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NRW-CheckVor was sich die Menschen in NRW am meisten fürchten

Lesezeit 6 Minuten
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Ungepflegte, schlecht beleuchtete Ecken sind den Bürgern ein Graus. 

Köln – Eine dunkle Gasse am späten Abend. Auf dem Boden liegen leere Flaschen und kaputte Plastiktüten. Die Straßenlaterne funktioniert nicht. Von irgendwoher sind Stimmen zu hören. Die Rollladen am Kiosk sind runtergelassen. Wer hier durch muss, fühlt sich in den allermeisten Fällen nicht besonders sicher. Zumindest, wenn es nach den Ergebnissen des NRW Checks, einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Forsa, geht. Das hat, im Auftrag von 39 nordrhein-westfälischen Tageszeitungen nun zum dritten Mal wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürgern zur Stimmung im Land zwei Monate vor der Landtagswahl befragt. Ein Teil der Umfrage bezog sich auf das Thema der inneren Sicherheit in NRW. Dabei ging es unter anderem darum, wann die Menschen sich in ihrer Umgebung besonders sicher fühlen. Die Teilnehmenden wurden aber auch gefragt, vor welchen Straftaten sie sich besonders fürchten und, ob sie glauben, dass die Kriminalität in NRW zu- oder abgenommen hat.

Verschiedene Bedrohungen

Für insgesamt neun Bedrohungen sollten die Befragten ihre Einschätzung abgeben, ob diese sich bedrohlich oder sehr bedrohlich für die Menschen in Deutschland auswirken könnten. Eine Mehrheit von 88 Prozent gab an, dass sie Preissteigerungen und Inflation für bedrohlich hält. Direkt gefolgt von Verrohung und Gewalt in der Gesellschaft, die 84 Prozent als bedrohlich ansahen. Darunter vor allem Menschen, die älter als 60 sind – 91 Prozent von ihnen fühlten sich durch diesen Umstand bedroht. 81 Prozent der Teilnehmenden sahen in Sozialer Ungleichheit eine Bedrohung, 79 Prozent im Klimawandel, 68 Prozent in Kriminalität allgemein, 63 Prozent in der wirtschaftlichen Lage, 53 Prozent durch Terroranschläge und 48 Prozent durch Arbeitslosigkeit. Die wenigsten Befragten sahen im Zuzug von Ausländern und Flüchtlingen eine Bedrohung (34 Prozent).

Sorge vor Kriminalität

Vor allem Datenmissbrauch und Betrug im Internet machen den Menschen in NRW Sorgen. (Siehe Grafik.) Vor Gewalttätigkeit und Körperverletzung sorgten sich außerdem 45 Prozent der Teilnehmer. Dabei wurde deutlich, dass Frauen (50 Prozent) sich häufiger als Männer (39 Prozent) fürchten, Opfer von Gewalt oder Körperverletzung zu sein. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Frage nach der Angst vor einem Wohnungseinbruch: 49 Prozent der Frauen gaben an, sich davor zu fürchten, 35 Prozent der Männer. Überhaupt gaben Frauen bei den meisten Kriminalitätsformen öfter an besorgt zu sein als die Männer. Gleich viel Angst haben beide Geschlechter vor Vandalismus – jeweils 39 Prozent. Etwas mehr fürchten sich außerdem die Männer (42 Prozent) vor Betrügerei als die Frauen (41 Prozent).

Die zunehmende Internet-Kriminalität sahen außerdem 86 Prozent der Befragten als bedrohlich an; 11 Prozent sahen darin kein Problem.

Sicherheit am Wohnort

Eine große Mehrheit von 76 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürger gab an, dass sie sich an ihrem Wohnort sicher oder sehr sicher fühlt. 20 Prozent sagten, dass sie sich wenig oder gar nicht sicher fühlen. Dabei zeigen sich Unterschiede vor allem bei der Einwohnerzahl des Wohnortes. Bei Städten und Gemeinden mit weniger als 20 000 Einwohnern gaben 88 Prozent an, sich sicher zu fühlen. Nicht sicher fühlten sich hier acht Prozent. Anders in Städten mit 500 000 und mehr Einwohnern: Hier fühlen sich 32 Prozent der Befragten unsicher; 65 Prozent fühlen sich sicher.

Unterschiede gab es auch je nach politischer Gesinnung der Befragten. So fühlten sich 90 Prozent der Anhänger der Grünen an ihrem Wohnort sicher; neun Prozent gaben an, sich unsicher zu fühlen. Bei der AfD hingegen zeigt sich ein gemischtes Bild: 55 Prozent sagten, sie fühlen sich unsicher; 45 gaben an, sich sicher zu fühlen. Im Forsa-Bericht sieht man darin einen Hinweis, „dass das subjektive Sicherheitsempfinden (ähnlich wie etwa die Angst vor Zuwanderung) nicht nur von objektiven Gegebenheiten, sondern auch von der persönlichen ideologischen Einstellung abhängt.“

Um sich in der Öffentlichkeit sicher zu fühlen, konnten die Teilnehmenden angeben, welche Aspekte für sie ausschlaggebend sind. Besonders wichtig war hierbei etwa eine ausreichende Beleuchtung und ein gepflegter Eindruck der Stadt oder Gemeinde. (Siehe Grafik.)

Kriminalitätsentwicklung

Auf die Frage, wie sich die Kriminalität in NRW in den letzten Jahren entwickelt hat, sagten 43 Prozent der Umfrage-Teilnehmer, sie habe zugenommen. 17 Prozent gaben an, sie habe abgenommen und 34 Prozent fanden, sie sei unverändert. Diese Angaben spiegeln sich wieder bei der Frage nach der Entwicklung des Sicherheitsgefühls. 48 Prozent sagten, sie fühlen sich heute weniger sicher als vor einigen Jahren. 44 Prozent fühlten sich genau so sicher und sechs Prozent gaben an, sich noch sicherer zu fühlen. Auch eine Altersfrage, so scheint es, denn 49 Prozent der Befragten zwischen 18 und 29 gaben an, sich genauso sicher zu fühlen. Bei den Menschen über 60 waren es vierzig Prozent. In dieser Gruppe gaben wiederum 54 Prozent an, sich heute weniger sicher zu fühlen; bei den 18 bis 29-Jährigen 40 Prozent.

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Auf die Frage, ob die Landesregierung genug tue, um die Kriminalität zu bekämpfen, antworteten 67 Prozent mit Nein und 21 Prozent mit Ja. Auf die Frage, wo in NRW mehr für die Sicherheit getan werden könnte, sagt Thomas Kutschaty, Spitzenkandidat der SPD: „Oft ist in Nordrhein-Westfalen heute weniger Polizei auf den Straßen als vor fünf Jahren – wir brauchen eine Aufstockung des Personals.“ Die Präventionsprogramme zur Bekämpfung von Jugendkriminalität müssten außerdem ausgebaut werden.

Drei Fragen an Innenminister Reul

Die Zahl der Straftaten in NRW ist auf dem niedrigsten Stand seit 1985, mit 53,6 Prozent gibt es die zweitbeste Aufklärungsquote aller Zeiten und dennoch sorgen sich immer mehr Menschen um ihre Sicherheit. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Einerseits gibt es die Faktenlage, andererseits das Empfinden und die Emotionalität. Die Leute sehen, dass die Aufklärungsrate bei Einbruch und Taschendiebstahl hoch ist, Täter aber beispielsweise im Internet nur schwer fassbar sind. Zudem glaube ich, dass das Umfrageergebnis auch durch den Krieg in der Ukraine beeinflusst ist.

86 Prozent der Befragten befürchten Opfer von Internetkriminellen zu werden. Ist die Sorge berechtigt und wie kann man sich schützen?

In der Tathaben Betrugsdelikte im Internet um 28 Prozent zugenommen. Die Dunkelziffer dürfte weit höher sein, weil viele Betrugsversuche nicht zur Anzeige gebracht werden. Die Corona-Pandemie hat da wie ein Beschleuniger gewirkt, weil seither viel mehr Menschen das Internet nutzen, zum Einkaufen oder zum Arbeiten aus dem Homeoffice heraus. Das zieht auch Kriminelle an, wenn es im Internet mehr Beute gibt.

Aber so wie Sie Ihre Haustür und Ihre Fenster gegen Wohnungseinbruch wappnen können, können Sie auch Ihren Internetzugang sicherer machen und Kriminellen den Zugang erschweren. Polizei und Verbraucherberatung haben dazu Empfehlungen entwickelt, sei es zu Fakeshops oder zu Passwörtern. Ich bin allerdings auch davon überzeugt, dass sich die Polizei in dieser Hinsicht neu aufstellen muss. Es neben der analogen, auch eine digitale und internationale Polizei geben muss.

51 Prozent der Befragten sind mit Ihrer persönlichen Arbeitzufrieden, aber 67 Prozent meinen, die Landesregierung tut zu wenig für die innere Sicherheit. Was sagen Sie dazu?

Darauf habe ich keine Antwort.