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Rundschau-Debatte des TagesKommt in Deutschland die Impfpflicht fürs Büro?

Lesezeit 4 Minuten

Wer zurück an seinen Büroarbeitsplatz möchte, braucht bei manchen US-Firmen bald eine Impfung.

  1. Die Internetkonzerne Google und Facebook schreiben in den USA künftig eine Corona-Impfung für alle vor, die aus dem Homeoffice zurückkehren.
  2. Vergleichbare Regeln in Deutschland sind rechtlich schwierig. Ein Blick auf die Lage

Köln – Die Mitarbeiter der Internetriesen Google und Facebook in den USA müssen sich vor einer Rückkehr in die Büros gegen das Coronavirus impfen lassen. Das teilten die Unternehmen unabhängig voneinander mit. Google-Chef Sundar Pichai erklärte, die Regelung betreffe zunächst die USA, werde in den kommenden Monaten aber auch für andere Regionen gelten, sobald dort Impfungen weithin verfügbar seien.

Wäre so etwas auch bei deutschen Unternehmen denkbar? Hierzulande darf der Arbeitgeber eine Impfung nur verlangen, wenn sie gesetzlich für bestimmte Gruppen vorgeschrieben ist, wie etwa die Masern-Impfpflicht für Menschen in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen. Da es für die Corona-Schutzimpfung bislang keine Verpflichtungen gibt, kann auch kein Arbeitgeber eine solche Immunisierung verlangen und hat in der Regel auch kein Recht darauf, den Impfstatus zu erfahren.

Die Arbeitgeber

„Ob eine Impfpflicht der richtige Weg sein kann, ist eine politische und rechtliche Frage, die von Politik und Gerichten entschieden werden muss“, sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), im Gespräch mit unserer Redaktion. „Einzelne Unternehmen können nach heutigem rechtlichen Stand in Deutschland grundsätzlich keine Impfpflicht für ihre Beschäftigten vorgeben.“

Gleichwohl seien Impfungen aus Sicht des Handels der am meisten Erfolg versprechende Weg aus der Pandemie. Der Verband und die Handelsunternehmen arbeiteten daran, möglichst viele Bürger von einer Impfung zu überzeugen. Als Beispiele nannte Genth das Impfen durch Betriebsärzte, aber auch Impfaktionen auf Parkplätzen. Man habe auch einen Impfappell gestartet und entsprechende Plakate für die Händler zur Verfügung gestellt.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) erklärte, sie setze auf die Vernunft der Beschäftigten hierzulande. „Gemeinsam mit den Gewerkschaften haben wir deshalb auch an Beschäftigte appelliert, die Impfangebote weiter anzunehmen und so zu einer hohen Durchimpfungsrate beizutragen“, heißt es auf Nachfrage. „Es ist auch gut und richtig, Anreize für das Impfen zu setzen. Hier kann man auch an unkonventionellere Maßnahmen denken, um genau die Menschen zu erreichen, die sich bisher noch nicht impfen lassen wollten.“ Die Hauptsache sei, dass sich so viele Menschen wie möglich impfen ließen.

Die Arbeitnehmer

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erinnert daran, dass Impfen grundsätzlich Privatsache sei. Vorstandsmitglied Anja Piel sagte unserer Redaktion: „Der Gesetzgeber hat in Deutschland keine Impfpflicht gegen Sars-Cov-2 vorgesehen. Das können Arbeitgeber in Deutschland nicht ignorieren.“ Unabhängig davon gebe es in der Corona-Krise keinen Anlass zur Entwarnung. Der DGB ermuntere daher alle Beschäftigten, „die Impfangebote anzunehmen und so ihren Teil zu einer hohen Durchimpfungsrate und einem höheren Schutz beizutragen“.

Die Lage in den USA

Die Impfkampagne in den USA tritt inzwischen auf der Stelle – und das trotz einer Fülle an Impfstoffen und vielen Impfanreizen. Daher haben inzwischen bereits die Bundesstaaten New York und Kalifornien sowie mehrere Städte eine Impfpflicht für Angestellte angekündigt. Auch die Bundesregierung prüft nach Aussage von Präsident Joe Biden für ihre gut zwei Millionen Angestellten eine Impfpflicht. Der offenbar erwogenen Regelung zufolge werden jene, die sich nicht impfen lassen wollen, sich regelmäßigen Corona-Tests unterziehen müssen. Der Idee einer landesweiten Impfpflicht hat Biden jedoch eine klare Absage erteilt.

In den USA sind bislang erst gut 49 Prozent der Bevölkerung von rund 330 Millionen Menschen vollständig geimpft. Zuletzt stieg die Zahl der täglichen Corona-Neuinfektionen wegen der besonders ansteckenden Delta-Variante im Schnitt wieder auf rund 60000 an. (dpa)

„Wir lehnen eine Impfpflicht ab, auch für bestimmte Berufsgruppen“, erklärte Grit Genster, Leiterin des Bereichs Gesundheitspolitik bei Verdi. Stattdessen müsse gut informiert werden und es müssten „niederschwellige Angebote gemacht werden“. Die Impfquote im Gesundheitswesen und in Kitas sei bereits überdurchschnittlich hoch, so Genster. „Eine Impfpflicht wäre ein massiver Eingriff in die Grundrechte, der nicht verhältnismäßig und nicht zu rechtfertigen wäre“, fuhr sie fort. „Das kann und darf nicht die Lösung sein.“

Google und Facebook

Auf die Frage, inwieweit bei Google in Deutschland eine Rückkehr ins Büro nur für Geimpfte ins Auge gefasst wird, bleibt man auf Nachfrage vage und verweist auf den Beitrag von Konzern-Boss Pichai. Bei Facebook in Deutschland stellt sich die Frage nach einer Impfung für Mitarbeiter, die im Büro arbeiten, aktuell nicht. Die Büros in Hamburg und Berlin seien bereits seit März 2020 geschlossen und würden dies bis auf Weiteres auch bleiben, heißt es seitens des Unternehmens auf Anfrage.

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Infolge des jüngsten Anstiegs der Corona-Neuinfektionen in den USA wegen der Delta-Variante verschiebt Google dort die geplante größere Rückkehr in die Büros bis 18. Oktober. Apple hatte die Rückkehr in die Büros bereits vergangene Woche ebenfalls um zunächst einen Monat verschoben, nun bis Oktober. Das Unternehmen kündigte aber bislang keine Impfpflicht an.

Bei Facebook erklärte Personalchefin Lori Goler, die Umsetzung der Impfpflicht für Mitarbeiter in den US-Büros werde von „örtlichen Bedingungen und Vorschriften“ abhängen. Das Unternehmen plant, seine Büros im September mit einer Kapazität von 50 Prozent wieder zu öffnen. Ab Oktober soll wieder offiziell aus dem Büro gearbeitet werden.

Nach Angaben der US-Bundesbehörde EEOC können Arbeitgeber dort von ihren Mitarbeitern den Nachweis einer Impfung gegen Covid-19 verlangen. Ausnahmen bilden medizinische oder religiöse Gründe. (mit afp/dpa)