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Kirchenrechtler Interview„Respekt auf katholisch heißt gewaltfreie Diskriminierung“

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Norbert Lüdecke

Mit größter Skepsis sieht der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke den „Synodalen Weg“ in der katholischen Kirche. Haben Reformen wirklich keine Chance? Welche Aussichten gibt es für Kritiker? Raimund Neuß sprach mit ihm – auch darüber, warum er weiter Priester ausbilden will.

Sexualethik, kirchliche Hierarchien, die Rolle von Frauen in der katholischen Kirche: Viele Katholiken hoffen darauf, bei den Gesprächen auf den Synodalen Weg hier zumindest einige Reformen erreichen zu können. Und Sie sagen, diese Leute täuschen sich gründlich. Warum?

Norbert Lüdecke: Weil die Kompetenz für Reformen, die diesen Namen verdienen, in allen von Ihnen genannten Bereichen beim universalkirchlichen Lehramt liegt, vor allem beim Papst. Gespräche auf dem Synodalen Weg können zu einem Meinungsbild führen, das als Bitte an die Bischöfe geht und über diese nach Rom. Aber das war’s dann auch. Wer das schon für Reformen hält, kann ja zufrieden sein.

Klar, auch die Laienvertreter wissen, dass sie ohne die Bischöfe nichts erreichen können. Aber es gibt doch Bischöfe, die Reformen fordern – etwa den Aachener Bischof Helmut Dieser, der das Forum zur Sexualethik auf dem Synodalen Weg mit moderiert und vehement auf eine Öffnung der Sexualethik dringt.

Schauen Sie: Warum ist Bischof Dieser Diözesanbischof? Weil er in Studium und Klerikerlaufbahn beim Apostolischen Nuntius, der Römischen Kurie und beim Papst den Eindruck verlässlicher Orthodoxie und Orthopraxie hinterlassen und den entsprechenden Gehorsam ja auch mehrfach versprochen hat. Vor Antritt seines Amtes musste er sich dann nochmals eigens zu allen Lehren der Kirche bekennen und dem Papst Gefolgschaftstreue schwören.

Insofern ist es interessant, wenn hier offenbar das Gewissen eines Bischofs gegen päpstliche Lehrvorgaben ausschlägt und er dies auch öffentlich äußert, sich also ungehorsam zeigt. Aber: Steht deshalb die Korrektur der amtlichen Lehre bevor? Ich bitte Sie! Bischof Dieser kann keine Kirchenlehren ändern, und das weiß er. Er weiß sicher genauso, dass er mit seiner öffentlichen Kritik gegen geltendes Recht verstößt und, wenn er es wirklich ernst meinen sollte, auch auf Sanktionen gefasst sein muss. Allerdings hat Bischof Dieser ja schon zu erkennen gegeben, homosexuelle Paare etwa nicht ohne Erlaubnis aus Rom zu segnen. Aber selbst, wenn er das für sich durchzieht, wo ist die Sensation und wo ein tragfähiger Grund für Reformhoffnungen? Das müssen die beantworten, die sie dauernd beschwören und andere zum Mithoffen betören.

Die katholische Kirche predigt die Gleichheit aller Menschen vor Gott – und vertritt Lehren, die viele Betroffene als diskriminierend, im Fall von Homosexualität sogar als entwürdigend empfinden. Ist da nirgendwo Bewegung möglich?

Wer Gott Gleichheitsansprüche im Jenseits einlösen lässt, kann sich im Diesseits mit Ungleichheiten gut einrichten. Die katholische Kirche vertritt eine strikt heteronormative, das heißt lehramtlich verbindlich auf die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen festgelegte Moral, und dies gegen viele seit langem und solide ausgearbeitete theologische Begründungen, dass hier Bewegung möglich und nötig ist. Auf dem Synodalen Weg werden diese Begründungen nun erneut vorgetragen. Und dann?

Die Synodal:innen mögen sich mehrheitlich und persönlich ehrlich für die Gleichberechtigung von nicht-heterosexuellen Menschen aussprechen – aber was ändert das? Sie tun dies als Glieder einer Kirche, die diesen Menschen ernsthaft lebenslange Enthaltsamkeit abfordert, ihnen ihr Mitleid anbietet und sich im Übrigen weltweit unter Berufung auf die Religionsfreiheit für ihre Ungleichbehandlung in Staat und Gesellschaft einsetzt. Respekt auf katholisch heißt hier gewaltfreie Diskriminierung. Sich medienwirksam für Geflüchtete einsetzen und zugleich die Homosexuellen unter ihnen diskriminieren? Katholisch geht das. Und wer mit Oberhirten darüber redet, sollte wissen, bei wem die Letztrechthabe liegt.

Was sollen die reformorientierten Katholiken denn nun machen? Evangelisch werden?

Mal abgesehen davon, dass man als Katholik aus amtlicher Sicht diese Wahl nicht hat und von der Kirche als exkommuniziert, aber lebenslang katholisch angesehen würde – ich bin Kanonist, kein Lebensberater. Ich kann die Strukturen und Ansprüche der real-existierenden katholischen Kirche analysieren und hoffentlich in verständnisdienlicher Anschaulichkeit korrekt beschreiben. Wer diese Analyse für richtig hält, kann sich dann erwachsen dazu verhalten.

Aber könnte die Kirchenleitung wirklich auf Dauer dem Druck standhalten, wenn sich immer mehr Leute abwenden sollten? Ein paar verbleibende rechtgläubige Geistliche und folgsame Laien könnten sich zusammen als perfekte Kirche fühlen, aber welche Relevanz hätte so eine Kirche noch?

So wie das katholische System funktioniert, kann es auf Ihr Szenario hinauslaufen. Wer die Kirche in ihrer Identität angreift, wird via Exkommunikation in ihr entrechtet. Das führt in die Isolation und Abspaltung. Wer bereut und sich der Ordnung beugt, kann jederzeit zurück. Anerkennung in der Andersheit ist aber ausgeschlossen.

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Nach dieser Analyse – warum bleiben Sie selbst dabei und bilden als Professor sogar weiter Priester aus?

Ganz einfach: Ich arbeite ganz im Sinne meines gerade kirchlichen Auftrags, nämlich Lehre und Recht der katholischen Kirche verständlich zu vermitteln, so wie sie von der kirchlichen Autorität gemeint sind. Das kann enorm aufklärend wirken. Und ich kann ehrlich sagen, das macht mir und – soweit ich sehe – auch Studierenden immer noch Spaß.