Kramp-Karrenbauer„Bin wütend auf uns, weil wir historisch versagt haben“
Berlin – Es sind bemerkenswerte Worte einer ehemaligen deutschen Verteidigungsministerin. Annegret Kramp-Karrenbauer, von 2019 bis 2021 im Amt und heute einfaches CDU-Mitglied, schreibt auf Twitter angesichts der russischen Invasion in der Ukraine: „Ich bin so wütend auf uns, weil wir historisch versagt haben. Wir haben nach Georgien, Krim und Donbass nichts vorbereitet, was Putin wirklich abgeschreckt hätte.“ Sie fügt hinzu, man habe die Lehre von Schmidt und Kohl vergessen, „dass Verhandlungen immer den Vorrang haben, aber man militärisch so stark sein muss, dass Nichtverhandeln für die andere Seite keine Option sein kann“.
Nur 77 Prozent der Hauptwaffensysteme sind einsatzbereit
Natürlich wirft ihre Erklärung die Frage auf, warum sie selbst im Amt nicht dafür gesorgt hat, dass die Bundeswehr so ausgestattet ist, dass sie einsatzbereit und abschreckend wirken könnte. Von den Hauptwaffensystemen der Bundeswehr sind laut Verteidigungsministerium zurzeit nur 77 Prozent einsatzbereit. Besonders die USA bemängeln schon seit Jahren, dass die Nato-Vorgabe, zwei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, von Deutschland nicht erfüllt wird.
Auch die drastischen Worte von Heeresinspekteur Alfons Mais, Deutschland oberstem Heeressoldaten, lassen jetzt aufhorchen. „Ich hätte in meinem 41. Dienstjahr im Frieden nicht geglaubt, noch einen Krieg erleben zu müssen. Und die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da“, schreibt der Generalleutnant auf LinkedIn.
Forderungen nach einem Kurswechsel werden laut
Als Konsequenz aus dem russischen Angriff werden nun Forderungen nach einer konsequenten Kursänderung laut. Unionsfraktionsvize Johann Wadephul bezeichnete die Aggression als „Warnschuss“. „Es ist unsere letzte Chance anzuerkennen, dass die Verteidigungsfähigkeit zur Sicherung von Frieden und Freiheit dazugehört“, sagt der Sicherheitsexperte im Gespräch mit unserer Redaktion. Das Tempo beim Wiederaufbau der Bundeswehr müsse sofort erhöht werden. „Unsere militärische Sicherheit muss uns so viel wert sein wie unsere soziale Sicherheit“, sagte Wadephul.
Nach der Krim-Annektion Russlands 2014 habe man nicht konsequent mehr Geld in die Bundeswehr investiert. „Das war ein gefährlicher Weg, den wir jetzt verlassen müssen.“ Es habe in der unionsgeführten Bundesregierung mit der SPD keine politische Mehrheit dafür gegeben.
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Wadephul konstatiert: „Wir haben heute keine einzige voll ausgerüstete Heeresdivision.“ Dafür müssten jetzt „pro Jahr hohe Milliardenbeträge aufgewendet werden“.
Auch der frühere Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), fordert im Gespräch mit unserer Redaktion eine grundlegende Strukturreform der Bundeswehr. „Wir brauchen in der Bundeswehr weniger Kommandobehörden und mehr Truppe, also voll aufgestellte organische Kräfte“, sagt er. Vor allem im Heer seien Änderungen nötig. Derzeit gebe es dort statt der angestrebten acht bis zehn Brigaden nur siebeneinhalb, denen zudem „wichtige Fähigkeiten fehlen“ würden, kritisierte Bartels: „Die haben keine eigenen Fernmelder, keine eigene Sanität, keine eigene Logistik, keine eigene ABC-Abwehr.“
Außerdem forderte der SPD-Mann, dass die Bundesregierung rasch die Verteidigungsausgaben erhöht, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart ist: „Es wird zusätzliches Geld gebraucht – je schneller desto besser.“ Am 9. März will das Bundeskabinett den Haushaltsplan für dieses Jahr beschließen.