikas Anschlag auf die Weltstrafjustiz eine sehr bedauerliche Entgleisung.