Frankfurt/Main – Nach zwei wichtigen Abstimmungserfolgen haben sich die Reformer unter den deutschen Katholiken am zweiten Tag der Synodalversammlung in Frankfurt/Main optimistisch gezeigt.
„Die Bischöfe haben den Schuss gehört”, versicherte Beate Gilles, die Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz. „Das ist beileibe noch nicht der Durchbruch zu einer anderen und erneuerten Kirche, aber ich glaube, es ist ein gutes Fundament, das da jetzt gegossen worden ist.” Ihr sei „ein Stein vom Herzen gefallen”.
Gilles verwies darauf, dass die Bischöfe am Abend zuvor mit Zwei-Drittel-Mehrheit zwei zentrale Texte beschlossen hatten, die einen Reformbedarf anerkennen und die Grundlage für konkrete Reformbeschlüsse bilden sollen. Die Reformer streben unter anderem Segnungen für Homosexuelle, eine Lockerung des Zölibats, die Einführung des Diakonats der Frau und ein Mitbestimmungsrecht von Gläubigen bei der Bischofswahl an.
Gilles: Sind großen Schritt weiter
„Mit den beiden Abstimmungen sind wir einen großen Schritt weiter”, sagte Gilles. Bisher hatte man nur darüber spekulieren können, wie viele Bischöfe Reformen wirklich mittragen würden. Allerdings waren bei den Abstimmungen einige bekannte Konservative wie der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki nicht mit dabei. Hätten sie alle mitgestimmt, wäre die Zwei-Drittel-Mehrheit nicht mehr so sicher gewesen.
Gilles sagte, die Kirche befinde sich in einer dramatischen Lage. „Wir haben eine tiefe Krise, und wir haben das Vertrauen verloren.” Nach der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens waren die Anträge auf Kirchenaustritte vielfach noch einmal in die Höhe geschnellt.
Der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Marc Frings, sagte, es sei derzeit eine „bemerkenswerte Dynamik” spürbar. Die Abstimmungen zeigten, dass etwa 80 Prozent der Delegierten hinter den angestrebten Reformen stünden. „Gestern haben wir gesehen, als es zum ersten Mal ernst wurde, als es um Texte der zweiten Lesung ging, dass es ein Dutzend Bischöfe gibt, die diese Reformen möglicherweise nicht unterstützen.” Insgesamt gibt es 69 Bischöfe, von denen 61 zu der Synodalversammlung angemeldet waren. An den Abstimmungen beteiligten sich 59.
Johanna Müller, die mit 18 Jahren jüngste Delegierte, sagte, in den letzten Wochen sei es noch einmal deutlich schwieriger geworden, sich zur Kirche zu bekennen. Der Weg nach Frankfurt sei ihr sehr schwer gefallen. „Ich spüre den großen, großen Druck, der zurecht in unserer Gesellschaft in Deutschland da ist. Und es ist auch mit gar nichts zu rechtfertigen, warum so viele Reformschritte noch nicht gegangen wurden.”
Debatte über Frauenämter
Eine ähnliche Dringlichkeit war auch in der Diskussion am Nachmittag zu spüren, als es um die erste Lesung eines Textes zu Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche ging. „Dieser Text eröffnet endlich eine Zukunft für Frauen in der Kirche”, sagte eine Vertreterin der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands. Die Ordensschwester Philippa Rath sprach von einer fast schon historischen Stunde: „Viele Frauen hoffen, teils seit Jahrzehnten, auf Änderungen und ein Ende der Diskriminierung.” Es täte der Kirche gut, alle Ämter auch für Frauen zu öffnen - oder, so mahnten vor allem junge Delegierte, für alle Geschlechteridentitäten.
Voderholzer bittet um Verzeihung
Unterdessen hat der dem konservativen Flügel zugerechnete Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer nach Äußerungen im Zusammenhang mit dem Münchner Missbrauchsgutachten um Verzeihung gebeten. „Menschen, vor allem Missbrauchsopfer fühlen sich von mir vor den Kopf gestoßen, verletzt, sind empört. Das macht mich traurig und lässt mich beinahe verzweifeln”, schrieb er in einem Statement. Er hätte seine Kritik am Vortag nicht in kurzer Form während der Synodalversammlung in Frankfurt am Main äußern sollen, „da sich der Gedankengang nicht in wenigen Zeilen oder drei Minuten erklären lässt”. Das tue ihm außerordentlich Leid.
Bei der Versammlung hatte Voderholzer am Vortag darauf verwiesen, dass eine Strafrechtsreform von 1973 Kindesmissbrauch nicht mehr als Verbrechen gewertet habe „und zwar auf der Basis von sexualwissenschaftlichen Urteilen, die davon ausgehen, dass für die betroffenen Kinder und Jugendlichen die Vernehmungen wesentlich schlimmer sind als die im Grunde harmlosen Missbrauchsfälle”. Und weiter: Dies müsse berücksichtigt werden, wenn heute über das Verhalten der Kirche in den 1970er und 80er Jahre geurteilt werde. Die Äußerungen des Bischofs hatten Empörung ausgelöst. Mehrere Delegierte verurteilten sie scharf.
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