Merz im Interview„Der Regierung scheinen grüne Befindlichkeiten wichtiger zu sein"
- CDU-Chef Friedrich Merz wirft der Bundesregierung vor, zu sehr auf „grüne Befindlichkeiten“ einzugehen.
- Zudem sieht er die Belange der kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht genug berücksichtigt.
Wie soll es angesichts der aktuellen Krise mit der Energieversorgung in Deutschland weitergehen, und hat die CDU eigentlich noch Kontakte nach Russland? Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz spricht über Atomkraft, Fracking und den Kurs der Bundesregierung.
Herr Merz, der Stresstest der deutschen Atomkraftwerke legt den Weiterbetrieb von Neckarwestheim 2 und Isar 2 nahe. Das AKW Emsland soll demnach zum Ende des Jahres nicht mehr betrieben werden, weil es nicht benötigt werde. Wie sinnvoll ist es angesichts der Lage, ein modernes AKW nicht weiterzubetreiben?
Die Grünen in der Ampel in Berlin sind ganz offensichtlich von den Grünen in Niedersachsen unter Druck gesetzt worden, das Kernkraftwerk Emsland gegen alle Vernunft abzuschalten. Der Scholz-Regierung scheinen grüne Befindlichkeiten wichtiger zu sein als das Risiko eines Stromausfalls. Für solch ein Roulette-Spiel mit unserer Energieversorgung habe ich absolut kein Verständnis.
Im niedersächsischen Landtagswahlkampf spielen Energiefragen eine große Rolle. Markus Söder hatte vorgeschlagen, im Norden zu fracken. Was halten Sie davon?
Fracking wird auf der ganzen Welt betrieben, in Deutschland ist es zurzeit nur im Rahmen von ein paar Forschungsvorhaben erlaubt. Dafür gibt es gute Gründe. Im Übrigen würde uns Fracking in der aktuellen Gaskrise auch nicht weiterhelfen. Es darf in der jetzigen Situation aber keine Denkverbote geben. Ich plädiere dafür, dieses Thema nicht gegen die Bevölkerung zu entscheiden, sondern mit ihr. Das muss im Konsens geschehen.
Die explodierenden Energiekosten verunsichern viele Menschen: Wie groß ist aus Ihrer Sicht die Gefahr, dass die Demokratie darunter leidet?
Ich möchte, dass die Politik alles dafür tut, um soziale Verwerfungen gar nicht erst entstehen zu lassen. Das geht nur, indem man sorgfältige Entscheidungen trifft. In dieser schwierigen Situation heißt das ausnahmsweise auch, in den Markt einzugreifen und die Preise zu regulieren. Wir haben zurzeit einen Preismechanismus, der sich immer am teuersten Kraftwerk orientiert. Wenn die Gaspreise jetzt derart steigen, müssen wir sie dämpfen. Wir schlagen deshalb vor, den Großhandelspreis so zu deckeln, dass Energie für die privaten Haushalte und Unternehmen bezahlbar bleibt.
Apropos Markteingriffe: Mit dem Wegfall des Tankrabatts sind die Preise sofort wieder gestiegen. Zu Beginn waren Erleichterungen nicht sofort spürbar, weil Unternehmen argumentiert haben, noch alten, teuren Sprit abgeben zu müssen. Versagt hier der Markt?
Wir fanden diese Idee von Anfang an nicht besonders gut. Der Staat hätte die Möglichkeit, die Preise an den Tankstellen dauerhaft zu reduzieren, indem er zum Beispiel die Mehrwertsteuer und die Energiesteuer reduziert. Wir hatten schon vor der Krise die höchsten Tankstellenpreise in ganz Europa. Das sollte die Bundesregierung nicht mit einmaligen Rabattaktionen, sondern nachhaltig regeln.
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Betriebe fürchten mittlerweile Insolvenzen, wenn sie Energiekosten bald nicht mehr bezahlen können. Fokussiert sich die Bundesregierung bei ihren Paketen zu sehr auf Verbrauchersorgen und vergisst Unternehmen?
Sie fokussiert sich zu sehr auf die großen Unternehmen und zu wenig auf kleine und mittelständische Unternehmen. Der Mittelstand, kleine Bäckereien, Einzelhandelsgeschäfte, Metzgereien, Handwerksbetriebe, sie sind alle besonders stark von der Energiekrise betroffen. Deren Probleme werden von der Bundesregierung nicht wirklich verstanden. Da müsste die Bundesregierung einfach mehr tun.
Sie haben angekündigt, zum CDU-Parteitag in Hannover ein Gesamtkonzept zum Umgang mit der Krise vorzulegen. Ist das nicht ein bisschen spät, nachdem die Koalition am Wochenende eines verabredet hat?
Nein, wir haben ja große Teile dessen formuliert, was CDU und CSU gemeinsam in der Energiepolitik wollen. Das Papier wurde auf der Fraktionsklausur in Murnau beschlossen. Wir werden das in ähnlicher Form beim Bundesparteitag verabschieden – zusammen mit unserem Vorschlag für eine bessere Wirtschaftspolitik.
Auslöser all dieser Diskussionen ist das Vorgehen Russlands. Es wurde viel über Gerhard Schröders Verhältnis zu Wladimir Putin diskutiert. Aber ganz ohne diplomatische Beziehungen wird es wohl nicht gehen. Welche Unionspolitiker haben noch direkte Gesprächskontakte in den Kreml hinein?
Es gibt zurzeit keine Kontakte aus der CDU heraus nach Russland. Eine Gesprächsbereitschaft der russischen Regierung ist nicht vorhanden. Das scheint auch für die Bundesregierung zu gelten – bis auf die wenigen Telefongespräche des Kanzlers mit Putin, deren Inhalt ich nicht kenne. Wir werden irgendwann wieder mit Russland sprechen müssen und wollen. Ich vermute aber: Das wird erst nach Putin passieren.
Wie gefährlich wird für die CDU die Diskussion über die Frauenquote während des Parteitages am Wochenende?
Das ist keine gefährliche, sondern eine notwendige und von mir gewünschte Diskussion. Ich hoffe, dass die CDU hier meinem Vorschlag folgt.