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LiveblogKeine Pflichtverletzung von Woelki – Ex-Kardinal Meisner schwer belastet

Lesezeit 6 Minuten
Woelki bei Gutachten Präsentation

Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln, nimmt an der Pressekonferenz zur Vorstellung eines Gutachtens zum Umgang des Erzbistums Köln mit sexuellem Missbrauch teil. 

Kirchenrechtler Schüller zum Gutachten

15 Uhr: Der in Münster lehrende Kirchenrechtler Thomas Schüller hält das Gercke-Gutachten nach erster Lektüre für „grundsolide“. Es argumentiere auch kirchenrechtlich sehr plausibel und gut nachvollziehbar, also: „Keine Kritik“ – so Schüller gegenüber der Rundschau. Deutlich anderer Auffassung als die Kölner Gutachter ist er allerdings im Fall des verstorbenen Düsseldorfer Pfarrers Johannes O., den Woelki 2015 nicht nach Rom meldete, weil der schwerkranke Geistliche nicht mehr vernehmungsfähig war. Die Meldepflicht gelte ohne Ausnahme, so Schüller. Darin sei er sich mit zahlreichen anderen deutschen Kirchenrechtlern einig, und das werde auch im nicht veröffentlichten Münchner Gutachten der Kanzlei Westphal Spilker Wastl falsch bewertet. Die Entlastung Woelkis hält er für eine „politische“ Bewertung, allerdings sei auch klar, dass im Fall O. tatsächlich nichts mehr auszurichten gewesen wäre. „Das ist sicher kein Fall, in dem ein Erzbischof seinen Hut nehmen müsste.“

Kölner Weihbischof Schwaderlapp bietet dem Papst Rücktritt an

13.00 Uhr: Als Konsequenz aus dem Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsvorwürfen im Erzbistum Köln hat Weihbischof Dominikus Schwaderlapp dem Papst seinen Amtsverzicht angeboten. Das teilte der Geistliche am Donnerstag in einer Stellungnahme in Köln mit, kurz nach der Vorstellung des Gutachtens. „Ich bitte Papst Franziskus um sein Urteil“, schrieb er darin. „Ich kann nicht Richter in eigener Sache sein.“ Bereits zuvor habe er seinen Vorgesetzten, den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, über diesen Schritt informiert und ihn gebeten, ihn bis zu einer Entscheidung aus Rom von seinen bischöflichen Aufgaben freizustellen. Eben das hatte Woelki unmittelbar nach der Präsentation des Gutachtens getan.

Schwaderlapp zeigte sich schuldbewusst. Es beschäme ihn, „zu wenig beachtet zu haben, wie verletzte Menschen empfinden, was sie brauchen und wie ihnen die Kirche begegnen muss“. Als Bischof, Priester und Mensch erkenne er seine Fehler an. „Die Menschen, denen ich nicht gerecht wurde, bitte ich an dieser Stelle aufrichtig um Verzeihung, auch wenn ich weiß, dass Geschehenes nicht ungeschehen gemacht werden kann.“

Missbrauchsgutachten zum Download

Proteste vor dem Kölner Dom

Wie schon am Vortag haben Menschen vor dem Kölner Dom gegen den Missbrauch und die Vertuschung in der katholischen Kirche demonstriert. Im Mittelpunkt stand dabei die Plastik des Künstlers Jacques Tilly mit dem Slogan "11 Jahre schonungslose Aufarbeitung der Missbrauchsfälle!", die einen schlafenden Bischof zeigt.

Protest vor dem Kölner Dom

Woelki entbindet zwei Mitarbeiter von ihren Pflichten

12.45 Uhr: Nach der Vorstellung eines Missbrauchsgutachtens für das Erzbistum Köln hat Kardinal Rainer Maria Woelki zwei Mitarbeiter vorläufig von ihren Dienstpflichten entbunden. „Daher möchte ich auch aus der Situation der Stunde heraus und auch auf der Grundlage dessen, was ich hier gerade gehört habe, die gerade Genannten, Weihbischof Schwaderlapp und Herrn Offizial Assenmacher, mit sofortiger Wirkung vorläufig von ihren Aufgaben entbinden“, sagte Woelki am Donnerstag in Köln.

Dominikus Schwaderlapp war früher Generalvikar des Erzbistums und ist heute Weihbischof. Günter Assenmacher ist als Offizial unter anderem für kirchengerichtliche Angelegenheiten zuständig. Woelkis Entscheidung war eine Reaktion auf das Gutachten des Strafrechtlers Björn Gercke.

Vorstellung des Gutachtens beendet

Die Vorstellung des Gutachtens ist nun beendet. Ab 13 Uhr kann das rund 900 Seiten starke Gutachten auf der Internetseite des Erzbistums Köln eingesehen werden.

Gercke gibt Handlungsempfehlungen

11.05 Uhr: Strukturelle Defizite müssten dringend beseitigt werden, eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen sei notwendig. Die Rechtsanwendung müsse vereinheitlicht werden und die Interventionsstelle gestärkt. Gercke kritisierte deutlich: Es habe selbst die Nummerierung der Seiten gefehlt. Dadurch sei teilweise nicht erkennbar gewesen, ob Seiten entwendet wurden.

System der Vertuschung

11.00 Uhr: Rechtsanwalt Gercke ergreift das Wort: Im Erzbistum Köln habe es immer wieder Bestrebungen gegeben, Fälle nicht öffentlich werden zu lassen. Gercke zitiert dabei aus den Akten: „Nicht an die große Glocke hängen.“ Ein System an dem viele beteiligt gewesen seien, auch außerhalb des Erzbistums Köln.

Kein Schuldbewusstsein bei Verantwortlichen

10.45 Uhr: Rechtsanwältin Stirner findet deutliche Worte: „Den Verantwortlichen fehlte das Bewusstsein“. Aus weltlicher Sicht kaum vorstellbar: Es seine keine Normen bekannt gewesen. Die zahlreich gemeldeten Fällen ab 2010 hätten Überforderung ausgelöst. Die Verantwortlichen waren auf die Problematik nicht vorbereitet. Es fehlte an Kontrollmechanismen. Es gab immer nur die Täterperspektive. Verstöße wurden als Verletzung der Pflicht bewertet.

Keine Pflichtverletzung von Woelki – 24 für Meisner

10.40 Uhr: Rechtsanwalt Björn Gercke ergreift nun erneut das Wort. Er berichtet, das in 24 beanstandeten Akten 75 Pflichtverletzungen von 8 Personen festgestellt worden seien. Das auf Grundlage der Aktenlage, über deren Qualität er sich ja schon geäußert habe. Auf Meisner gehen 24 Pflichtverletzungen zurück, der weitaus größte Teil. Für Kardinal Woelki liegen indessen keine Pflichtverletzungen vor. Die Gutachter haben 13 Pflichtverletzungen bei dem ehemaligen Generalvikar Nobert Feldhoff festgestellt, auf den ehemaligen Generalvikar Schwaderlapp kommen 8 Pflichtverletzungen. Dem heutigen Hamburger Bischof und damaligen Kölner Generalvikar Heße werden 11 Pflichtverletzungen zugeordnet.

Rechtsanwältin spricht von chaotischen Zuständen

10.40 Uhr: Kerstin Stirner, Fachanwältin für Strafrecht hat nun das Wort und berichtet von einem „Bild von Chaos, gefühlter Unzuständigkeit und Missverständnissen“, das sich bei den Untersuchungen gezeigt habe.

Kerstin Stirner (1)

Die Rechtsanwältin Kerstin Stirner

Von 236 untersuchten Akten wurden in 24 klare Rechtsverletzungen festgestellt werden. In 104 Akten war keine sichere Einordnung möglich, 108 Vorgänge waren nach Aktenlage nicht zu beanstanden. Die Unterlagen wurden inzwischen an die Staatsanwaltschaft übergeben. Beschuldigte Weihbischöfe werden in dem Gutachten nicht mit Namen benannt.

314 Opfer und 213 Beschuldigte – Meisner führte Akte unter dem Stichwort „Brüder im Nebel“

10.30 Uhr: Gutachter und Rechtsanwalt Björn Gercke beginnt mit der Präsentation: „Wir haben erhebliche Mängel beim Bestand und bei der Führung der Akten festgestellt.“ Kardinal Meisner soll laut Gercke einen eigenen Bestand unter dem Titel „Brüder im Nebel“ geführt haben.

Björn Gercke

Strafrechtler Björn Gercke

Zweimal habe es im Untersuchungszeitraum eine größere Aktenvernichtung gegeben, laut Gercke geschah dies im Einklang mit dem kanonischen Recht. Gercke spricht von insgesamt 213 Beschuldigten und 314 Opfern. Mehr als die Hälfte der Missbrauchten waren jünger als 14 Jahre. 56 % der Missbräuche fanden dabei laut Gercke in Betreuungsverhältnissen statt. Jahrzehntelang habe sich niemand getraut, die Fälle überhaupt zu melden. Erst seit Beginn der öffentlichen Debatte im Jahr 2010 wurde der Großteil der Fälle gemeldet. Viele der Beschuldigten seien inzwischen längst verstorben.

Großes Interesse vor Ort

10.00 Uhr: Das Interesse an der Veröffentlichung des Gutachtens zum Thema Missbrauch ist groß. Rund 120 Journalisten sind zugeschaltet, rund 20 sind vor Ort. Die Plätze im Maternushaus waren streng limitiert aufgrund von Corona-Schutzmaßnahmen.

Kölner Rechtsgutachten bereits an Staatsanwaltschaft übergeben

Der Strafrechtler Björn Gercke hat das Rechtsgutachten zur Verantwortung von Bischöfen, Generalvikaren und weiteren Führungskräften im Missbrauchsskandal im Kölner Erzbistum der Kölner Staatsanwaltschaft übergeben. Er habe das Gutachten noch vor der für den heutigen Donnerstag angekündigten Veröffentlichung weitergeleitet, sagte Gercke am Montagabend in der WDR-Lokalzeit aus Köln. Es habe schon während der Untersuchungsphase in den vergangenen Monaten einen stetigen Austausch mit der Strafverfolgungsbehörde gegeben.

Pressekonferenz auch live im Internet

Nach monatelangem Streit präsentieren Juristen am Donnerstag ein Missbrauchsgutachten für das Erzbistum Köln. Das Team um den Kölner Strafrechtler Björn Gercke hat den Umgang der Bistumsspitze mit Fällen sexualisierter Gewalt untersucht und soll Vertuscher unter den Verantwortlichen beim Namen nennen. Unsere Redakteure Ingo Schmitz und Raimund Neuss berichten ab 10 Uhr hier im Liveticker.

Die Pressekonferenz mit dem Strafrechtler Björn Gercke ist am Donnerstag ab 10.00 Uhr auch öffentlich unter www.erzbistum-koeln.de sowie unter www.domradio.de zu sehen.