KommentarKramp-Karrenbauers Pyrrhussieg
- Annegret Kramp-Karrenbauer hat am Ende einer langen Parteitagsrede die Vertrauensfrage gestellt.
- Damit hat sie zu einer Waffe gegriffen, die man sich eigentlich für den Notfall aufhebt.
- Doch schon am Samstag ging die Debatte weiter.
Leipzig – Die Vertrauensfrage ist ein scharfes Schwert. Politiker stellen sie in kritischen Phasen, wenn sie ganz sicher sein müssen, dass sie sich auf eine klare Mehrheit verlassen können. Sie disziplinieren damit Unentschlossene sowie Gegner in den eigenen Reihen.
Kanzler Schröder hat das 2001 bei der Abstimmung über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan gemacht. Es ging um Leben und Tod. Seine rot-grüne Koalition folgte ihm. 2005 benutzte er nach einer Reihe für die SPD verlorener Landtagswahlen die Vertrauensfrage, um die Bundestagswahl vorzuziehen. Es ging um sein politisches Überleben. Er verlor sein Amt an Angela Merkel.
Vertrauensfrage kam plötzlich
Annegret Kramp-Karrenbauer hat nach einem knappen Jahr im Amt der CDU-Vorsitzenden und am Ende einer sehr langen Parteitagsrede plötzlich die Vertrauensfrage gestellt. Zu einem Zeitpunkt, als sie eigentlich sicher sein konnte, dass die allermeisten Delegierten ihr ohnehin gleich applaudieren werden und die Revolte ausbleiben würde. Sie konnte ihren Kontrahenten Friedrich Merz und dessen Anhänger in Leipzig zwar auf Abstand halten. Aber es ist ein teuer erkaufter Sieg.
Wer es gar nicht so wahrgenommen hatte, dass die Nachfolgerin von Angela Merkel an der CDU-Spitze schwer angeschlagen war, vermutet es nun umso mehr. Denn mit der Vertrauensfrage hat die CDU-Chefin zu einer Waffe gegriffen, die man sich für den Notfall aufhebt. Dann, wenn man wirklich mit dem Rücken zur Wand steht. Wenn es sonst nicht weiter geht und man bereit ist, selbst zu gehen.
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Luft konnte sich Kramp-Karrenbauer nicht verschaffen
König Pyrrhos von Epirus soll nach seinem Sieg über die Römer gesagt haben: Noch so ein Sieg und wir sind verloren. Seine Armee hatte schwere Verluste erlitten. Als er alle Kraft gebraucht hätte, verlor er den folgenden Pyrrhischen Krieg.
Luft für ihren Anlauf auf die Kanzlerkandidatur konnte sich Kramp-Karrenbauer jedenfalls nicht verschaffen. Schon am Samstag ging die Debatte weiter. Nicht über Merz. Sondern über CSU-Chef Markus Söder. Und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hält sich noch im Hintergrund. Er gilt längst als ernstzunehmender Kandidat.
Rückhalt erzwungen, nicht erkämpft
Söder riss die Delegierten mit einer selbstbewussten, selbstironischen, humor- und kraftvollen Gastrede wahrhaftig vom Hocker. Das war Kramp-Karrenbauer nicht gelungen. Vielmehr bleibt jetzt hängen, dass sie den Rückhalt während des Parteitags ein Stück weit durch ihre Machtfrage erzwungen und nicht nur durch eine programmatische Rede erkämpft hat.
Eine Vertrauensfrage stellt man nur einmal, dann ist dieses Schwert für lange Zeit stumpf. Jetzt darf Kramp-Karrenbauer nicht mehr schwächeln. Sonst war der Parteitag der CDU in Leipzig ihr Pyrrhussieg.