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Kriegsverbrecher-Prozess in KiewDeswegen wurde Wadim Schischimarin zum Mörder

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Der Angeklagte Wadim Schischimarim.

Er habe die Höchststrafe verdient, sagt der Angeklagte. Seine großen Augen wirken ängstlich, sein kindliches Gesicht verstört. Als könne er selbst nicht begreifen, wie er in dem Gerichtssaal in Kiew gelandet ist. Und warum ausgerechnet er in die Geschichte als der erste verurteilte Kriegsverbrecher im Ukraine-Krieg eingehen könnte. Wadim Schischimarin ist 21 Jahre alt und hat einen Mann getötet.

Am 28. Februar soll er Alexander Schelipow aus einem fahrenden Auto in den Kopf geschossen haben. Schelipow war pensionierter Traktorfahrer. Laut Medienberichten hat er selbst beim sowjetischen In- und Auslandsgeheimdienst KGB als Leibwächter gearbeitet haben. Mit 62 Jahren wurde er von einem russischen Soldaten erschossen.„Es war ein Befehl“, sagt Schischimarin vor Gericht. Erst habe er sich geweigert, dann aber drei, vier Schüsse aus seiner Waffe abgefeuert. Wenige Minuten später findet Kateryna Schelipowa ihren Mann neben seinem Fahrrad tot auf der Straße. Stücke seines Gehirns sollen über den Asphalt gespritzt sein. Zu dem Zeitpunkt sind Schischimarin und die anderen Soldaten längst weiter gefahren. Am nächsten Morgen werden sie sich ergeben. Das Ende eines Kriegseinsatzes, dessen Geschichte voller Pannen und Fehler klingt wie aus einem Film.

Ukraine-Einsatz sollte für Soldaten nur drei Tage dauern

Als Schischimarin mit seiner Truppe Anfang Februar nach Belgorod im Westen Russlands verlegt wird, ist er seit drei Jahren Soldat. Ursprünglich stammt er aus Ust-Ilimsk in Sibirien und ging zur Armee, um seine Familie finanziell zu unterstützen. Als er seinen Kommandanten fragt, was das Ziel des Einsatzes in der Ukraine sei, sagt der: „In die Stadt Sumy fahren, sich zeigen und nach drei Tagen geht es dann schon wieder zurück.“ Man wolle die Ukrainer nur erschrecken. Der Rest werde sich fügen. Es sollte ein kurzer Einsatz werden. Die Truppe hat Essensrationen für drei Tage dabei. Doch dann kommt es anders.

Am 27. Februar halten sich die russischen Soldaten im Nordosten der Ukraine in einem Feldlager am Waldrand auf, als versehentlich ein Alarm ausgelöst wird. Die Männer schießen auf ihre eigenen Truppen. Es gibt Verwundete. Die sollen mit einer Kolonne zur Versorgung zurück nach Russland gebracht werden. Doch die gerät unter Artillerie-Beschuss ukrainischer Soldaten. Die Gruppe zerschlägt sich. Die Soldaten irren umher.

Zivilist wegen geklauten Auto erschossen

Schischimarin und vier weitere Soldaten stoppen mit Schüssen einen Passat und klauen ihn, um schneller voranzukommen. Sie wollen des Rest ihrer Truppe finden. Es geht nur langsam voran. Ein Reifen ist zerschossen, das Auto kommt kaum vorwärts.

Im Dorf Tschupachiwka steht ein Mann am Straßenrand und telefoniert, als die russischen Soldaten vorbeifahren. „Der ruft doch ukrainische Soldaten zur Verstärkung“, sagt einer der Insassen. „Schieß!“, ruft ein anderer. Schischimarin sitzt auf der linken Seite des Wagens. Er will nicht schießen, sagt er. Es sei ein Befehl, heißt es. Also schießt Schischimarim. „Es hat ihn umgebracht“, sagt er vor Gericht.

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Die Soldaten fahren weiter, klauen das nächste Auto, um schneller voran zu kommen. Wieder werden sie von der ukrainischen Armee beschossen. Einen sterbenden Kameraden lassen sie zurück, suchen nachts Schutz in einem Schweinestall. Morgens irren sie umher. Ihre Truppe haben sie längst verloren. Im nächsten Dorf ergeben sich die russischen Soldaten.

Da hat Kateryna Schelipowa schon die erste Nacht ohne ihren Alexander verbracht. „Er war alles für mich“, sagt sie bei der Verhandlung und weint. „Er war mein Verteidiger.“ Sie sei dagegen gewesen, dass er an diesem Tag ins Dorf fahre, um sich die Schäden eines russischen Angriffs anzusehen.

Doch er nimmt trotzdem sein Fahrrad und fährt los. Kateryna sieht aus dem Fenster. Ein Auto mit Soldaten fährt vorbei. Einer hat große Augen, ein kindliches Gesicht und hält eine Waffe in der Hand. Dann fallen Schüsse. „Ich habe Angst bekommen und mich nicht bewegt. Sieben Minuten habe ich gewartet.“ Dann geht sie nach draußen.

Schischimarim: Leugne meine Schuld nicht

Knapp drei Monate später trifft sie seinen Mörder im Gerichtssaal in Kiew wieder. Sie weint. Immer wieder. „Was hast du gefühlt, als du meinen Mann getötet hast?“, fragt sie Schischimarin, der in einem grau-blauen Jogginganzug in einer Zelle aus Glas sitzt. „Angst“, sagt er. Sie fragt weiter und klingt wütend: „Warum seid ihr überhaupt gekommen? Um uns zu beschützen? Vor wem? Meinem Mann?“ Der russische Präsident Wladimir Putin rechtfertigt den brutalen Angriffskrieg auf die Ukraine mit dem angeblichen Schutz der ukrainischen Zivilbevölkerung.

Schischimarin sagt: „Ich leugne meine Schuld nicht.“ Das Sprechen fällt ihm schwer. „Ich weiß, dass Sie mir nicht vergeben können, trotzdem bitte ich um Vergebung für all das, was ich getan habe.“ Direkt zu Prozessbeginn hatte Schischimarin seine Tat gestanden. Er halte seine Tat für inakzeptabel und strafbar, sagte er. Das sieht auch Witwe Schelipowa so: „Ich halte lebenslängliche Haft für angemessen.“

Staatsanwaltschaft fordert Höchststrafe, Verteidiger den Freispruch

Die staatliche Anklage sieht den Tatbestand des Kriegsverbrechens und des Mordes erfüllt, berichteten örtliche Medien. Die Anklage lautet nach Paragraf 438 des ukrainischen Strafgesetzbuches: Verletzung der Gesetze und Gewohnheiten des Krieges. Schischimarins Anwalt hat einen Freispruch für seinen Mandanten gefordert.

Statt einer Haftstrafe könnte Schischimarin auch gegen gefangene ukrainische Soldaten aus dem Asow-Stahlwerk in Mariupol ausgetauscht werden. Zwei Soldaten, die mit ihm im Auto saßen, sollen bereits durch solch einen Gefangenenaustausch nach Russland gebracht worden sein. Das wäre eine Möglichkeit, die Witwe Schelipowa akzeptieren würde. „Wenn Schischimarin gegen die Verteidiger von Mariupol ausgetauscht wird, dann ist mir das auch recht. Dann bin ich dafür.“ Das Urteil in dem Prozess wird am kommenden Montag erwartet.

Der Kreml äußert sich bislang nicht zum Prozess gegen Wadim Schischimarin. Angeblich wegen fehlender Informationen.