Die Wagenknecht-Partei bekommt in Russland viel Aufmerksamkeit – auch von Alexander Dugin, in dem manche „Putins Vordenker“ sehen.
Großes Echo für „rote Sahra“Putin-Medien und Top-Faschist stürzen sich auf Wagenknecht-Partei
Am Samstag hat das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ seinen Gründungsparteitag abgehalten – und mit manchen Aussagen für Empörung in Deutschland, aber auch für wohlwollendes Interesse in Russland gesorgt. So bedachten die beiden staatlichen russischen Nachrichtenagenturen Tass und Ria Nowosti den Parteitag am Wochenende mit gleich jeweils mehr als vier einzelnen Artikeln.
Besonders im Fokus standen dabei Äußerungen zum russischen Krieg gegen die Ukraine. Wagenknecht, die mit ihrer Partei ohnehin das Ende der Wirtschaftssanktionen gegen Russland fordert, blieb ihrem Kurs auch am Samstag treu – und kritisierte sowohl die Bundesregierung als auch die Ukraine, nicht aber den Kreml.
Russische Staatsagenturen stürzen sich auf Wagenknecht-Rede
So widmeten die russischen Agenturen vor allem zwei Behauptungen Wagenknechts besondere Aufmerksamkeit, passen sie doch gut zu den von Moskau behaupteten Narrativen. „Selbst ukrainische Generäle“ würden nicht mehr an einen Sieg der Ukraine glauben, erzählte Wagenknecht also – und schaffte es mit dieser unbelegten Behauptung prompt in die Schlagzeilen der russischen Agenturen.
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Dasselbe Spiel zeigte sich dann bei der nächsten Behauptung der Parteigründerin. Dass Wagenknecht ihre Rede nicht etwa nutzte, um auf den russischen Faschismus, den Imperialismus oder die unzähligen Kriegsverbrechen Russlands hinzuweisen, sondern sich dafür entschied, das russische Narrativ von „Nazis in der Ukraine“ zu bedienen, sorgte ebenfalls für Freude in Moskau. Auch Kremlchef Wladimir Putin erneuerte am Wochenende schließlich derartige Vorwürfe – und dehnte sie auf das Baltikum aus.
Wagenknecht wirft Bundesregierung wegen Ukraine-Unterstützung „Doppelmoral“ vor
Es sei „Doppelmoral“ und „Heuchelei“ der Bundesregierung, ein Land zu unterstützen, in dem der Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera verehrt werde, erklärte Wagenknecht. Tatsächlich wird Bandera, der für die Ermordung Tausender Juden, Russen und Polen verantwortlich war, vor allem in der Westukraine bis heute als Widerstandskämpfer gegen die Sowjetunion verehrt, während sein Faschismus weitestgehend ignoriert wird. Die eigene Vergangenheit dahingehend aufzuarbeiten, wird zweifelsfrei eine Aufgabe der demokratischen Ukraine sein, falls es dann noch eine demokratische Ukraine gibt.
Zum russischen Faschismus, der sich in der Gegenwart manifestiert, verlor Wagenknecht am Wochenende unterdessen erneut kein einziges Wort. „Eine Partei mit Personenkult, die sowohl die Ukraine als auch Israel im Stich lassen würde, ist moralisch bankrott“, kommentierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Prioritätensetzung beim BSW-Parteitag. Wagenknecht äußere an Putin „keine Kritik“ und fordere „man solle billiges russisches Gas kaufen“, das sei „Populismus pur“, so Lauterbach.
Wagenknecht leistet Schützenhilfe für russische Narrative
In Moskau nahm man Wagenknechts Worte über Bandera unterdessen mit Wohlwollen auf. Nahezu täglich sprechen russische Politiker und Propagandisten von einem „Nazi-Regime“, das in Kiew an der Macht sei und versuchen so ihren völkerrechtswidrigen Angriffskrieg als antifaschistischen Kampf in der Tradition der Sowjetunion zu verkleiden.
Dass dieses Narrativ mit der Realität wenig zu tun hat, beweist unterdessen in den letzten Wochen erneut Alexander Dugin. Während russische Politiker versichern, Russland werde seine Ziele in der Ukraine nicht aufgeben, gibt der faschistische russische Politikwissenschaftler Dugin, dessen Tochter bei einem Attentat getötet wurde, bereits die weitere Richtung vor. Und dabei setzt Dugin offenbar auch auf das Bündnis Sahra Wagenknecht und die AfD.
Alexander Dugin: „Putins Dämon“ setzt auf Wagenknecht und die AfD
Die Welt stehe am Rande eines „globalen Krieges“, erklärte Dugin kürzlich in seinem Telegram-Kanal und in einem Gastbeitrag für Ria. Für die einen gilt Dugin als Ideengeber des Kremls und „dämonisches Aushängeschild von Wladimir Putin“, wie die „Neue Zürcher Zeitung“ einst über den „gefährlichsten Philosophen der Welt“ geschrieben hat. Von anderen wird Dugins direkter Einfluss auf den Kreml derweil in Zweifel gezogen. Dennoch entspricht die russische Politik spätestens seit 2014 zentralen Forderungen des Faschisten, der schon lange die Auslöschung der Ukraine fordert.
„Die Europäische Union befindet sich im Niedergang“, erklärte Dugin kürzlich. Die „Rote Sahra“ sei nun das Symbol einer „illiberalen Linken“ in Europa, die „Feinde des globalen Kapitals“ seien und keine „Pseudolinken“, die sich für LGBTQI-Rechte, „unkontrollierte Migration“ und gegen den „russischen Einfluss“ einsetzten. Da in Deutschland gleichzeitig die AfD an Stärke gewinne, stehe dem Westen „dieses Jahr eine Revolution“ bevor, unkte Dugin weiter.
„Das Imperium ist die Zukunft, die auf den russischen Sieg folgen wird“
In einem späteren Interview wurde der russische Scharfmacher noch deutlicher: „Das Imperium ist die Zukunft, die auf den russischen Sieg in der Ukraine folgen wird“, stellte Dugin klar. Es sei eine „historische Pflicht“, die „Einheit unseres Reiches“ wiederherzustellen, führte er aus.
„So sieht der rot-braune revolutionäre ‚Traum‘ des Faschisten Dugin für Europa 2024 aus“, kommentierte die Literaturwissenschaftlerin und Osteuropa-Expertin Annette Werberger Dugins Worte. „Man kann sich nicht aussuchen, wer einen zitiert, aber aus seiner russischen Sicht passt alles zusammen“, fügte sie an.
Sahra Wagenknecht spricht konsequent nicht über Putins Pläne
Dass Russland seine Kriegsziele nicht aufgeben und Dugin mit seinen Prognosen wie in den letzten Jahren recht behalten könnte, machte unterdessen in der letzten Woche erneut der russische Außenminister Sergej Lawrow deutlich. Ob militärisch oder am Verhandlungstisch, Russland werde die eroberten Gebiete in der Ukraine nicht aufgeben und die Ziele der „Spezialoperation“ erreichen, wie der Krieg in Russland bezeichnet wird.
Darüber sprach beim Gründungsparteitag von Sahra Wagenknecht am Samstag allerdings niemand. Auch dass Moskau seine unverhohlen faschistischen Pläne in der Ukraine jeden Tag weiter vorantreibt, fand wie bereits in so oft in der Vergangenheit keinerlei Erwähnung.
Während Wagenknecht über Bandera-Verehrung und ukrainische Generäle sprach, verkündete der Besatzungsgouverneur der ukrainischen Region Saporischschja am Samstag, dass die ukrainische Sprache in der Region nun keinen offiziellen Status mehr besitze – und diesen auch niemals zurückerlangen werde. Auch dazu gab es von Wagenknecht bisher keinen Kommentar.