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„Führt kein Weg dran vorbei“Lob und Respekt für Grünen-Rücktritt – und Rufe nach Neuwahlen

Lesezeit 5 Minuten
Die Grünen-Parteivorsitzenden Ricarda Lang (r) und Omid Nouripour verlassen die Pressekonferenz zu ihrem geschlossenen Rücktritt.

Die Grünen-Parteivorsitzenden Ricarda Lang (r) und Omid Nouripour verlassen die Pressekonferenz zu ihrem Rücktritt.

Ricarda Lang und Omid Nouripour haben ihren Rückzug von der Grünen-Parteispitze bekanntgegeben. So fallen die Reaktionen aus.

Selbst für viele führende Grünen-Mitglieder kam die Entscheidung überraschend: Die Parteispitze tritt geschlossen ab. Wie Politikerinnen und Politiker auf den Rücktritt der Bundesspitze der Grünen reagieren.

Kanzler Scholz erwartet „keinerlei Auswirkungen auf die Koalition“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erwartet durch den Rücktritt der Grünen-Spitze keine Folgen für die Ampel-Regierung. „Das hat keinerlei Auswirkungen auf die Koalition“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch in Berlin. Die Grünen-Chefs Ricarda Lang und Omid Nouripour seien bis zur Klärung ihrer Nachfolge auf der Bundesdelegiertenversammlung der Grünen Mitte November weiter im Amt. Damit entstehe keine personelle Lücke oder ein Machtvakuum.

Scholz habe den Rücktritt zur Kenntnis genommen, sagte Hebestreit weiter. Der Kanzler habe mit beiden immer „eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet“ und bedauere diesen Schritt.

Christian Lindner zollt Grünen-Vorsitzenden Respekt

FDP-Chef Christian Lindner zollte Lang und Nouripour für deren Rücktrittsankündigung Respekt. „Die Zusammenarbeit war menschlich immer fair“, schrieb er auf X.

Zugleich betonte Lindner: „Wir sind gespannt, ob unter neuer Führung ein neuer Kurs entsteht und welche Auswirkungen er auf die Regierung hat.“ Die Ampel müsse in der Sache arbeiten, hier gebe es in Deutschland gerade keine Zeit zu verlieren.

Ministerpräsident Kretschmann: personeller Neuanfang richtig

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hält den Rücktritt für den richtigen Schritt. „Beide haben die Partei in nicht einfachen Zeiten mit hoher Loyalität zur Bundesregierung geführt. Das verdient großen Respekt“, teilte Kretschmann mit.

„Es ist aber auch richtig, die Konsequenzen aus den Wahlergebnissen zu ziehen und den Weg für einen personellen Neuanfang freizumachen.“ Auch wenn die Bundesvorsitzenden persönlich keine Verantwortung für die Wahlergebnisse in diesem Monat hätten, betonte der Regierungschef. „Dafür gebührt ihnen Dank und große Anerkennung für diesen Schritt.“

CDU-Generalsekretär fordert vorgezogene Neuwahlen

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte nach dem geschlossenen Rücktritt des Grünen-Bundesvorstands die Ampel-Regierung zu vorgezogenen Neuwahlen auf. „Noch ein Jahr ‚Ampel‘ wird unser Land nicht verkraften“, sagte Linnemann der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom Donnerstag. „An Neuwahlen führt kein Weg vorbei.“

Die Grünen hätten „persönliche Konsequenzen“ aus den „desolaten“ Wahlergebnissen gezogen, sagte der CDU-Generalsekretär. Dies sei „ein respektabler Schritt“ der bisherigen Parteichefs Omid Nouripour und Ricarda Lang. Die Grünen müssten aber „ihre Politik grundsätzlich ändern“, sagte Linnemann. „Die grüne Blockadehaltung bei der Migrationspolitik“ und „ideologisches Mikromanagement im Wirtschaftsministerium“ unter Minister Robert Habeck „schaden unserem Land.“

Weiterer Ruf nach Neuwahlen von Wagenknecht

Auch die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht fordert nach dem angekündigten Rückzug der Grünen-Spitze Neuwahlen im Bund. Sie sagte der „Rheinischen Post“: „Dass Frau Lang und Herr Nouripour politische Verantwortung übernehmen, verdient Respekt. Viel zu oft erleben wir heute eine Unkultur der politischen Verantwortungslosigkeit und das Kleben an Ämtern, egal, wie mies die Performance ist. Das wird nicht zuletzt bei den anderen beiden Ampel-Parteien deutlich.“

Sie würde sich wünschen, dass der Schritt von Lang und Nouripour auch die Bundesminister der Grünen ermuntere, politische Verantwortung für schlechtes Regieren zu übernehmen und den Weg für notwendige Neuwahlen freizumachen, sagte Wagenknecht.

Söder sieht im Grünen-Rücktritt ein „Bauernopfer“

CSU-Chef Markus Söder forderte ebenfalls eine Neuwahl im Bund. Der Grünen-Vorstand sei ein „Bauernopfer“, sein Rücktritt „erzwungen“, sagte der bayerische Ministerpräsident am Mittwoch vor Journalisten in Berlin. Der Vorgang zeige den Zustand der Ampelkoalition, die „in sich zerfällt“.

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne) müssten zurücktreten, forderte Söder. Zudem sei eine Neuwahl „fällig“, denn die Bundesregierung habe „keinen Saft“ mehr. Habeck selbst als „zentrales Gesicht“ der Grünen sei „gescheitert“ und trage Verantwortung „für den wirtschaftlichen Niedergang“.

Ministerin Neubaur zeigt sich „zutiefst dankbar“

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) sieht in der Entscheidung von Ricarda Lang und Omid Nouripour großes Verantwortungsbewusstsein. „Es zeichnet Ricarda & Omid aus, diesen Schritt -in Verantwortung für die Partei- selbstbestimmt und selbstbewusst zu gehen“, erklärte Neubaur auf X.

Die Ministerin hob unterdessen hervor, was Lang und Nouripour in den vergangenen Jahren für die Grünen geleistet hätten. Neubaur: „Dafür bin ich zutiefst dankbar.“

SPD-Spitze betont Partnerschaft „trotz inhaltlicher Unterschiede“

Die SPD-Spitze dankte Lang und Nouripour nach deren Rücktrittsankündigungen für die enge Zusammenarbeit der vergangenen Jahre.

„Wir haben gemeinsam an der Spitze unserer beiden Parteien stets verlässlich und vertrauensvoll Dinge besprochen und geklärt“, erklärten die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Donnerstag). „Trotz mancher inhaltlicher Unterschiede war diese Partnerschaft sehr angenehm, weil sie auch menschlich belastbar war.“

Annalena Baerbock sieht Signal an Bundesregierung

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sieht im Rücktritt auch ein Signal an die Bundesregierung. „Auch wir in der Regierung müssen uns fragen, wie wir besser werden können“, sagte Baerbock am Mittwoch in New York. Es gehe nun darum, „das Vertrauen der Menschen in die Politik zurück zu gewinnen“. Sie fügte hinzu: „Wir alle, die wir für die Grünen und dieses Land Verantwortung tragen, müssen uns fragen, was wir anders machen können und müssen.“

Der Entscheidung der Parteivorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang zum Rücktritt gebühre „unendlicher Respekt“, sagte Baerbock. „Solche Größe und Stärke haben nicht viele - politisch und vor allem menschlich.“ Die Partei und sie persönlich seien Nouripour und Lang zu Dank verpflichtet.

Robert Habeck lobt Lang und Nouripour für „Weitsicht“

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte zum Rücktritt des Parteivorstandes: „Dieser Schritt zeugt von großer Stärke und Weitsicht. Ricarda Lang und Omid Nouripour beweisen, was für sie der Parteivorsitz bedeutet: Verantwortung. Sie machen den Weg frei für einen kraftvollen Neuanfang.“

Habeck sagte weiter: „Hinter uns liegen harte Monate, die Grünen standen voll im Gegenwind.“ Die Niederlagen bei den letzten Wahlen seien unstrittig vom Bundestrend beeinflusst. „Wir tragen hier alle Verantwortung, auch ich. Und auch ich will mich ihr stellen.“ (mit dpa/afp)