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Erste Tote bei MilitäreinsatzTürkische Kampfjets beschießen Grenzstadt in Nordsyrien

Lesezeit 4 Minuten
Syrische Kämpfer

Zwei Soldaten der von der Türkei unterstützten „Freien Syrischen Armee“ springen während einer Militärübung durch brennende Reifen in Vorbereitung auf einen möglichen türkischen Angriff auf kurdische Kämpfer in Syrien.

Istanbul – Die Türkei beginnt eine weitere Militäroffensive in Nordsyrien. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bestätigte den Beginn am Mittwochnachmittag per Twitter. „Unsere Streitkräfte haben zusammen mit der syrischen nationalen Armee im Norden Syriens die Operation Quelle des Friedens gegen die Terrororganisationen PKK/YPG und DEAS begonnen“, schrieb er.

Ziel der Operation ist die kurdische YPG-Miliz, die auf syrischer Seite der Grenze ein großes Gebiet kontrolliert. Die Türkei sieht in ihr einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und begreift die Angehörigen der Miliz als Terroristen. Erdogan schrieb: „Unser Ziel ist, den Terrorkorridor, den man an unserer südlichen Grenze aufbauen will, zu zerstören und Frieden und Ruhe in die Region zu bringen.“

Kampfjets beschießen Grenzstadt

Die türkische Luftwaffe hat im Rahmen einer Militäroffensive Luftschläge in syrischen Grenzorten durchgeführt. Türkische Kampfjets beschossen am Mittwoch die Grenzstadt Ras al-Ain, wie die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana und der türkische Sender CNN Türk übereinstimmend berichteten.

Der Sprecher der von der Kurdenmiliz YPG angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Mustafa Bali, schrieb auf Twitter: „Türkische Kampfflugzeuge haben damit begonnen, Luftangriffe auf zivile Gebiete durchzuführen. Die Menschen in der Region sind in großer Panik.“

Die Medienaktivisten des Informationszentrums Rojava meldeten, auch die Grenzstadt Tall Abjad werde beschossen. Einwohner sagten der Deutschen Presse-Agentur, die Stadt sei fast menschenleer, weil die meisten Zivilisten sie verlassen hätten. Dafür seien viele Kämpfer dort. Die Gesundheitsbehörden bereiteten die Krankenhäuser vor. Auf manchen Dächern seien Scharfschützen zu sehen.

Wurden weltweit aufgefordert, zu demonstrieren

Die syrischen Kurden hatten zuvor eine Generalmobilmachung ihrer Truppen verkündet. Angesichts der zunehmenden Drohungen der Türkei und ihrer syrischen „Söldner“ seien alle aufgerufen, sich an die Grenze zu begeben, um in diesen „kritischen historischen Momenten“ Widerstand zu leisten, hieß es in einer Erklärung am Mittwoch. Kurden weltweit wurden aufgefordert, gegen die Offensive zu demonstrieren.

Vereinzelt gab es am Mittwoch nach türkischen Berichten auch Angriffe auf türkisches Staatsgebiet. Zwei Mörsergranaten aus Ras al-Ain seien im Zentrum von Ceylanpinar eingeschlagen, berichtete Anadolu. Sechs Raketen seien in der weiter im Nordosten Syriens gelegenen Stadt Kamischli abgefeuert worden und im Zentrum des türkischen Grenzbezirks Nusaybin gelandet. Verletzte gebe es nicht.

Der Einmarsch folgte auf widerstreitende Signale aus den USA. Diese hatten am Montag im Morgengrauen zunächst ihre Truppen aus der Grenzregion abgezogen und signalisiert, dass sie sich einer Offensive nicht mehr in den Weg stellen wollten. Die von den kurdischen Milizen dominierten SDF waren im Kampf gegen die Terrormiliz IS lange ein enger Verbündeter der USA. Ihre Truppen gingen in Syrien am Boden gegen die Extremisten vor und konnten wichtige Gebiete einnehmen. Sie überwachen außerdem zahlreiche Lager mit gefangenen IS-Kämpfern.

„Der IS feiert Trumps Verrat.“

Nach scharfen Protesten auch aus den eigenen Reihen in den USA vollzog US-Präsident Donald Trump jedoch teilweise eine Kehrtwende und drohte der Türkei, dass jede „ungezwungene oder unnötige“ Kampfhandlung für ihre Wirtschaft und Währung „verheerend“ werde. Am Dienstag betonte er, die USA hätten die Kurden nicht im Stich gelassen und unterstützten sie weiter finanziell und mit Waffen.

Senatoren im US-Kongress bereiteten unterdessen eine parteiübergreifende Resolution für Sanktionen gegen die Türkei vor. Der republikanische Senator Lindsey Graham schrieb auf Twitter, er werde die Bemühungen im Kongress anführen, den türkischen Präsidenten Erdogan „einen hohen Preis“ zahlen zu lassen. Der demokratische Senator Chris Van Hollen schrieb: „Der IS feiert Trumps Verrat.“

Die Türkei will die Kurdenmilizen aus der Grenzregion vertreiben und dort in einer sogenannten „Sicherheitszone“ Millionen syrische Flüchtlinge ansiedeln, die derzeit in der Türkei und Europa leben. Die Türkei hat seit Beginn des Bürgerkrieges im Nachbarland Syrien rund 3,6 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Mittlerweile kippt aber die anfangs von vielen gelebte Willkommenskultur, unter anderem wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage im Land.

Offensive „Schutzschild Euphrat“ bereits 2016

Die Türkei warb in den vergangenen Wochen aggressiv für die Zone – und um Gelder für den Aufbau der Infrastruktur. EU-Chef Juncker erteilte dem Anliegen am Mittwoch eine Absage: „Erwarten Sie nicht, dass die Europäische Union dafür irgendetwas zahlen wird.“ Er droht damit indirekt auch mit einem Stopp der EU-Zahlungen, die die Türkei derzeit für aufgenommene syrische Flüchtlinge erhält.

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Die Türkei war zuvor schon zweimal auf syrisches Gebiet vorgerückt, beide Male aber westlich des Flusses Euphrat. Im Jahr 2016 hatte sie mit der Offensive „Schutzschild Euphrat“ in der Umgebung des syrischen Orts Dscharabulus den IS von der Grenze vertrieben, aber auch die YPG bekämpft. Anfang 2018 hatten von der türkischen Armee unterstützte Rebellen in einer Offensive gegen die YPG die kurdisch geprägte Grenzregion Afrin eingenommen.

Bis heute kontrolliert die türkische Armee dort gemeinsam mit verbündeten syrischen Rebellen ein Gebiet. Der Bundestag kam 2018 in einem wissenschaftlichen Gutachten zu dem Ergebnis, die türkische Präsenz erfülle alle Kriterien einer militärischen Besatzung. (dpa)