Die Europäische Union erhebt zusätzliche Aufschläge für die Einfuhr von Elektro-Fahrzeugen aus China. Die ohnehin gebeutelten deutschen Autobauer befürchten nun Gegenmaßnahmen durch Peking.
Rundschau-Debatte des TagesNeue Zölle auf chinesische E-Autos – ein Fehler?
Trotz Widerstands aus Deutschland sind die EU-Zusatzzölle auf die Einfuhr von Elektroautos von China in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag in Kraft getreten. Die Extra-Abgaben sollen für fünf Jahre gelten. Die EU-Kommission hatte am Dienstag eine entsprechende Verordnung beschlossen. Zuvor hatte Anfang des Monats eine ausreichend große Mehrheit der EU-Staaten für die Strafzölle gestimmt. Deutschland votierte aus Sorge vor einem neuen großen Handelskonflikt dagegen.
Warum werden zusätzliche Zölle auf chinesische E-Autos erhoben?
Aus Sicht der Europäischen Kommission sind die Ausgleichszölle notwendig, um langfristig die Zukunft der Autoindustrie in der EU zu sichern. Sie sagt, dass chinesische Hersteller von unfairen Subventionen profitieren, die ihnen einen erheblichen Vorteil auf dem europäischen Markt verschaffen.
Chinesische Elektroautos könnten deshalb normalerweise rund 20 Prozent günstiger angeboten werden als in der EU hergestellte Modelle, heißt es in einer Untersuchung, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen voriges Jahr eingeleitet hatte. Dadurch drohten bei europäischen Herstellern Werksschließungen und Arbeitsplatzverluste. Bereits im Juli hatte die Kommission deswegen vorläufige Ausgleichszölle eingeführt.
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Der für Außenhandel zuständige Vize-Kommissionschef Valdis Dombrovskis bezeichnete die EU-Maßnahmen als „verhältnismäßig und gezielt“. Sie seien nach einer sorgfältigen Prüfung erlassen worden und daher konform mit den Richtlinien der Welthandelsorganisation (WTO). „Wir begrüßen den Wettbewerb, auch im Bereich der Elektrofahrzeuge, aber er muss durch Fairness und gleiche Wettbewerbsbedingungen untermauert werden“, sagte er.
Wie hoch sind die Zölle, die die EU jetzt erhebt?
Für Elektroautos des chinesischen Herstellers BYD gilt in der EU künftig eine Extra-Abgabe in Höhe von 17,0 Prozent, wie aus der Brüsseler Verordnung hervorgeht. Für Elektrofahrzeuge des Produzenten Geely sind demnach 18,8 Prozent fällig. Der Höchstsatz beträgt 35,3 Prozent. Er trifft unter anderem den Hersteller SAIC. Die unternehmensspezifischen Zollsätze wurden der EU-Kommission zufolge auf Grundlage der von ihr durchgeführten Untersuchung festgesetzt und sollen die individuelle Lage der Firmen spiegeln. Die Zölle kommen auf einen bereits bestehenden Zollsatz von zehn Prozent hinzu.
Welche Folgen gibt es für Autobauer, die in China produzieren?
Die neuen EU-Zusatzzölle treffen auch internationale Hersteller. Sie richten sich nämlich nicht speziell gegen E-Autos chinesischer Marken, sondern gegen alle in China produzierten Fahrzeuge. Deutsche Firmen wie VW, Mercedes und BMW stellen dort nicht nur Wagen speziell für den chinesischen Markt her, sondern auch für den Export. Sie und ihre chinesischen Joint-Venture-Partner müssen nun einen Zollaufschlag von 20,7 Prozent bezahlen, wenn sie E-Autos aus China in die EU exportieren. Der US-Hersteller Tesla handelte in Brüssel den niedrigsten Zollsatz von 7,8 Prozent aus. Betroffen sind jeweils ganze Fahrzeuge, nicht Einzelteile wie Batterien. Die Hersteller befürworten die Zölle deshalb nicht und fürchten ihrerseits Gegenmaßnahmen Chinas.
Was wird in Deutschland als Folge dieser Entscheidung befürchtet?
Für die deutsche Industrie ist der Handelsstreit ein großes Thema, weil China weiterhin der größte Fahrzeugmarkt der Welt ist. Nicht nur die Autohersteller selbst, sondern auch die zahlreichen Zulieferer fürchten nun um einen ihrer wichtigsten Absatzmärkte – und das zu einer Zeit, in der viele von ihnen ohnehin in einer tiefgreifenden Krise stecken.
Der Verband der Automobilindustrie mahnte, durch die Zölle wachse nicht nur das Risiko eines beiderseitigen Handelskonflikts weiter an, sondern die Fahrzeuge würden sich auch für die Verbraucher verteuern. Außerdem werde der Ausbau der Elektromobilität und damit das Erreichen der Klimaziele in einer „besonders kritischen Phase“ ausgebremst. Auch der ADAC befürchtete Gegenreaktionen aus China mit negativen Folgen für Verbraucher. „Für den Hochlauf der Elektromobilität ist eine große Angebotsvielfalt auf dem Automobilmarkt, unabhängig von der Herkunft, wichtig. Strafzölle könnten dagegen dafür sorgen, dass einige Modelle vom Markt verschwinden“, sagte eine Sprecherin.
Ob die chinesischen Hersteller die Zusatzzölle tatsächlich an die Verbraucher weitergeben, ist bisher allerdings unklar. Manche Experten verweisen auf die relativ hohen Gewinnmargen in Europa.
Welche Haltung nimmt die Bundesregierung in der Zollfrage ein?
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich gegen die Zollaufschläge ausgesprochen und vor wirtschaftlichen Schäden in Europa gewarnt. In der EU-Kommission heißt es aber, diese Position sei vor allem von Top-Managern der Autobauer geprägt. Sie wollten vor allem kurz- und mittelfristig gute Zahlen erreichen und hätten nicht so sehr das langfristige Überleben der Autoindustrie im Blick.
Länder wie Ungarn oder die Slowakei sprechen sich ebenso wie Deutschland gegen die neuen Zölle aus. Sie wurden allerdings Anfang Oktober bei einem Votum der Mitgliedsländer in Brüssel überstimmt. Insbesondere Frankreich und Italien, deren Autobauer weniger in China vertreten sind, stehen hinter der härteren Gangart der EU-Kommission.
Welche Konsequenzen drohen den Europäern nun aus China?
Die Regierung in Peking reagierte erbost auf das Inkrafttreten der Zusatzzölle und reichte eine Beschwerde bei der WTO ein. Man werde „alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die legitimen Rechte und Interessen der chinesischen Unternehmen zu schützen“, erklärte das Handelsministerium. In der Vergangenheit hatte China vor allem mit höheren Zöllen bei der Einfuhr von Verbrennern mit großem Hubraum aus der EU gedroht. Davon wären besonders deutsche Autobauer betroffen.
Als mögliche Vergeltungsmaßnahmen begann China zudem Zusatzabgaben auf den Import von Schweinefleisch und Milchprodukten zu prüfen. Eine Untersuchung gegen Branntwein, die hauptsächlich französische Hersteller trifft, führte bereits zu vorläufigen Maßnahmen. Firmen, die diesen importieren, müssen eine Kaution von bis zu 39 Prozent des Warenwerts beim chinesischen Zoll hinterlegen.
Gibt es noch Hoffnung auf eine einvernehmliche Lösung?
Auf technischer Ebene liefen die Verhandlungen auch nach der Entscheidung für die Ausgleichsabgaben weiter, hieß es aus Brüssel. Zuletzt gab es demnach noch „erhebliche“ Meinungsunterschiede mit Peking, denn China bestreitet illegale Subventionen. Dennoch will die EU-Kommission die Gespräche fortsetzen. Bei einem Erfolg könnte die EU die Zollaufschläge wieder aussetzen. Als eine Lösungsoption wird gesehen, dass E-Auto-Händler Preisverpflichtungen eingehen. (dpa/mit afp)