InternetWie in sozialen Medien Falschinformationen gestreut werden
Berlin – „Glauben Sie den Fälschungen nicht.“ Mit einem knappen Satz auf Twitter und einem kurzen Video auf der Straße in Kiew konnte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Wochenende die Gerüchte widerlegen, er sei untergetaucht. „Wir werden die Waffen nicht niederlegen, wir werden unseren Staat verteidigen“, sagte Selenskyj in die Selfie-Kamera seines Smartphones und räumte in einem Rutsch die russische Kriegspropaganda ab, er habe längst das Land verlassen.
Die Prüfung der Informationen ist selbst für Experten nicht leicht
Auf Twitter, Facebook und Tiktok hat der Ukraine-Konflikt ein Feuerwerk vermeintlicher oder auch echter Informationen ausgelöst. Das gilt auch für die in Russland und auch in der Ukraine relevanteren Dienste Telegram und Vk, eine Art Facebook-Klon. Dabei fällt es selbst professionellen Beobachtern nicht immer leicht, authentische Berichte vor Ort von gefälschten Informationen, Fotos und Videos zu unterscheiden.
Manche Fälschungen sind leicht zu durchschauen. Das gilt etwa für den Versuch, Berichte von einem Beschuss eines Kindergartens in Luhansk durch prorussische Separatisten in Zweifel zu ziehen. Angeblich sei das Einschussloch in der Wand in der Turnhalle von einem Bagger aufgerissen worden, hieß es vor allem auf Telegram. Das Beweismittel, ein Foto mit dem Bagger, erwies sich schnell als Fälschung. Trotzdem wird es noch heute mit der Falschbehauptung weitergereicht.
Von der Manipulation bis hin zur Inszenierung
In anderen Fällen sind die Bilder nicht manipuliert, aber trotzdem Teil einer Inszenierung. Das gilt etwa für den Beitrag des russischen Staatssenders RT über die Evakuierung von Waisenkindern, die von einem Kinderheim in Donezk nach Russland vor der vermeintlichen Gefahr durch das ukrainische Militär in Sicherheit gebracht werden.
Manipulative Clips wurden nicht nur massenhaft in sozialen Medien platziert, sondern auch durch bezahlte Anzeigen von RT in den Nachrichtenstrom auf Facebook eingeschleust. Doch dieser Kanal bleibt künftig versperrt: Facebook nimmt inzwischen kein Geld für Propagandawerbung mehr an und hat gleichzeitig die Werbefinanzierung der RT-Inhalte gestoppt. Der Facebook-Konzern Meta weigerte sich auch, die Faktenchecks durch unabhängige Medienorganisationen bei vier russischen Staatsmedien zu stoppen. Daraufhin hat die russische Regierung angekündigt, die Nutzung der Meta-Dienste Facebook, Instagram, Whatsapp und Messenger einzuschränken, bestätigte Facebook-Topmanager Nick Clegg.
Telegram hat in Russland die größte Bedeutung
Meta steht hier nicht allein. Auch Twitter und Google kündigten an, sich Fake News und Cyberangriffen rund um den Ukraine-Konflikt in den Weg zu stellen. Für die Meinungsbildung in der russischen Zivilgesellschaft werden diese Abwehrmaßnahmen aber nur bedingt von Bedeutung sein. Viel wichtiger als Twitter und Facebook ist in Russland die App Telegram. Schätzungsweise jeder vierte russische Einwohner verfügt über einen Account. Hier können die russische Regierung und die Staatsmedien ungestört ihre Propaganda verteilen, ohne Faktenchecks oder Löschungen befürchten zu müssen.
Dabei ist das Verhältnis von Telegram zur russischen Staatsführung nicht ungetrübt, auch weil dort russische Oppositionelle oder die ukrainischen Kriegsgegner unzensiert zu Wort kommen. So verfügt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj über einen eigenen Telegram-Kanal, in dem auch seine aktuellen Videos zu sehen sind.
Telegram-Mitbegründer Pawel Durow erklärte am Wochenende, Telegram habe nicht die Kapazität, alle Veröffentlichungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. „Ich empfehle Nutzern aus Russland und der Ukraine, derzeit misstrauisch zu sein, was die Verbreitung von Daten über Telegram angeht. Wir wollen nicht, dass Telegram als Werkzeug zur Verschärfung von Konflikten und zur Aufstachelung von Zwietracht zwischen den Volksgruppen benutzt wird.“ Zahlreiche Nutzer hätten ihn gebeten, die Feeds für die Dauer des Konflikts nicht abzuschalten, da Telegram ihre einzige Informationsquelle sei. (dpa)